Der bayerische Verwaltungs- und Militärfachmann Benjamin Graf von Rumford war zwar ein tüchtiger Reformer, zugleich aber ein misstrauischer streitbarer Mensch, der sich überall unbeliebt machte.
Unter den Wohltätern der Menschheit befinden sich einige, die man guten Gewissens als ausgemachte Ekel bezeichnen kann. Benjamin Thompson, Graf von Rumford, dem Bayern wichtige militärische und soziale Reformen und nicht zuletzt den Englischen Garten in München verdankt, war so ein Ekel. In den Worten eines Zeitgenossen ausgedrückt hieß das:
Es gab nur wenige Menschen, mit denen er in Berührung gekommen und hernach nicht in Missklang wieder geschieden ist.
Er hatte, da sind sich die Biografen einig, eine bittere Kindheit gehabt und sehr unter seinem Stiefvater zu leiden. Als Erwachsener misstraute er den Menschen und wähnte sich immer zu kurz gekommen.
Von heute ab werde ich mir keine Gelegenheit zum Aufstieg entgehen lassen!
Das notierte schon der 13jährige in sein Tagebuch, als er seine Lehrstelle bei einem Gemischtwarenhändler antrat. Das Städtchen Rumford in der damals noch englischen Kolonialprovinz Massachusetts bot zwar keine großen Aufstiegsmöglichkeiten, aber eine 15 Jahre ältere Witwe fand sich dann doch, die den 19jährigen Benjamin Thompson heiratete und ihm zu einem ersten Vermögen verhalf. Er hätte es bequem haben können, aber das entsprach nicht seiner unsteten Natur.
Stattdessen kaufte er sich eine Majorsstelle in einem englischen Regiment und verschwand auf Nimmerwiedersehen.
In London fand er einen Protektor in Lord Germain, dem Kriegsminister, und brachte es dank seiner Intelligenz und rastlosen Energie zu hohen Ämtern, machte sich aber gleichzeitig so unbeliebt, dass man ihn nach einigen Jahren wieder loszuwerden trachtete. Man gab ihm den Rang eines Oberst, den Adelstitel „Sir“ und den diskreten Abschied. Nun hieß es einen neuen Gönner finden, und Benjamin Thompson versuchte es zunächst beim Kaiser in Wien. Dem war der britische Offizier zu schneidig, er winkte ab, doch der bayerische Kurfürst Karl Theodor war beeindruckt. Er machte Sir Benjamin zu seinem Adjutanten und beauftragte ihn mit einem Memorandum über etwaige Missstände im Kurfürstentum. Benjamin Thompson leistete ganze Arbeit. Das zu jener Zeit hoch entwickelte Bettlerwesen stellte er ab, indem er Arbeitshäuser für Bau-, Metall- und Holzhandwerk gründete, in die die Bettler rigoros eingewiesen wurden.
Sogar die Uniformen der bayerischen Armee wurden in Arbeitshäusern hergestellt, und nach und nach funktionierten die Textilmanufakturen so gut, dass auch andere Tuche gefertigt wurden und die kurfürstliche Finanzkammer sogar Gewinne aus der Produktion ziehen konnte. Auch den bayerischen Soldaten bescherte Thompson neue Arbeit: Sie könnten, so fand er, das Heer durchaus selbst ernähren. Fortan musste jeder Soldat unterhalb des Offiziersrangs eine Parzelle von 365 Quadratfuß Boden selbst bewirtschaften. Aus dem Ertrag, Kartoffeln und Kohlrabi, wurde die berühmt-berüchtigte Rumfordsuppe gekocht. Eine nahrhafte Breisuppe, die von nun an den Speisezettel der Soldaten beherrschte.
Seit 1791 durfte Thompson sich Graf von Rumford nennen - der dankbare Kurfürst hatte ihn in den Adelsstand erhoben. Den Namen wählte sich Thompson nach seiner Heimatstadt. Wieder hätte er das Erreichte genießen können, wenn er sich nicht soviel Feinde geschaffen hätte. Karl Theodor schickte ihn als Gesandten nach London, doch auch hier verbreitete er den ihm eigenen Missklang. Er wechselte nach Paris, verzehrte dort seine bayerische Pension und erwarb sich als Mitglied der Akademie der Wissenschaften einen hervorragenden Ruf als Physiker - auch das eins seiner vielen Talente. Doch als er dort am 21. August 1814 das Zeitliche segnete, schrieb ihm der Sekretär der Akademie einen Nachruf, aus dem sehr deutlich hervorgeht, dass auch die französischen Kollegen seiner schon überdrüssig geworden waren. Darin heißt es:
In seinem Auftreten legte der Graf von Rumford eine Haltung an den Tag, die bei einem Manne, der doch der Menschheit Gutes tat, äußerst eigenartig wirkte. Es war, als hege er für seine Mitmenschen in Wirklichkeit nicht die geringste Zuneigung, ja nicht einmal Achtung.