Am 7.8.1947 erreichte Thor Heyerdahl das Raroia-Riff in der Südsee, nachdem er mit einem simplen, nur mit Tauen und Holz gebautem Floß den Pazifik überquert hatte.
Richtig ausgestorben sind sie noch nicht, die alten Wikinger mit ihrem verwegenen Fahrtendrang! Sie schlummern nur im Schatten der Weltgeschichte, bis wieder einer von ihnen gepackt wird von der alten Reiselust und eine Fahrt unternimmt, bei der den andern die Haare zu Berge stehen: Fritjof Nansen war so einer, Sven Hedin und Roald Amundsen und - Thor Heyerdahl, der am 7. August 1947 mit seinem Floß Kon-Tiki das Raroia-Riff in der Südsee erreichte.
Wenn Sie glauben, das sei so tollkühn nicht, dann fragen Sie doch mal in Ihrem Bekanntenkreis herum, ob die Leute es vorziehen würden, auf den Mond zu fliegen oder mit einem Floß den Pazifik zu überqueren ... vor allem wenn das Floß ganz ohne Schrauben und Nägel auskommen muss und nur von Tauen zusammengehalten wird, ganz so, wie ein Floß vor 1 500 Jahren ausgesehen hat.
Das war nämlich die Bedingung für Thor Heyerdahl: Er wollte beweisen, dass die Besiedlung Polynesiens von Südamerika ausgegangen ist (und nicht, wie die Wissenschaft behauptete, von Asien) und dazu konnte nur ein Boot dienen, das nach altindianischem Vorbild gebaut worden war. Diese leichten Flöße aus Balsaholz hatten die spanischen Eroberer noch vorgefunden, als sie nach Peru kamen: Ganze Flotten davon kreuzten die Küsten entlang. Freilich - dass so ein Gefährt auch Tausende von Meilen über den offenen Pazifik segeln konnte, war eigentlich ein abwegiger Gedanke. Der junge Norweger Thor Heyerdahl hatte ihn aber theoretisch schon ganz durchgespielt, in seiner Doktorarbeit mit dem Titel "Polynesien und Amerika - das Problem ihrer Kulturverwandtschaft". Damit hätte er es ja auch auf sich beruhen lassen können, aber Thor Heyerdahl war eben, wie schon gesagt, ein alter Wikinger, und er musste sich und der Wissenschaft beweisen, dass das Abenteuer nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Wirklichkeit möglich war.
Natürlich sagten alle einen Misserfolg voraus. Die Völkerkundler fanden, dass man ethnologische Probleme nicht wie ein Detektiv angehen könne. Die Seeleute waren ganz sicher, dass das Tauwerk keine zwei Wochen halten würde. Die Versicherungen weigerten sich, für Thor Heyerdahl und seine Mannschaft Lebensversicherungen abzuschließen. Ein echter Wikinger lässt sich von solchen Hindernissen natürlich nicht abschrecken, und so verließ das Floß Kon-Tiki - benannt nach einem alten Inkagott - im April 1947 den peruanischen Hafen al Clao. Nach 97 Tagen und 8 000 Seemeilen erreichte es, nur getrieben vom Wind, das Raroia-Riff in Polynesien.
Thor Heyerdahls Hypothese war damit ein ernst zu nehmender Beitrag zur Wissenschaft geworden. Aber die verhielt sich weiter ablehnend. Ein echter Gelehrter löst schließlich seine Probleme am Schreibtisch und nicht wie ein Abenteurer. Schon gar nicht zu Wasser! Auf dem Lande mag es ja noch angehen, weil die Erde die Spuren der Vergangenheit konserviert. Heinrich Schliemann konnte den Schatz des Priamos entdecken, weil die Erde ihn behütet hatte. Doch der Ozean bleibt den allerletzten Beweis dafür schuldig, dass er schon im Altertum als Völkerstraße genutzt worden ist. Und so behaupten die Forscher weiterhin, dass die verblüffenden Ähnlichkeiten zwischen den Kulturen deshalb entstanden seien, weil der menschliche Geist wohl eben mehrmals auf dieselbe Idee gekommen sei! So weit die Wissenschaft.
Ganz anders die Medien. Thor Heyerdahls Buch wurde zu einem der größten Bestseller des Jahrhunderts und Hollywood verlieh ihm für den selbst gekurbelten Kontiki-Film den Oscar. So konnte die nächste Reise finanziert werden: Ein Schiff namens Ra, gebaut aus Papyrusschilf, sollte beweisen, dass die alten Ägypter bis nach Amerika gelangten. Auch dies gelang dem Wikinger.
Das war ein echter Hammer, Thor!