Der Ungar Ernö Rubik konnte nicht ahnen, was er anrichtete, als er am 30. Januar 1975 das Patent für seinen Zauberwürfel erhielt, den berüchtigten "Rubik´s Cube": eine Grenzerfahrung.
Neulich im Bus, was für ein seltsamer Anblick. Da sitzt ein gut 20-Jähigrer, der nicht auf seinem Elektrogerät herumquetscht, sondern einen bunten Würfel in der Hand hält. Der piepst nicht, der leuchtet nicht, und hängt auch nicht an einem Kopfhörer. Es ist tatsächlich ein alter Zauberwürfel; das Ding, das man mit vielem Schrauben und Drehen farblich wieder in Ordnung bringen muss.
Während der fünf Haltestellen, die der Typ mitfährt, verdreht und löst er den Würfel sagenhafte sieben Mal! Was ist das hier? Ein Bus oder eine Zeitmaschine? Gehört der Typ nicht in die 80er-Jahre? Wie oft ist man damals selber an dem Höllenteil verzweifelt? Und jetzt sitzt hier schon wieder einer, der das Chaos auf dem Buntling in praktisch zwei Minuten aufräumt. Und das auch noch, ohne richtig hinzusehen. Bewunderung macht sich breit im Bus.
Und dabei ist er mit der Geschwindigkeit gerade mal mittelmäßig: Der Weltmeister im "Blind Folding" - also in der Kunst den Zauberwürfel ohne Hinsehen zu lösen - braucht gerade mal 28 Sekunden! Und jetzt kommt's: Aufgestellt hat diesen Rekord ein gewisser Marcell Endry erst im April 2012! 2012 - von wegen 80er-Jahre! Endry ist übrigens ein Ungar. Genauso wie Ernö Rubik - der Erfinder des Zauberwürfels.
Der Künstler und Architekt Rubik bekam am 30. Januar 1975 das Patent für sein Geschicklichkeitsspielzeug und verpasste damit der halben Menschheit verdrehte Hände. Zu Beginn der 80er-Jahre hatte die Zauberwürfelsucht ihren Höhepunkt erreicht. Als das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" dann aber eine Lösung für das Geduldspiel veröffentlichte, flaute das allgemeine Interesse daran langsam wieder ab. Doch Horden von Tüftlern und Mathematikern beschäftigen sich immer noch mit dem Würfel. Zentrale Frage: Wie viele Spielzüge braucht man mindestens um den Würfel zu lösen? Von jeglicher Ausgangssituation aus?
Das klingt kompliziert und ist es auch. Denn das Problem heißt näher betrachtet nicht nur: Wie löse ich mein Würfelchaos am schnellsten? Sondern: Wie weit kann ich überhaupt von der Lösung entfernt sein?
Im Juni 2007 formulierten zwei Mathematiker aus Boston einen Algorithmus, eine komplexe mathematische Formel, die von jeglicher Stellung aus nie mehr als 26 Züge benötigt. Im Jahr drauf gab es bereits einen verbesserten Algorithmus: Er brauchte nur noch 23 Züge. Und mit der Unterstützung von Hochleistungsrechnern erschuf der amerikanische Informatiker Tomas Rokicki Anfang 2010 eine Lösung, die mit 22 Zügen zurechtkommt.
Nur wenige Monate später konnte er zusammen mit Kollegen noch einmal zwei Züge einsparen. Jetzt also 20. Ist das nun endgültig die Schicksalszahl des Zauberwürfels? Um dieses Ergebnis zu bekommen, reichte ein Supercomputer alleine jedenfalls nicht mehr aus. Der Suchmaschinenanbieter Google höchstpersönlich hatte alle erdenklichen Rechnerkapazitäten zur Verfügung gestellt, um herauszubekommen: Für keine der 43 Trillionen 252 Billiarden 3 Billionen 274 Milliarden 489 Millionen und 856 Tausend möglichen Stellungen des Zauberwürfels benötigt man mehr als 20 Züge zum Lösen.
Jetzt muss man nur noch berechnen, wie lange der Mensch leben muss, um das mit den eigenen Händen auch noch in der Praxis nachzuweisen. Rubiks Zauberwürfel wird die Mathematiker also auch in Zukunft noch beschäftigen.