Je höher, desto weiter, so war das das mit den Sendetürmen. Die in den 1930er Jahren für die Türme oft verwendete Holzkonstruktion hat sich langfristig nicht bewährt. Autor: Martin Trauner
Groß und mächtig stehen sie da, aus Stein gemauert. Gebaut für die Ewigkeit. Sie prägen die Silhouette einer Stadt: - Die Türme. - Kirchtürme, Burgtürme, Wohntürme. - Wahrzeichen. Phallusgleich zeugen sie vom menschlichen Drang, nach den Sternen greifen zu wollen oder zumindest dem Himmel ein Stück näher zu rücken. Oft Jahrhunderte alt, voller Geschichten. Wie kann da ein schlichter, aus Holz gezimmerter Sendeturm mithalten?
Groß war er ja,165 Meter in seinen besten Jahren. Höher als das Ulmer Münster. Groß, aber eher schmächtig: Denn der Fachwerkturm vom Sender Ismaning, der auf einem sumpfigen Acker am Rande Münchens errichtet wurde, war nicht aus Stein gemauert, nicht aus Stahl gegossen, sondern aus Holz gezimmert. Aus 300 Kubikmetern südamerikanischen Pechkiefernholz. Das Ziel: Nicht höher, sondern weiter.
Natürlich war er nicht der einzige Sendeturm. In ganz Deutschland entstanden Anfang der 1930 Jahre etliche Sendeanlagen, um das Radio nicht nur in die Städte, sondern auch aufs Land zu bringen. Dafür brauchte es hohe Masten, um ein große Reichweite zu erzielen. Doch kaum einer der neuen Emporkömmlinge sah so beeindruckend aus wie der Sendeturm in Ismaning: Daher bekam der den schmückenden Beinamen: der bayerische Eiffelturm. Dem ehernen französischen Original sah er schon sehr ähnlich, obwohl er - wie gesagt - aus Holz war. Und nur halb so groß.
Bayerischer Eiffelturm aus Holz
Doch der bayerische Eiffelturm hätte beinahe Geschichte geschrieben. In den letzten Tagen des zweiten Weltkriegs besetzte die Freiheitsaktion Bayern den Sender Ismaning. Dann war ihr Anführer Ruprecht Gerngroß über den Äther zu hören: "Achtung, Achtung, hier spricht die Freiheitsaktion Bayern. Das Stichwort 'Fasanenjagd' ist durchgegeben". Gerngroß und seine Männer versuchten via Rundfunk, die Naziherrschaft in Bayern zu beenden. Den Sendeturm in Ismaning hatten sie bewusst ausgewählt: Durch die große Reichweite konnte man den Aufruf vom bayerischen Wald bis Innsbruck empfangen. Erfolg war der Freiheitsaktion jedoch nicht beschieden: nach wenigen Stunden musste man den Sender Ismaning aufgeben und fliehen.
Wenige Tage später war der Krieg trotzdem beendet, der bayerische Eiffelturm hatte ihn unbeschadet überstanden. Den Sender Ismaning übernahmen die Amerikaner, die ihn später dem Bayerischen Rundfunk überließen. 30 Jahre lang verrichtete er noch seine Aufgabe, für die er gebaut wurde: dann war Sendeschluss. Er stand unter Denkmalschutz und diente nur noch als Wahrzeichen. Ein neuer Mast, der aussah, wie ein überdimensionierter Maibaum, hatte ihm den Rang abgelaufen.
Sendeschluss
Am 16. März 1983 wurde der Sendeturm Ismaning gesprengt. 51 Jahre, nachdem er gebaut worden war. Sein Holz war ihm zu Verhängnis geworden, er drohte einzustürzen. Er war der letzte seiner Art, zumindest in Deutschland: der letzte Sendeturm aus Holz.