Inhalt
Theaterchef Klaus Marschall und Museumsangestellte Angela Gumbolt informieren uns über die Ausstellungen des Museums, erklären uns die Herstellung der Marionetten und geben einen Einblick in den Beruf des Puppenspielers sowie das Angebot des berühmten Marionettentheaters.
(Voxpops): „Es ist ein Drache oder so ein Urmonster und es ist grün, blau, schuppig“ – „dinomäßig, eigentlich ganz süß“ – „und hat einen dicken Bauch“ - „ja, urmelig halt…“
Erzähler: Und, wisst Ihr schon, wer oder was gemeint ist? Na klar, der wohl bekannteste kleine
Dinosaurier Deutschlands: Das Urmel. Und das wohnt in Augsburg, genauer gesagt in
der Spitalgasse 15. Dort befindet sich nämlich die Augsburger Puppenkiste und das
Urmel ist einer ihrer Stars.
Die Augsburger Puppenkiste ist ein Marionettentheater und zählt neben Fuggerei
und Dom zu den Wahrzeichen Augsburgs. Gegründet wurde sie 1948 von Walter
Oehmichen. Selbst ausgebildeter Schauspieler, hegte Oehmichen ein besonderes
Interesse für das Figurentheater. Schon 1943 eröffneten er und seine Familie den
Vorläufer der Kiste, den Puppenschrein. Als dieser im Folgejahr bei der
Bombardierung Augsburgs zerstört wurde, blieben nur die Marionetten erhalten.
Wie daraus die heute berühmte Puppenkiste wurde, weiß Angela Gumbolt, seit 5
Jahren Mitarbeiterin in der Augsburger Puppenkiste.
A. Gumbolt: Also angefangen hat das Ganze mit dem Traum von Herrn Walter Oehmichen, eben
ein eigenes Marionettentheater zu haben. Und nachdem dieser Puppenschrein 1944
verbrannt ist, war eben die Idee, vier Jahre später ein größeres zu errichten. Und ich
denke mal, dass er das jetzt auch wunderbar geschafft hat nach über 63 Jahren, dass
das Theater eines der bekanntesten in Deutschland ist.
Erzähler: Kennen tun sie ja die meisten, aber wer von den Augsburger Studenten war denn
schon mal in der Puppenkiste?
(Voxpops): „Nee, nee, noch nicht“ – „War ich noch nie“ -„Nee, solange bin ich noch gar nicht
hier“ - „Ich werde da noch hingehen.“
Erzähler: Grund genug für uns, mal selbst hinter den berühmten Kisten-Deckel zu schauen und
uns im Heilig-Geist-Spital in der Augsburger Altstadt etwas genauer umzusehen.
Erreichen kann man die Puppenkiste übrigens ganz bequem von der Haltestelle
„Rotes Tor“. Von hier geht es über die Rote-Torwall-Straße Richtung Altstadt, am Irish
Pub vorbei und dann direkt auf die Puppenkiste zu. Hinter einer eher unscheinbaren,
grün lackierten Tür befindet sich das Foyer der Puppenkiste. Durch das laufen jährlich übrigens an die 60.000 Besucher.
Neben dem Theater selbst gibt es hier auch ein Museum, in dem ihr die Stars aus den
Stücken und Filmen der Puppenkiste bewundern könnt. Aufwendig in ihren
Schaukästen ins rechte Licht gerückt, wechseln die Szenen zwischen märchenhaften,
exotischen und fantastischen Welten. Und natürlich findet sich hier auch unser heiß
geliebtes Urmel.A. Gumbolt: Bei der Dauerausstellung wird also nichts verändert, weil das die ganzen TV-Klassiker
sind. Und das ist eigentlich das, wenn die Leute ins Puppentheatermuseum kommen,
die wollen natürlich als erstes wissen: „Wo ist Jim Knopf, Urmel, kleiner König
Kallewirsch?“, weil das eigentlich das ist was jeder noch im Hinterkopf hat, „Das habe
ich mal gesehen und das möchte ich jetzt in echt auch sehen“. Also die sind immer da,
weil die natürlich auch die Stars sozusagen vom Museum sind.
Die Sonderausstellung wird ca. alle 6 Monate neu gestaltet und zwar deswegen, weil
wir immer ein neues Thema haben und zu diesem Thema sucht man dann die ganzen
Marionetten aus. Man versucht auch verschiedene Leihgaben zu bekommen, damit
auch Schul- oder Kindergartenkinder zu den Marionetten, zu diesem Thema noch
irgendetwas anschauen oder auch was dazu lernen können.
Erzähler: Bei mehr als 6.000 Marionetten kann man hier wohl von der größten
Wohngemeinschaft Augsburgs reden. Aber wie werden die Kultfiguren an Fäden
eigentlich produziert? Darüber weiß Theaterdirektor Klaus Marschall Bescheid. Er
leitet den Familienbetrieb bereits in der dritten Generation.
K. Marschall: Eine Puppe herzustellen dauert im Schnitt etwa 50 Arbeitsstunden. Also bis die
Hände, Füße geschnitzt sind, der Unterbau für den Körper gebaut wird, bis das
Spielkreuz eingefädelt wird, und und und…
Die Köpfe, Hände und Füße sind aus Lindenholz geschnitzt. Der Körperbau an sich ist
aus verschiedenen Arten von Harthölzern, dann kommt Schaumgummi dazu,
Baumwollfäden, was man halt so braucht.
Erzähler: Das Dekollete der weiblichen Marionetten wird ebenfalls geschnitzt. Sie haben
sozusagen „Echtes Holz vor der Hütten“
K. Marschall: Teils, teils. Ja das ist richtig. Also sobald man den Ausschnitt sieht, muss der
Oberkörper auch geschnitzt sein.
Erzähler: Auf der Bühne erwachen die Marionetten der Puppenkiste schließlich zum Leben. In
bis zu zwei Vorstellungen pro Tag wird neben Märchenklassikern wie Dornröschen
und Räuber Hotzenplotz auch ein spezielles Erwachsenenprogramm auf die Bühne
gebracht. Dazu zählen Vorführungen wie „Ein Sommernachtstraum“, „Eine kleine
Zauberflöte“ oder das Kabarett, in dem aktuelle Politiker und Showgrößen durch den
Kakao gezogen werden.
Marschall selbst ist ausgebildeter Puppenspieler und weiß, was man für einen Job in
der Puppenkiste mitbringen muss.
K. Marschall: Einen guten Puppenspieler macht aus, dass er eine gute Portion Idealismus mitbringt,
dass er eine entsprechende Fingerfertigkeit hat und dass er gut ins Team passt; vor
allem auch kreativ, und vielleicht auch noch gute Ideen für das Kabarett mitbringt.
Erzähler: In der Puppenkiste sind derzeit 16 Leute im Ensemble beschäftigt, mit einem leichten
Männerüberschuss. Neben dem Puppenspiel nimmt jeder von ihnen noch einen
zweiten Tätigkeitsbereich ein – beispielsweise in der Schneiderei, Schreinerei oder
Tontechnik. Zwar gibt es spezielle Studiengänge in Berlin und Stuttgart, angelernt
werden die Spieler der Puppenkiste jedoch direkt vor Ort. Die Grundausbildung
dauert dabei drei Jahre. Bis sie jedoch eine Hauptrolle spielen dürfen, kommen
weitere drei hinzu – bei einer Fadenlänge von 2,20 m und einer Mindestanzahl von
10 Fäden kaum verwunderlich. Wie viel Arbeit hinter dem vermeintlich einfachen
Beruf des Puppenspielers steckt, kann Marschall nur bestätigen.
K. Marschall: Es ist ein Vollzeitjob, denn wir spielen allein hier im festen Haus 420 Vorstellungen
pro Jahr etwa. Dazu kommen noch verschiedene Gastspielreisen. Wir sind also fünf
Wochen im Jahr mit einem Pharmakonzern in Kinderkliniken unterwegs. Aktuell sind
wir jetzt in Kindergärten mit dem Papilio-Projekt und bereiten derzeit noch zwei
Tourneen vor, die uns dieses Jahr, wenn alles gut geht, nach Korea und in die GolfRegion führen werden.
Erzähler: Bis heute hat die Faszination der tanzenden Marionetten sowohl für Kinder, als auch für Erwachsene nichts eingebüßt. Die Theateraufführungen in Augsburg sind ständig ausverkauft. Marschall weiß warum.
K. Marschall: Weil die digitalen Medien eines nicht bedienen können und das ist das Anregen der Fantasie. Die digitalen Medien, die sind relativ perfekt. Also gerade wenn man heute die Kinoproduktionen der Kinderfilme ansieht, diese Geschichten wie „Findet Nemo“ und wie sie alle heißen, die sind ganz toll animiert, das sind tolle Geschichten – aber es bleibt kaum Raum mehr für die Fantasie. Und das ist das, was das
Figurentheater auch heute noch auszeichnet. Wir schaffen Raum für Fantasie.
Erzähler: Auch in Zukunft werden sich also die berühmten Kistendeckel der Augsburger
Puppenkiste öffnen und die Puppen tanzen gelassen. Wenn Ihr jetzt Lust gekriegt
habt, dieses Augsburger Wahrzeichen mal selbst zu besuchen, hier noch einmal die
wichtigsten Infos:
Die Puppenkiste erreicht Ihr von der Haltestelle „Rotes Tor“. Von hier einfach über
die Rote-Tor-Wall-Straße Richtung Altstadt und schon seid ihr da. Sie befindet sich in der Spitalgasse 15. Das Museum bietet eine Dauer- sowie eine Sonderausstellung
und hat Dienstag bis Sonntag von 10 bis 19 Uhr geöffnet. Für Studenten kostet der
Eintritt Dienstag, Mittwoch und Donnerstag 3,50 €, an allen andern Tagen 4,50 €.
Und wenn ihr die Marionetten live sehen wollt, besucht doch einfach eine der vielen
Vorstellungen. Vom Märchen bis zum Kabarett, hier ist für jeden etwas dabei.
A. Gumbolt: Die Vorstellungen sind zu 99,9 Prozent ausverkauft, weil eben die Puppenkiste sehr berühmt ist für ihre Aufführungen. Und wenn z.B. im April der neue Spielplan raus kommt, kommen die Leute schon rein und kaufen die Karten für Weihnachten, weil
sie genau wissen, wenn sie zu lange warten, dann sind auch die ganzen Karten für die
Weihnachtsvorstellungen schon verkauft.
Erzähler: Sichert euch die Karten also rechtzeitig. Für mehr Infos rund um die berühmten
„Holzköpfe“ besucht die Puppenkiste im Internet unter www.augsburgerpuppenkiste.de. Viel Spaß dabei!
Und ich, ich gehe jetzt auch mal hin – kann ja nicht sein, dass ich nach einem Jahr
immer noch nicht da war… und das Urmel wollte ich auch schon immer live sehen…