Die Tracht der Huayao Dai ist zwar wunderschön anzusehen, doch das Anziehen stellt den Ungeübten vor einige Probleme. Selbst mit der Hilfe eines erfahrenen Freundes kann es durchaus den gesamten Vormittag in Anspruch nehmen, bis man vollständig eingekleidet ist.
Die Mädchen der Huayao Dai erlernen schon von Kindesbeinen an das Weben und Sticken. Das wichtigste Stück, an dem eine Frau dieser Nationalität arbeiten wird, ist das Hochzeitsgewand.
An einem sonnigen Nachmittag im Herbst besuchen wir eine Familie der Huayao Dai in der Gemeinde Gasa. Die 76-jährige Yang Shaoying sitzt auf einem kleinen Hocker, singt und wickelt Fäden auf, mit denen sie bald Weben wird. Bereits im Alter von zwölf Jahren fing sie an, das Weben zu erlernen. Mittlerweile hat sie Urenkel, und ihre Schwiegertochter bereitet die Brautgewänder für ihre beiden Töchter vor. Die Huayao Dai verfügen über kein eigenes Schriftsystem, die Techniken und Künste des Volkes werden daher mündlich von Generation zu Generation weitergegeben. Wie Yang Shaoying erklärt, hofft sie sehr, dass auch zukünftige Generationen die traditionellen Handwerkstechniken beherrschen werden:
„Früher waren meine Eltern meine Lehrer. Sie haben mir das Weben beigebracht, und jedes Mal, wenn ich Schwierigkeiten hatte, fragte ich sie. So habe ich mir die Techniken allmählich angeeignet. Später habe ich dieses Können selbst an die jüngere Generation weitergereicht. Jetzt hoffe ich, dass auch meine Enkelkinder lernen könnten, was ich gelernt habe."
Die 25-jährige Dao Meifang ist eine der Enkeltöchter Yang Shaoyings. Schon von klein auf lebte sie in den Wohnheimen jener Schulen, deren Unterricht sie besuchte. Nach Hause kam sie nur in den Ferien. Die traditionellen Webtechniken beherrscht sie daher nicht, nur einfache Stickarbeiten verrichtet sie von Zeit zu Zeit. Erschwerend kommt hinzu, dass sie kurzsichtig ist. Das Weben von Grund auf neu zu lernen wäre daher wohl zu schwierig. Dao Meifang findet das sehr bedauerlich:
„Meine Mutter hat von klein auf das Weben gelernt. Wenn sie ein Stück Stoff sieht, weiß sie sofort, wie das gemacht wird. Es ist schade, dass ich nicht über ihr Können verfüge. Bei meiner Schwester ist es genau so. Als Angehöriger der Dai-Nationalität sollte man das Kulturerbe seiner Vorfahren kennen, insbesondere als Mädchen. Doch wir haben nichts davon gelernt, das ist wirklich bedauerlich."
Um den Bestand der traditionellen Handwerkstechniken sicherzustellen, hat die Lokalregierung zahlreiche Maßnahmen eingeleitet. So wurden etwa die wichtigsten Techniken schriftlich dokumentiert. Zudem lud man erfahrene alte Meister dazu ein, Ausbildungskurse anzubieten. Die 24-jährige Bai Shaofang ist für die Organisation dieser Kurse und die Förderung des Handwerkerverbandes der Huayao Dai zuständig. Bis vor zwei Jahren verkaufte sie noch Kleidung. Doch als sie erfuhr, dass in ihrer Heimat ein Handwerkerverband gegründet worden war, wollte sie sich unbedingt dem Erhalt traditioneller Handwerkskunst widmen. Und so begann sie erst nach ihrer Rückkehr in ihre Heimat damit, die Techniken ihrer Vorfahren zu erlernen:
„Wir organisieren Kurse am Wochenende oder wenn auf den Feldern nicht viel gearbeitet wird. Zum Unterricht erscheinen immer sehr viele Leute, jung und alt. Ich finde das sehr gut. Auf diese Weise können Traditionen weitergegeben werden. Ohne die Unterstützung unserer Generation kann sich das nicht weiterentwickeln. Wir hoffen darauf, dass unsere Traditionen von der Außenwelt anerkannt werden."
Wie der stellvertretende Leiter der Gemeinde Gasa, Yu Jun, mitteilte, legt die Lokalregierung viel Wert auf den Schutz und die Fortführung der traditionellen Kultur der Huayao Dai. Die Huayao Dai seien durch Festivitäten und Feiertage, die Leitung der Regierung und aufgrund gesellschaftlicher Anteilnahme erheblich bekannter geworden:
„Gasa ist die Heimat der Huayao Dai, und sie sind zugleich unser Aushängeschild. Wir legen daher großen Wert auf die Bewahrung und die Entwicklung der Traditionen der Huayao Dai. Wir wollen, dass das ganze Land, ja die ganze Welt diese Kultur kennenlernt."
Neben dem Weben und Sticken glänzen die Huayao Dai zudem beim Bambusflechten und in der Keramikherstellung. Aber auch weitere Sitten und Gebräuche wie das Färben der Zähne, Tätowierungen, Essgewohnheiten und die traditionelle Architektur werden hier bewahrt. Bei der Gartenausstellung 1999 in Kunming und dem vierten Kunstfest Chinas konnten die Künstler der Huayao Dai die Besucher tief beeindrucken. Im Jahre 2001 wurde dann ein internationales Symposium zur Kultur der Huayao Dai abgehalten, das bis heute als Meilenstein gilt. Zwei Jahre später riefen die Kleidungsstile der Minderheit anlässlich des chinesischen Kulturjahres in Frankreich ein überragend positives Echo hervor.
Die Huayao Dai verabschieden ihre Gäste mit Gesang und binden ihnen rote Fäden um das Handgelenk. Ihren Gebräuchen nach sollen diese dem Träger Glück bringen.