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德语文章选读:Die Reifenprüfung

时间:2010-12-15来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
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Wenn man ihn erst einmal besitzt, ist der Führerschein bloß noch eine hässliche Plastikkarte. Vorher aber ist er das Manifest der Sehnsucht. Eine Geschichte über die zehn Stationen auf der Fahrt in die Freiheit.

Irgendwo muss er sein, dieser Ort. Manche waren schon da, und als sie zurückkamen, erzählten sie kleine Geschichten vom Glück. Andere blieben gleich dort, vielleicht fanden sie etwas, das es hier nicht gibt, vielleicht erlebten sie etwas, das größer ist als alles, was sie kannten, vielleicht konnte sich an diesem Ort ihre Sehnsucht endlich ausruhen. Einer erzählte mal, dass er diesen Ort jetzt schon seit Jahren sucht, und immer wenn er glaubte, er sei da, hatte er sich getäuscht, und er machte sich wieder auf den Weg. Das Einzige, was er besaß, war ein Führerschein.

1. Na ja, denkst du jetzt, das sind halt so Geschichten, dummes Geschwätz, alberne Fernfahrer-Romantik, Ersatzbefriedigung für Menschen, die sonst nichts haben. Als ob der Führerschein keine läppische Karte sei, sondern die Lizenz zum Glücklichsein, das Ticket in die Freiheit. Du bist glücklich, du bist frei, du bist 17 Jahre alt, und wenn du irgendwohin willst, gehst du zu Fuß. Oder nimmst das Fahrrad. Oder Papa fährt dich. Und dann gibt es ja auch noch die U-Bahn, den Bus, das Taxi. Bis jetzt bist du noch immer überall an- und von dort auch wieder weggekommen. Jedenfalls meistens. Und deine Oma sagt schließlich: "Wo man nicht hinkommen kann, da will einen meistens auch keiner haben." Vielleicht hat sie ja Recht. Aber was, wenn sie irrt? Was, wenn doch etwas auf dich wartet, irgendwo, wo du noch nie warst; wo dich dein Vater nicht hinbringen würde, wohin es zu weit mit dem Rad wäre, wo keine U-Bahnen und keine Busse hinkommen? Schaden kann so ein Führerschein natürlich nicht, und deshalb suchst du sieben Monate vor deinem 18. Geburtstag nach einer Fahrschule. Machen eh alle. Aber einen guten Fahrlehrer zu finden ist fast genauso schwer wie einen guten Friseur, einen guten Nachhilfelehrer oder einen guten Arzt.

2. Schlimme Sachen sollen manchmal passieren: Fahrlehrer, die während der Fahrstunden gerne mal anzüglich werden, ihren Rückspiegel so stellen, dass sie den Mädchen unter den Rock gucken können; junge Kerle, die dauernd erzählen, dass sie mal im Kartfahren eine nationale Größe waren und nur deshalb nicht in der Formel 1 dabei sind, weil dieser dumme Unfall dazwischengekommen ist; Schreihälse, Grabscher, Choleriker. Aber es gibt eine einfache Regel: Alle Fahrlehrer, deren Vornamen mit dem Buchstaben H beginnen, taugen was. Gute Fahrlehrer heißen Harald, Horst, Heinz, Holger, Hermann, Hans-Peter oder Heinrich. Das ist so. Warum, weiß kein Mensch - aber jeder gute Fahrlehrer wird diese These bestätigen. Wenn du also einen Fahrlehrer gefunden hast, dessen Vorname mit H beginnt, erkundige dich, auf welchem Auto du lernen sollst. Vor ein paar Jahren tobte in Stuttgart ein Fahrschulen-Krieg - eine ließ ihre Schüler auf Porsche lernen, andere zogen nach mit der Mercedes S-Klasse. Das ist natürlich großer Quatsch, wann wirst du einen Porsche fahren oder einen Mercedes der S-Klasse? Wenn der Fahrlehrer, dessen Vorname mit H beginnt, auf einem VW Golf mit Fünfgangschaltung schult, dann hast du den Richtigen gefunden.

3. Für den Fahrlehrer ist es ein Geschäft, dir das Fahren beizubringen, deshalb musst du bei deiner ersten Unterrichtsstunde einen Vertrag unterschreiben. Beachte dabei Ziffer 8 - Ausschluss vom Unterricht. "Der Fahrschüler ist vom Unterricht auszuschließen: a) wenn er unter dem Einfluss von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln steht; b) wenn anderweitige Zweifel an seiner Fahrtüchtigkeit begründet sind." Zweifel an der Fahrtüchtigkeit hast allerdings du - wenn du dir anschaust, mit wem du den Unterricht absolvieren sollst: Du triffst nämlich viele alte Bekannte wieder, die du zuletzt beim Firm- oder beim Konfirmationsunterricht gesehen hast. Dein Fahrlehrer gibt dir bei deiner ersten Stunde einen Fragebogen - vier Blätter, dreißig Fragen, mehrere Antworten zur Auswahl. Woher sollst du wissen, womit bei Dunkelheit eine Ladung zu kennzeichnen ist, die mehr als einen Meter über die Rückstrahler des Fahrzeuges hinausreicht, oder welchen Mindestabstand von Ampeln ein Fahrzeug beim Halten einhalten muss, wenn die Ampel durch das Fahrzeug verdeckt würde? Jetzt ahnst du: Logik und analytischer Verstand bringen dich hier nicht weiter. (Richtige Antworten: Mit roter Leuchte und rotem Rückstrahler; zehn Meter.)

4. In den Nächten, wenn die Träume kommen, siehst du noch einmal dein Leben, wie es nie wieder sein wird: mit dem Fahrrad gegen den Gegenwind kämpfend, während Regen, Schnee und Hagel dich demütigen - Peitschenhiebe in deinem Gesicht. Oder nachts die letzte U-Bahn verpassend, noch drei Euro, zwanzig Cent in der Tasche - zu wenig für ein Taxi. Im Bus, neben stinkenden Menschen, die dir Tüten und Regenschirme in die Rippen stechen. Vor dem Schulhaus, nach dem Unterricht, wo du mit ansehen musst, wie der Mensch, den du liebst, von einem anderen Menschen abgeholt wird - mit einem Auto, mit einem Führerschein, mit einem besseren Leben. Wenn du aufwachst aus diesen Nächten, lachst du deiner Vergangenheit ins Gesicht. Aber dir vergeht das Lachen, wenn du die Bücher siehst, die dir H. mitgegeben hat, die Fragebögen, die Verordnungen - all das, was du auswendig lernen sollst. Du denkst an wirklich dumme Menschen, die alle einen Führerschein haben und die ja irgendwie auch durch diese Prüfung gekommen sein müssen.

5. "Kann die Fahrtüchtigkeit eines Kraftfahrers schon durch verhältnismäßig geringe Mengen Alkohol beeinträchtigt werden?", fragt H. in deiner zweiten Stunde, und irgendeiner ruft dazwischen: "Ja klar, man fährt besser." Dieser Witz kommt immer, garantiert. Dritte Stunde. Dein Fahrlehrer zeigt ein blaues Schild, auf dem kleine spielende Kinder zu sehen sind. Er fragt: "Wie schnell darf ich hier fahren?" Einer sagt: "150." Plötzlich musst du lachen. Jetzt bist du einer von ihnen. Du machst immer weniger Fehler bei den Testbögen, du weißt auf einmal, dass man bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h auf trockener Fahrbahn mit einem Bremsweg von 130 Metern rechnen muss, dass man besser defensiv als aggressiv fährt; und dass ein Fahrzeug einschließlich Ladung höchstens 2 Meter 50 breit sein darf. Warum du das alles wissen musst, und was das mit dem großen Ziel zu tun hat - das weißt du allerdings nicht. Bald ist deine erste richtige Fahrstunde.
 
6. Klar - du kannst Auto fahren, bist oft genug schon mit dem Wagen deiner Eltern die Auffahrt rauf und runter, weißt, wie man schaltet, Gas gibt, bremst. Vergiss das alles, wenn dich dein Fahrlehrer auf einer abgelegenen Straße zum ersten Mal ans Steuer lässt. Zuerst wird er dir sagen, wie der Sitz sein muss (so, dass dein Bein ausgestreckt ist, wenn du die Kupplung durchdrückst), wie du Außen- und Rückspiegel einstellst, und wie du die Hände am Lenkrad halten sollst. Und zwar: zehn vor zwei. So wie die Zeiger einer Uhr zehn vor zwei anzeigen, umfasst du dein Lenkrad, und weil dein Fahrlehrer weiß, dass du das unsexy findest, sagt er zu dir: "Michael Schumacher macht das genau so." Mach es H. zuliebe - wenn du deinen Führerschein hast, fährst du nie wieder so, sondern wie es sich gehört: linke Hand am Scheitelpunkt des Lenkrads - die rechte Hand brauchst du zum Schalten, Rauchen oder Radioeinstellen. Dann fährst du los, und wenn du den Wagen nicht erst dreimal abwürgst, dann wirst du ziemlich bescheuert grinsen, denn plötzlich fährst du ein Auto. Du! Ein Auto! Nicht in der Auffahrt deiner Eltern, sondern auf einer echten Straße, mit echtem Gegenverkehr. Von diesem Moment an weißt du, dass H. irgendwann nicht mehr neben dir sitzen wird und du fahren kannst, wann und wohin du willst. Und du weißt, dass deine Oma sich geirrt hat.

7. Zu Hause arbeitest du an deinem ersten Autofahrtape. Was gehört darauf? Was will man hören, wenn man nicht geht, läuft, sondern fährt, selbst bestimmt, in welche Richtung, wie schnell und wohin? Es gibt große Autofahrlieder: "Drive" von den The Cars und "I Drove All Night" von Cindy Lauper. Natürlich auch "Cars&Girls" von Prefab Sprout und "60 M.P.H." von New Order. Außerdem gut: "In The End" von Linkin Park, "Someday" von The Strokes, "More Than A Woman" von Aaliyah, "Take Me Home" von Sophie Ellis Bextor, "Ugly" von Bubba Sparxxx, "Paradise City" von Guns'n'Roses, "Burn Baby Burn" von Ash, "Stay Together For The Kids" von Blink 182. Aber ein Lied steht über allen, das perfekte Autofahrlied: "While You See A Chance" von Stevie Winwood. Auszug: "Stand up in a clear blue morning until you see what can be. Alone in a cold day dawning, are you still free? Can you be? When some cold tomorrow finds you, when some sad old dream reminds you. How the endless road unwinds you. While you see a chance take it, find romance, fake it. Because it's all on you." Während du dieses Lied, über zwanzig Jahre alt, hörst, denkst du an all die Dinge, die bald möglich sein werden. An die Clubs in der Stadt, von denen du schon so viel gehört hast, aber die bis jetzt für dich unerreichbar waren. An die Berge und an das Meer, und du stellst dir vor: Du fährst durch die Nacht, deine besten Freunde sitzen im Auto, und ihr habt vergessen, wo ihr hinwolltet - ihr fahrt einfach, manchmal redet einer, manchmal lacht ihr, und alles, was vor euch liegt, irgendwo da im Dunkeln, scheint für euch schöner, besser, größer zu sein als das, was ihr hinter euch lasst. Life is a highway!

8. Die theoretischen Fahrstunden lässt du jetzt über dich ergehen wie den Lateinunterricht. Du schläfst die meiste Zeit, bei den Testbögen machst du fast keine Fehler mehr. Langsam hast du erkannt, dass du eigentlich nur eine Sache wirklich wissen musst: rechts vor links. Alles andere lernst du zwar, aber du weißt, dass du es nie wieder brauchen wirst - zum Beispiel, dass ein privater PKW alle zwei Jahre zur Hauptuntersuchung muss, oder dass das Ding vor Bahngleisen Andreaskreuz heißt. Die praktischen Fahrstunden genießt du - nach zehn Stadtfahrten lässt dich H. auf die Autobahn und durch die Nacht fahren. Du lernst tanken, parken und ertappst dich dabei, wie du nicht mehr Strich 50 fährst in der Innenstadt. Mit H. plauderst du während der Fahrten - eigentlich ein Netter. Er lässt dich jetzt den Radiosender aussuchen - auch das eine didaktische Anweisung, denn du sollst dich daran gewöhnen, dass du auf den Verkehr achtest, während um dich herum Leute reden und Musik läuft. Nach fast zwanzig Stadt-, drei Bundesstraßen-, drei Autobahn- und zwei Nachtfahrten sagt H.: "Ich glaube, du bist jetzt soweit."

9. Einer erzählt, dass B. durchgefallen ist, ausgerechnet B. Er hatte sich schon ein Auto gekauft, einen alten Saab, damit wollte er nach Italien. B. war der Einzige mit einem Mofa-Führerschein, und er war der Beste in der Fahrschule, "ein Riesentalent", wie H. meinte. Und dann ist er über eine rote Ampel gefahren. Einfach so. Ausgerechnet B. Jetzt muss er wieder ein paar Fahrstunden nehmen, sich noch einmal zur Prüfung anmelden, und seinen Führerschein bekommt er nicht mehr am Tag seines 18. Geburtstages, vielleicht zwei, drei Monate später, aus Italien wird wahrscheinlich nichts mehr. Manche sagen, B. hätte geweint, als er aus dem Auto stieg.

10. Die theoretische Prüfung war ein Witz, aber das Schlimmste kommt erst noch. Es gibt einen Mythos, manche nennen es ein ungeschriebenes Gesetz, aber wahrscheinlich ist es nur ein Hirngespinst, und das geht so: Wenn während deiner praktischen Fahrprüfung hinter dir einer hupt, dann fällst du durch. Irgendjemand hat das mal erzählt, oder du hast es im Fernsehen gesehen, jedenfalls ist es das Einzige, an das du denkst, während du vor der Schule auf deinen Fahrlehrer wartest. Er gibt sich betont lässig, aber auf dem Rücksitz sitzt ein Kerl, bei dessen Anblick du unweigerlich denkst: Stasi, Gauleiter, Schill-Wähler. Dein Prüfer. Er entscheidet, ob sich das alles gelohnt hat, ob du am Ende diese läppische Karte bekommst, oder ob du für viel Geld alles noch einmal machen kannst. So wie B. Du steigst ein, stellst deinen Sitz und die Rückspiegel richtig ein, legst den Sicherheitsgurt um, drehst den Zündschlüssel. Deine Hände umfassen das Lenkrad wie die Zeiger auf einer Uhr zehn vor zwei anzeigen, dein linker Fuß hat die Kupplung durchgedrückt. Erster Gang. Der Prüfer sagt, wo es langgeht, und du denkst: "Noch ein paar Minuten, und niemand wird mir das mehr vorschreiben." Der Kerl scheucht dich über Landstraßen, verkehrsberuhigte Zonen, Kreuzungen ohne Ampeln. Er lässt dich rückwärts einparken und danach seitlich, und irgendwann lotst er dich zurück zur Schule und sagt: "Herzlichen Glückwunsch." Niemand hat gehupt, du hast keinen Fehler gemacht, und als es beim seitlichen Einparken eng wurde, hat H. versteckte Zeichen mit seiner Hand gegeben. Du siehst H. heute zum letzten Mal. Das Letzte, was du zu ihm sagst, ist: "Danke." H. hat mit dir 1000 Euro verdient.

Du sitzt im Auto. Es ist dunkel geworden. Deinen Eltern sagst du, dass du nur noch mal um den Block fahren willst. Du schaust dir alles ganz genau an, das Lenkrad, das Armaturenbrett, du schaust nach rechts, ob auf dem Sitz auch wirklich niemand sitzt, dessen Vorname mit H beginnt. Dann legst du dein Autofahrtape ein, drehst den Zündschlüssel, drückst die Kupplung, legst den ersten Gang rein, lässt die Kupplung langsam kommen, gibst vorsichtig Gas und rollst vom Hof. Zweiter Gang, dritter Gang, vierter Gang. Du fährst auf der Landstraße, auf der jetzt kein anderer mehr unterwegs ist, und obwohl es draußen in der Nacht kalt ist, kurbelst du die Fensterscheibe runter. Die linke Hand am Scheitelpunkt des Lenkrads, rechte Hand auf dem Schaltknüppel. Im Rückspiegel siehst du deine Vergangenheit, du siehst dich auf einem Fahrrad oder auf den Bus warten, aber vor dir ahnst du etwas anderes. Irgendwo muss er sein, dieser Ort.
 

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