Marinas dunkle Augen blitzten voller Vorfreude. Ihr Lachen, in seinen Ohren silbernen Glocken gleich, weckte Robert auf. Ihre dunkelblonden seidigen Haare umrahmten das bereits in den frühen Morgenstunden muntere Gesicht.
"Aufstehen, Schatz! Das Wochenende ist da! Alte Schlafmütze, raus mit dir!"
Sie zerrte an seiner Bettdecke. Er betrachtete seine Frau und wusste, dass er nie eine andere würde lieben können. Sie war die Erfüllung aller Träume, sie war sein Leben.
"Wir fahren doch gleich nach dem Frühstück los?", fragte sie. "Viel brauchen wir ja nicht einzupacken."
Robert nickte und dachte voller Vorfreude an das freundliche, sonnige Zimmer in dem kleinen Hotel am See, an die stille, romantische Umgebung, die sie bei vergangenen Wochenenden in Rothberg erkundet hatten. An die gemütlichen Abende in der Hotelbar mit den fröhlichen Gästen. An die Uferpromenade mit ihren verwunschenen Winkeln, die zum Verweilen einluden. An ihren Traum, irgendwann nach Rothberg überzusiedeln.
Die Morgensonne zauberte mit ihren ersten wärmenden Strahlen einen kastanienrötlichen Schimmer in Marinas Haare. Robert blickte ihr verträumt nach, als sie ins Bad ging. Er döste noch einige Minuten vor sich hin und ging dann, als er das Rauschen der Dusche hörte, in die Küche, um Kaffee zu kochen.
Während er sich rasierte, suchte Marina zwei leichte helle Sommerkleider aus und legte eines zu den Jeans und T-Shirts in den schmalen Koffer. Das andere, aus einem hellblauen, luftigen Baumwollstoff gearbeitet, zog sie über ihren zarten Körper. Er mag es, wenn ich ein Kleid trage. Er soll sich heute freuen.
Sie hatten sich gerade den duftenden Kaffee eingegossen, als das Telefon ihr Frühstück mit seinem Surren unterbrach. "Wer ist das, so früh am Samstag?", rätselte Robert mit einem Blick auf seine Armbanduhr. Es war gerade acht, so zeitig wurden sie am Wochenende nie gestört.
"Hallo?", meldete sich Marina.
"Marina? Hier ist Dörte. Ich dachte, du bist vielleicht schon unterwegs. Gut, dass ich dich noch erwische, bevor du kommst. Bringst du bitte Kerzen mit?"
Kerzen? Zu Dörte? Einen Moment war Marina ratlos. Dann fiel es ihr ein und sie wurde rot, weil sie etwas so Wichtiges vergessen hatte. Sie hatte Dörte versprochen, vor mehreren Wochen schon, dass sie ihr heute beim Kindergeburtstag helfen würde. Mist, das habe ich total vergessen.
"Oh, Dörte, das tut mir leid! Wir müssen gleich wegfahren, wegen - wegen einer dringenden Familiensache. Hals über Kopf, alles ist drunter und drüber. Ich habe es noch nicht geschafft, dich anzurufen. Es tut mir leid, ich kann nicht helfen."
Dörte klang enttäuscht. "Aber was soll ich denn mit den vielen Kindern alleine anfangen? Das schaffe ich nicht. Wenn du wenigstens gestern angerufen hättest, dass du nicht kommst. Dann hätte ich noch Ersatz suchen können."
"Ja, ich weiß, aber es kam so überraschend, tut mir wirklich leid."
Dörte versuchte, sie umzustimmen: "Und wenn ihr erst am Nachmittag fahrt? Vielleicht finde ich noch Hilfe ab dem Mittag..."
"Nein, wirklich nicht. Wir müssen sofort los. Tut mir echt leid."
Als sie aufgelegt und Robert kurz den Sachverhalt erklärt hatte, meinte er: "Wir haben doch nichts reserviert im Hotel, lass uns einfach hier bleiben. Dann kannst du Dörte helfen."
Aber Marina wollte nichts davon wissen. "Wie stehe ich denn dann da, erst sage ich dringende Familienangelegenheit, und dann auf einmal doch nicht? Nee, ich hab das vergessen, und Dörte wird schon darüber hinwegkommen. Wir fahren nach Rothberg."
Sein schlechtes Gewissen und der Gedanke, sie sollten dieses Wochenende in Berlin bleiben, begleiteten Robert noch eine Weile. Doch die Sonne lachte vom Himmel und ließ ihn den Anruf schließlich vergessen. Er mochte Dörte sowieso nicht besonders.
Die Autobahn war nicht sehr voll, Marina lehnte sich entspannt zurück. Sie beobachtete, wie die sommerliche Landschaft an ihnen vorüberflog. "Tempo 130!" neckte sie Robert mit einem Blick auf die Tachonadel, die bei 180 pendelte. Er lachte, wusste, dass Marina selbst gerne schnell fuhr, das würde er bei der Rückfahrt erleben. Glaubte er zumindest, da er von einer gemeinsamen Rückfahrt ausging. Warum auch nicht. Er nahm sich vor, sie dann ebenfalls an die Geschwindigkeit zu erinnern.
"Scheiße, was ist denn jetzt los!" schimpfte Robert. Das rote Warnlicht am Armaturenbrett blinkte, daneben leuchtete die Ölkontrolllampe. Er ließ den Wagen neben einer Notrufsäule ausrollen.
Sie mussten 40 Minuten warten, bis der gelbe Wagen des Pannendienstes hinter ihnen hielt. Der Techniker untersuchte das Fahrzeug und meinte dann: "Ihr Motor verliert an irgend einer Stelle Öl. Es könnte eine Dichtung sein. Ich fülle jetzt Öl nach und gebe Ihnen noch eine Reserve mit, dann können Sie langsam und vorsichtig bis zur nächsten Werkstatt fahren. Achten Sie auf die Lampe."
"Vielleicht sollten wir lieber umkehren?", überlegte Marina. "Wer weiß, wie lange das dauert. Wenn wir nach Hause fahren, kann der Wagen bis Montag in der Werkstatt bleiben."
"Unsinn", widersprach Robert seiner Frau. "Wir wollten nach Rothberg und wir fahren nach Rothberg. Die Dichtung ist sicher schnell ausgewechselt."
Er war ärgerlich wegen der Verzögerung. Er fuhr jetzt sehr behutsam, blieb im unteren Drehzahlbereich. Aus dem Serviceheft hatten sie die Adresse der nächstgelegenen Spezialwerkstatt herausgesucht. Das war der Nachteil bei einem französischen Wagen, dass man nicht einfach zur Werkstatt um die Ecke gehen konnte. Aber er liebte den Luxus seiner Limousine. Sie verließen die Autobahn bei der nächsten Ausfahrt und fuhren nach Magdeburg hinein.
Als sie auf den Hof der Werkstatt einbogen, war es elf Uhr. Der Meister versprach, sich sofort um den Wagen zu kümmern, und wies ihnen den Weg zum nächsten Café.