Münstermaifeld, 6. Jahrhundert n.Chr.
Der Weg schien ins Nichts zu führen und dennoch erhoffte er das Sonnenlicht wieder zusehen. Er konnte spüren, wie das Blut durch seine Adern rauschte, ihn versuchte am Leben zu erhalten. Tief in seinem Herzen wusste der junge Mann, dass es vorbei war und er tatsächlich die letzte Chance auf ein Leben in Freiheit verwirkt hatte. Ihnen allen wurde stets eingetrichtert Stillschweigen zu bewahren und keine Fragen mehr zu stellen, doch ihm war bewusst, dass die Wahrheiten, welche er im Alleingang entlüftete, ihn gleichzeitig zum Tode verurteilten. Selbst ihm war nun klar, dass sie ihn nicht am Leben lassen durften, nicht nachdem, was er dort unten glaubte gesehen zu haben. Während die im Schein der Fackel aufblitzende Klinge sich durch seine Eingeweide bis zum Herzen vorarbeitete, galten seine letzten Gedanken dem allmächtigen Herrn, hätte dieser wirklich gewollt, dass ein einfacher Bauerssohn so jung für ihn sein Leben lässt?
Münstermaifeld/ Mayen, März 2006
"Stephanus Adler, verschwunden im Jahr des Herrn 596 n. Chr., die Leiche des jungen Burschen wurde einige Tage später vor dem Eulenturme aufgefunden, Adelheid Kolliges, verschwunden im Jahre 1245, die Dame wurde nie wieder gesehen. Rudolf Marks, verschwunden seit dem 7. März 1652, auch ihn sah man niemals wieder, Robert Müller, verschwunden seit April 1802, nie zu seiner Familie zurückgekehrt, Maria Keller, die damals 17 jährige Schülerin wird seit dem 12. Dezember 1992 vermisst, ebenso ..."
"Es fehlen etliche Seiten, was ist mit den Jahren dazwischen Herr Degen"? Sabrina Schöller erhoffte sich mit Hilfe dieser alten Vermissteneinträge Licht in ihre dunkle Vergangenheit werfen zu können, denn auch ihr eigener Vater verschwand vor 10 Jahren auf mysteriöse Weise. Polizeihauptmeister Degen, Angestellter im Mittleren Polizeidienst der Stadt Mayen, blickte verzweifelt auf die zum Teil verblichenen Einträge des Stadtbuches von Münstermaifeld. "Es sieht so aus, als habe irgendjemand die Seiten einfach herausgerissen, ich verstehe nur nicht, was diese Einträge mit ihrem Vater gemein haben sollten!, vielleicht müssen Sie endlich die Tatsache in Betracht ziehen, dass ihr Vater tot ist." Herr Degen konnte nicht einmal erahnen, wie sehr sie sich wünschte, er sei wirklich gestorben, denn dies würde bedeuten, dass es endlich ein Ende hätte. Die endlosen Stunden voller Hoffnung, jedes Mal wenn ein Mann auf den seine Beschreibung passte gesehen oder ins Elisabeth Krankenhaus eingeliefert wurde. Natürlich vergaß sie auch nicht die angsterfüllten Sekunden, in denen sie man sie darum bat einen Toten in der Pathologie zu identifizieren. Jedes dieser Gesichter hatte sich in Sabrinas Gehirn eingebrannt, doch ihr eigener Vater gehörte nie zu diesen Leichenfunden und seit einigen Tagen war sie sich sicher, dass Erich Schöller noch lebte. "Ich denke, dass mein Vater noch lebt, aber… haben Sie gesehen, wer diese Vermissteneinträge eintrug?" Polizeihauptmeister Degen setzte seine Brille auf, um die Worte besser entziffern zu können. "Bruder Robertus, das Heilige Haus auf der Höh, Bruder Richard, das Heilige Haus auf der Höh. Das Heilige Haus auf der Höh, ist das nicht das Mönchskloster in Münstermaifeld"? "Ja, das ist es und ich denke, dass dieses Kloster irgendetwas mit dem plötzlichen Verschwinden meines Vaters zu tun hat"! "Wie kommen Sie darauf Frau Schöller, das sind zum Teil uralte Einträge, die wahrscheinlich durch Zufall von Mönchen vermerkt worden und eines dürfen Sie nicht übersehen, die Leute sind alle nie wieder aufgetaucht." Sabrina blätterte nachdenklich durch die vergilbten Seiten des alten Stadtbuches. "Der erste kehrte zurück". "Tot Frau Schöller, der Junge starb, er wurde erstochen, all die anderen suchte man jahrelang, bis die Hinterbliebenen zu alt und gebrechlich waren, um ihre Suche fortzusetzen. Doch ich sage Ihnen, dass sie am falschen Ende suchen, die Mönche haben nichts mit dem Verschwinden dieser Menschen zu tun, ein Mönch Frau Schöller tötet nicht, damit bricht derjenige seine Gelübde und ein Mönch, ein heiliger Kirchenmann entführt auch niemanden. Bringen Sie das Buch zurück und vergessen sie diese Angelegenheit, ich halte es für reine Zeitverschwendung." Sabrina packte das Stadtbuch wütend in ihren Stoffrucksack und verließ die Polizeidienststelle.
Sie war sich ganz sicher, dass dieses ewig bedrohlich wirkende Gebäude in der Josefstrasse etwas verbarg und dass ihr Vater noch lebte. Der Zettel, den sie in seinem Geräteschuppen gefunden hatte, konnte vieles bedeuten, dennoch enthielt er das Wappen des Mönchsklosters auf der Höh. Während Sabrina sich auf den Weg zurück nach Münstermaifeld machte, dachte sie über den Tag nach an welchem ihr Vater spurlos verschwand. "Sabrina, ich habe meine Zigaretten im Schuppen vergessen, in 15 Minuten bin ich wieder hier, wärm schon Mal die Suppe auf und ich liebe Dich meine Süße", das war das letzte, was Sabrina von ihrem Vater hörte. Sie konnte sich genau daran erinnern, wie er seinen schwarzen Mantel aus dem Schrank nahm, ihr zulächelte und verschwand, für immer. Tagelang suchte man nach Erich Schöller, jedoch ohne Erfolg, er blieb verschollen und die zehnjährige Sabrina wurde von einer netten Jugendamtsmitarbeiterin in ein Heim nach Simmern gebracht, denn nun galt sie als Waise, die Mutter war bereits vor Jahren bei einem Reitunfall ums Leben gekommen. Dort, in dieser Einrichtung wuchs das schüchterne, braunhaarige Mädchen aus der Obertorstr.29, ohne die liebevollen Gute Nacht Küsse ihres Vaters auf. Als sie Simmern im Alter von 19 Jahren wieder verließ, kehrte Sabrina in ihre Heimatstadt, nach Münstermaifeld zurück. Nicht viel hatte sich verändert, lediglich im Haus gegenüber, dort befand sich nun ein Reisebüro "Aloha Reisen". Zu Hause angekommen, öffnete Sabrina ihren Rucksack und kramte das Stadtbuch hervor, noch heute musste sie es dem Bürgermeister wieder aushändigen. Anschließend wandte sie sich um und betrachtete erneut das seltsame Schreiben, welches sie in der hintersten Ecke des Schuppens ihres Vaters, während einer Aufräumaktion vor drei Monaten, entdeckte. Das Wappen stammte eindeutig vom Heiligen Haus auf der Höh, noch merkwürdiger war jedoch der Text, wie eine Art mittelalterliche Drohung:
Was Du gesehen, war niemals dort,
betrete nie wieder diesen heiligen Ort!
Wenn Du es wagst dies Schreiben nicht zu beachten,
dann werden wir nicht länger warten.
"Oh Papa", schluchzte die junge Frau und strich dabei gedankenverloren über eine gerahmte Photographie, auf welcher ihr Vater und sie eng umschlungen auf einer Picknickdecke sitzend, abgebildet waren. Sabrina wusste, sie musste irgendetwas tun, der Brief, die Tatsache, dass ihr Vater nie wieder auftauchte. Wo jedoch sollte sie beginnen? die Polizei hatte die Zwanzigjährige bereits abgewimmelt, bliebe also noch das Kloster. Noch bevor dieser Gedanke ihre Gehirnwindungen wieder verlassen konnte, begannen in weiter Ferne Glocken zu läuten, doch schien dieses Geläut nicht aus der hiesigen Stiftskirche auf dem Münsterplatz herzurühren. Es hörte sich eher so an, als käme der Glockenklang aus der Tiefe.
"Wie die Glocken von Jericho", dachte Sabrina, während sie angestrengt herauszufinden versuchte, aus welcher Richtung die Töne zu ihr heraufdrangen. Gleichzeitig erinnerte sie sich an eine Serie aus ihrer Kindheit, "Polly Flint", diese fand heraus, dass sich unter ihrem Heimatdorf noch ein anderes befand und dessen Kirchenglocken jeden Tag zur Mittagszeit vernommen werden konnten. Nach einigen Minuten verstummten die Glocken, so plötzlich, dass ein eiskalter Schauder über Sabrinas Rücken lief. Kurz entschlossen schnappte sich das junge Mädchen den Brief, sie würde dem Mönchskloster noch heute einen Besuch abstatten.
Das heilige Haus auf der Höh/ März 2006
Bruder Michael ging unruhig vor dem Zimmer des Abtes auf und ab, warum nur hatte er den Brief nicht an sich genommen, wie konnte er ihn einfach achtlos zu Boden fallen lassen, ohne diesen Verlust zu bemerken! "Begreifst Du denn nicht, was für uns alle auf dem Spiel steht, durch Deine Unachtsamkeit, was wenn ihn jemand findet, Michael, man muss kein Gelehrter sein, um herauszufinden, dass wir etwas mit dieser Sache zu tun haben"!! So aufbrausend hatte er den Klostervorsteher, Abt Rudolf von Waldenhorst , noch nie erlebt. "Ehrwürdiger Vater, bitte, Sie müssen mich anhören, der Brief, es tut mir Leid, was durch meine Ungeschicktheit …." "Los, komm rein", war eine vor Wut zitternde Stimme aus dem Raum vor ihm zu vernehmen. In gebückter Haltung betrat der Mönch das heilige Zimmer des Klostervorstehers. "Setz Dich", herrschte ihn der Abt mit bitterer Mine an. "Wieso, um Himmels Willen, ist Euch das nicht früher aufgefallen, dieses Schreiben das war nur für seine Augen bestimmt, lediglich als Warnung, was habt Ihr Euch denn dabei gedacht, ihr Narren." "Vater, ich ..." "Hör auf, ich möchte nur wissen, wo es sich jetzt befindet." Bruder Michael gehörte nun bereits zum alten Eisen des Klosters auf der Höh, vor zehn Jahren hatte er hier seinen Dienst im Namen des allmächtigen Herrn begonnen, kurz nachdem Brigitte, seine Verlobte auf mysteriöse Weise verschwand. "Er ist nicht mehr in diesem Schuppen ehrw….." "Verdammt noch mal Michael, wieso habt ihr ihn überhaupt verloren, Du und Lukas, ihr solltet doch lediglich den Mann nach unten schaffen und den Brief an Euch nehmen." Bruder Michael räusperte sich: "Wir gingen davon aus, dass der alte Schuppen irgendwann der Stadt überschrieben wird und diese ihn abreißen lässt, deshalb dachten wir, der Brief kann niemals entdeckt werden." Der Abt stöhnte auf: "Darunter, unter diesem Schuppen verläuft ein Teil des Ganges, natürlich haben wir verhindert, dass man ihn niederreißt, wieso habt ihr beiden mir niemals erzählt, dass ihr den Verdacht hegt der Zettel sei noch in dieser verfallenen Hütte." Vorwurfsvoll schaute Abt Waldenhorst auf den jungen Mönch hinab: "Ich habe mich immer vor diesem Moment gefürchtet, so wie meine Vorgänger auch. Es gab einen Mord an einem jungen Burschen, Stephanus Adler, er wurde 596 n. Chr. erstochen, aufgrund eines heiligen Versprechens, Es zu hüten, aber nach diesem unchristlichen Vorfall schworen sich die Mönche es nie wieder so weit kommen zu lassen. Dennoch bleibt uns nun kaum eine andere Wahl als erneut Sünde zu begehen". Bruder Michael erhob sich so abrupt von seinem Stuhl, dass dieser knallend zu Boden fiel. "Vater, dass kann nicht ihr Ernst sein, sie tun doch niemandem etwas, nur in manchen Nächten höre ich die armen Seelen in den verlassenen Gängen weinend auf und ab gehen. Ehrwürdiger Vater, ich bitte Sie, wenn es nicht anders geht, schicken Sie Es doch zurück, dorthin wo Es herkam, sodass die Stadt wieder frei ist." "Es gab nie eine Stadt Michael, vergiss das nicht, es war von Anfang an nur ein Mittel zum Zweck, um zu verbergen, was sich in den Tiefen der Erde versteck." Lautes Klopfen unterbrach die kurzweilig, unheimliche Atmosphäre in den Räumen des Abtes. "Herein", rief er sichtlich gereizt. Die Tür öffnete sich knarrend und eine zierliche Gestalt schlich herein: "Ehrwürdiger Vater, unten im Büro wartet eine junge Frau, sie hat den Brief und möchte mit Ihnen sprechen, ich denke sie weiß etwas." Fast trotzig blickte der Abt ein letztes Mal, bevor er sich erhob, in die Augen von Bruder Michael, welchen er schluchzend in seinen Räumlichkeiten zurückließ. Die junge Frau sah ihrem Vater sehr ähnlich, "Ja, das ist zweifelsohne Schöllers hübsche Tochter", dachte der Abt mit einer gewissen Traurigkeit tief in seinem Herzen. Wie gerne hätte er dem Mädchen ein Schicksal wie das, was ihr nun bevor stand, erspart, aber dies ging nun einmal nicht. Er würde die Sache herunterspielen, ihr weismachen, es handle sich bei diesem Schreiben um eine Fälschung und in der Nacht schließlich würden seine Mönche sie holen. Ein Gutes hatte das alles dennoch, Sabrina hätte ihren geliebten Vater dann endlich wieder, natürlich konnte dieses Glück nur von kurzer Dauer sein. Denn woher sollte Abt Rudolf von Waldenhorst wissen, wen Sabrina bereits darüber in Kenntnis setzte, zu groß schien ihm die Gefahr, dass irgendjemand das Geheimnis seines Klosters lüften könnte. Es ging nicht anders, die Menschen im Verließ mussten getötet werden. Dem Abt brach es fast das Herz, als er der jungen Frau seine sorgfältig vorbereitete Lüge auftischte. Voller Hoffnung war Sabrina zu der Unterredung erschienen, diese hatte Vater Rudolf ihr nehmen müssen und nicht nur das, die Tatsache, dass er für seinen Herrn log und bald morden sollte, brachte ihn schier um den Verstand. Am liebsten hätte der Abt das Portal aufgerissen und ihr hinterher gerufen, dass Erich Schöller hier, unter den asphaltierten Straßen Münstermaifelds seit 10 Jahren versteckt gehalten wurde, aber das konnte er nicht, er durfte es nicht, nicht nachdem er dem Papst dieses Versprechen abgenommen hatte das Geheimnis zu wahren, sogar dafür mit seinem eigenen Leben zu bezahlen und bei Gott das würde er, ein Kapitän ging immer mit seinem sinkenden Schiff unter.
Polizeidienststelle Mayen, März 2006
Polizeihauptmeister Degen war gerade im Begriff seinen Geheimcode auf dem Touchscreen, zur Öffnung der Schiebetüre, einzutippen, als sein Blick unter den Besucherstuhl fiel. Dort lag ein kleiner, schmaler Umschlag, wahrscheinlich war dieser aus dem Münstermaifelder Stadtbuch heraus gefallen. Die junge Frau, was mochte sie wohl gerade tun oder viel mehr denken, wie gerne hätte er ihren Vater für sie gefunden. Alexander Degen wusste nur zu gut, was es bedeutete einen geliebten Menschen zu verlieren, seine eigene Mutter verschwand an seinem 15. Geburtstag spurlos und war nie wieder aufgetaucht. "Genauso wie Erich Schöller", dachte Alexander und blickte traurig auf die blinkenden Lichter des Eingabefeldes, vor lauter Kummer in Gedanken versunken, hatte er den falschen Code eingegeben. Er hielt inne, bückte sich und nahm den Umschlag, welcher beinahe in seinen Händen zu Staub zerfiel, vorsichtig an sich. Als der Polizist diesen umdrehte, rutschte ein dünnes, pergamentartiges Schriftstück heraus. Zunächst wusste Alexander nicht auf was er dort hinunterblickte, doch je mehr sich seine Augen an die altertümlichen Zeichen gewöhnten, umso genauer konnte er mehrere Tunnelschächte darauf ausmachen, die allesamt miteinander verbunden unter einer Kirche endeten. Die Anordnungen dieser einzelnen Schächte, ähnlich den Zeichnungen von Katakomben, glichen einem Straßennetz, und zwar einem, dass er kannte. "Wie eine Tulpe, die sich dem Himmel öffnet", so hatte sein Vater das nach rechts und links sich weit ausdehnende Straßennetz von Münstermaifeld beschrieben und plötzlich sah Alexander dieses ganz deutlich vor sich, rechts die Frankenstraße, links die Josefstraße, daraus hinauswachsend wie eine Tulpenknospe die Obertorstrasse, dort der schmale Weg hinauf zum Münsterplatz, aber wo war die Stadt? Plötzlich blieb sein Blick auf einem fast ausgeblichenen, kunstvollen Wappen, auf der obersten Ecke des Schriftstückes hängen. "Das heilige Haus auf der Höh", las Alexander laut vor, was hatte das alles zu bedeuten, errichteten Mönche in früherer Zeit einen Tunnel unter der Stadt, oder existierte dieser bereits, als man Münstermaifeld im 6. Jahrhundert n. Chr. erbaute? und aus welchem Grund stammten auch die Vermissteneinträge von den Mönchen dieses Klosters? Deutlich erinnerte er sich an die Worte von Sabrina: "Ich denke, dass dieses Kloster irgend etwas mit dem Verschwinden meines Vaters zu tun hat." Kälte durchzuckte den Polizeihauptmeister, was, wenn die Mönche ihn vor dem Bau der Stadt errichteten und später Münstermaifeld darüber…, aber aus welchem Grund der Tunnel? Alexander stand auf und hielt das Blatt gegen die Fensterscheibe. Nun sah er, was das zwielichtige Dämmerlicht der Bürotischlampe vor seinen Augen verborgen gehalten hatte. In jedem Tunnelabschnitt standen lateinische Begriffe, angestrengt dachte der Polizist nach und allmählich stieg Panik in ihm auf, als ihm bewusst wurde, was diese Worte bedeuteten. "Grabkammer", "Gesindestube", "Glockenweg", "Schreibstube". All die Menschen, die in dieser Stadt im Laufe der Jahrhunderte spurlos verschwanden, hatte man sie in diesen Tunnel geführt, sie dort sterben lassen, verbargen die Mönche dort etwas, irgend einen Gegenstand, für den es sich lohnte sein Leben zu lassen, für den sogar Mönche bereit dazu wären eine Todsünde, vielleicht sogar im Auftrag des heiligen Vaters zu begehen? Wurden die Verschwundenen deshalb niemals entdeckt, weil sie dort unten, in den Tiefen der Schächte vor sich hin vegetierten? Vielleicht bedeutete dies, dass auch unaufgeklärte Entführungen aus dem 19. und 20. Jahrhundert auf dieses Tunnelsystem und seines dunklen Geheimnisses zurückzuführen wären. Was wenn Erich Schöller wirklich noch lebte und er unter seiner Heimatstadt in der Gesindestube gefangen gehalten wurde, aber warum, war er dem Geheimnis der Mönche auf die Schliche gekommen? Sabrina faselte vor ihrem abrupten Verschwinden etwas von einem Drohbrief an ihren Vater. Alexander Degen wusste nicht mehr, was er noch glauben sollte, hieße dass, das jeder, der auch nur von diesem Tunnelsystem erfuhr, gleichzeitig zu einem Leben jenseits der Sonne verurteilt wurde? und Sabrina womöglich die nächste sein könnte, weil sie nun dieses Schreiben besaß? Andererseits waren Mönche, hohe Gelehrte in früheren Zeiten, oftmals die einzigen, die lesen und schreiben konnten, vielleicht hatten sie aus diesem Grund im Auftrag von jemandem…, aber nein, das Kloster stand bereits einige Jahre, bevor man überhaupt in Erwägung zog eine Stadt dort zu errichten, zum ersten Mal in seinem Leben konnte er sich darüber freuen den historischen Geschichten über Münstermaifeld damals mehr Beachtung geschenkt zu haben als einem süßen Mädchen, namens Linda Mertens. Die Mönche versteckten dort irgendetwas, ein unheimliches Gefühl beschlich den Polizeihauptmeister, er musste unbedingt herausfinden, ob es Sabrina gut ging, ob sie noch lebte, ob man sie bereits weggeschafft hatte!!!
Obertorstr.29/ Münstermaifeld, März 2006
Für einen kurzen Augenblick glaubte Sabrina Schritte auf den Treppenstufen, welche zu ihrem Schlafzimmer führten gehört zu haben. Da sie jedoch zu müde war, um die Geräusche genauer wahrnehmen zu können, deutete die junge Frau diese falsch und ging, kurz bevor sie erneut ins Traumland abdriftete davon aus, es handle sich um ihren Hund Bobby, der wieder mal ruhelos durchs Haus wanderte. Das junge Mädchen konnte nicht einmal erahnen, wie sehr sich ihr bisheriges Leben in nur wenigen Stunden verändern würde. Als ihr der Abt das mit Chloroform getränkte Tuch über Mund und Nase presste, versuchte Sabrina zunächst um Hilfe zu rufen, doch nach wenigen Sekunden sank ihr Kopf benommen gegen das braune Gewand des Klostervorstehers.
Unterirdisches Tunnelsystem/ Münstermaifeld, März 2006
Nachdem Sabrina einige Stunden später aus ihrem ungewollten Tiefschlaf erwachte, fand sie sich in einem dunklen Raum wieder, er schien fensterlos und vollkommen menschenleer zu sein. Vorsichtig tastete sich die junge Frau in dem pechschwarzen Zimmer voran. Plötzlich berührten ihre Hände einen blanken, rundlichen Gegenstand, als ihr bewusst wurde, was sie dort in Händen hielt, schleuderte Sabrina den Totenschädel mit einem hysterischen Aufschrei gegen das morsche Mauerwerk, welches ihre eigene Stimme seltsam verzerrt zurück an ihr Ohr warf. Wo befand sie sich nur, war sie immer noch in Münstermaifeld?, hatte dies alles vielleicht doch etwas mit dem Verschwinden, einer möglichen Entführung ihres Vaters zu tun? War dieser hier umgekommen, alleine und unter Schmerzen, sollte sie die Nächste sein? Schluchzend brach die 20-Jährige auf dem erdigen Fußboden zusammen.
Ohne ein Wort miteinander zu sprechen hasteten Abt Rudolf von Waldenhorst und Bruder Michael durch die unterirdischen Tunnelsysteme. Als sie den Aufschrei aus dem hintersten Raum des lang gestreckten Ganges vernahmen, blieben sie kurzzeitig stehen und blickten sich erschrocken an. "Vater, die Stunde der Wahrheit ist gekommen, das Mädchen ist wach, jetzt müssen Sie sie verlegen, sie wissen wohin." Der Abt schaute dem Mönch voller Traurigkeit in die Augen, drückte ihm einen Schlüssel in die Hand und antwortete mit belegter Stimme: "Das ist nun Deine Aufgabe mein Sohn, bring das Mädchen zu ihrem Vater, so schnell wie es Dir möglich ist, Du weißt in 4 Tagen werde ich….." "Nein Vater, sprechen Sie nicht weiter, ich will es nicht hören". Lange blickte der Abt dem Mönch hinterher und übersah dabei, dass er sich in der Türe irrte. So landete dieser nicht bei Sabrina, sondern….. Bruder Michael schossen die Tränen in die Augen, als er zu Boden blickte und dort jemanden entdeckte, den er glaubte vor zehn Jahren verloren zu haben, dort auf dem sandigen Grund kniete sein Vorwand, weshalb er ins Kloster gegangen war. "Brigitte?" "Ja?", antwortete die schemenhafte Gestalt. "Brigitte, bis du es wirklich"? Ein unglaubliches Glücksgefühl strömte durch sein seit Jahren gebrochenes Herz. "Ja, aber wer sind Sie?, ich kenne Sie nicht"! "Brigitte," der Mönch fiel vor seiner ehemals Verlobten auf die Knie : "Du musst doch wissen wer ich bin, Dein Michael, du wolltest mich am 2. Juni 1996 in der Stiftskirche zum Mann nehmen!" "Bärchen, ich dachte ich sehe Dich niemals wieder"! Brigitte schlang mit einem Aufschrei der Erleichterung ihre Arme um den jungen Mönch. "Sie haben mich damals hier hinunter gebracht, mich eingesperrt und mir erzählt, dass ich hier nie wieder raus komme, was hast Du denn überhaupt an"? Brigitte befühlte in dem schwach erleuchteten Raum die Bekleidung ihres Verlobten. "Ich bin ins Kloster gegangen, vier Monate nach Deinem Verschwinden". "Heißt das Du bist ein Mönch"? "Nicht mehr lange." Mit einem Mal verflog Michaels Wiedersehensfreude, der Abt musste doch gewusst haben, dass seine Verlobte ebenfalls hier unten eingesperrt wurde! Auf seine Panik folgte nun Wut, Wut auf einen Menschen, der ihn zehn Jahre lang belogen und ausgenutzt hatte, aber das sollte nun vorbei sein. Abrupt erhob er sich und zog seine Verlobte mit in die Höhe. "Wohin gehen wir Michael"? "Die anderen befreien". Entschlossen schritt der Mönch auf die gegenüberliegende Türe zu, öffnete sie und half der entkräfteten Sabrina auf die Beine. "Du musst keine Angst mehr haben, bevor die Sonne unter geht, werdet ihr alle frei sein". Sabrina schaute sich verwirrt um, als Michael jedoch eine weitere sehr viel breitere Türe aufschloss und diese daraufhin knarrend aufschwang, glaubte Sabrina tot und im Himmel zu sein. Erich Schöller trat aus dem schummrigen Zimmer auf den Gang und blickte seiner erwachsenen Tochter fassungslos ins Gesicht. "Meine Sabrina, mein Mädchen, ist die Suppe denn noch warm"? "Oh Papa, was haben sie Dir nur angetan". Beide fielen sich schluchzend in die Arme und hielten einander fest, aus Angst erneut getrennt zu werden. Bruder Michael wollte die Szenerie nicht stören, dennoch hatten sie nicht lange Zeit, der Abt würde bald wissen welches Ziel Michael verfolgte. Leise schloss er die schwere Eisentür, bat die Menschen im Zimmer Ruhe zu bewahren und zog eine Pergamentrolle aus seinem weiten Umhang. "Dies ist ein abgesegnetes Versprechen, welches der erste Abt des Kloster auf der Höh, Gregor dem ersten, im Jahre 596 n. Chr., gab. Der damalige Papst überreichte ihm etwas, dass sich seit jener Zeit hier in diesen Gängen verbirgt. Jeder neue Abt und dessen Mönche wurden dazu aufgefordert das Geheimnis zu wahren, und jeden Außenstehenden zum schweigen zu bringen, der irgendetwas herausfand. Deshalb verschwanden viele, viele Menschen aus Münstermaifeld und Umgebung. Abt Waldenhorst sagte einmal, ich solle nicht vergessen, dass eine Stadt niemals existierte, dass sie von Anfang nur ein Mittel zum Zweck gewesen ist, was leider der Wahrheit entspricht, Münstermaifeld wurde eigens errichtet, um zu verbergen, was sich in der Tiefe versteckt. Ein junger Mann starb vor langer Zeit einen grausamen Tod, weil er der Wahrheit zu nahe gekommen war. Nun will der Abt aus Angst um Entdeckung erneut Sünde begehen, aber das werde ich nicht zulassen, eines solltet ihr aber noch wissen, bevor ich Euch allen die Freiheit zurückgebe. Der Petersdom wurde angeblich auf dem Grabe Petrus errichtet, nur das er dort seit hunderten von Jahren nicht mehr ruht, die Gebeine Petrus, Segen und zugleich Fluch dieser wunderschönen Eifelstadt. "Was ist mit meiner Mutter, sie verschwand ebenfalls"! Sabrina wand sich um und erblickte den mayener Polizisten. Bruder Michael räusperte sich: "Ich muss mich verbessern, es gab nicht einen sondern zwei unnatürliche Todesfälle, Stephanus Adler durch Ermordung und Katharina Degen durch Selbstmord, nur drei Wochen nach ihrer Entführung." Der Polizist begann leise zu weinen, vielleicht auch aus Erleichterung. Plötzlich schwang die Eisentür auf und Abt Waldenhorst betrat den Raum, Michael wollte sich auf ihn stürzen, aber der Abt hielt ihn sanft zurück. "Dies ist eine Botschaft an Euch alle, es ist vorbei, die Gebeine sind fort, in wenigen Tagen werden sie wieder dort sein, wo sie vor langer Zeit hergekommen sind." Aufgrund des Trubels der entstand als die armen Seelen ihr Glück kaum fassend, das Tunnelsystem für immer verließen, bemerkte niemand den Mönch am Ende des Ganges, der eine schwarze Kiste hinter sich her zog. Tage später las man folgende Schlagzeile im Wochenspiegel: Junges Mädchen aus Münstermaifeld spurlos verschwunden!!!