Wissenschaft zum Wohle der Menschheit. Dieser Leitspruch steht über dem Portal zu den unterirdischen Labors, in denen A. seit Jahren arbeitet. Missgelaunt und mürrisch begibt er sich jeden Tag dorthin. Die Regierung hat die Freizeiten für die Mitarbeiter im Forschungswesen mittlerweile auf ein Minimum reduziert. Der wissenschaftliche Vorsprung zu den anderen Staaten ist nach deren Zusammenschluss nur noch sehr gering.
Wissenschaft zum Wohle der Menschheit; das war einmal. Heute wird in den weit verzweigten unterirdischen Anlagen nach neuen Waffen, Kampfstoffen und dergleichen geforscht.
Überbevölkerung, Umweltverschmutzung, Krankheiten, das waren einst die Themen. Heute und jetzt geht es um Lasergeschütze und Strahlenschirme zur Abwehr. Wie kann man einem Soldaten die Angst nehmen und gibt es Möglichkeiten, ihn in gewisser Weise fernzusteuern?
Gedankenübertragung und Gedankenkontrolle. A. hatte von vielen dieser so genannten Forschungsbereiche gehört und war sich ganz sicher, dass es weitere ungeahnte Dinge hier unten gibt. Sein Bereich war die Zeitmanipulation. Seine Aufgabe war es, eine Maschine herzustellen, die es ermöglichte sich in der Zeit zu bewegen, eine Zeitmaschine.
A. war Mitte 30 und arbeitete nun schon seit ca. 2 Jahren mit E. an dem gemeinsamen Projekt zusammen. E. war wissenschaftliche Leiterin und Anfang 30 und bildhübsch. A. war für die technische Umsetzung zuständig. Beiden war ein Stab von 15 Mitarbeiten zugeteilt, die mit Hochdruck an der Zeitmaschine arbeiteten.
Erst vor kurzem war ihnen der Durchbruch gelungen; sie hatten eine Maus mit der Versuchsanordnung für 10 Minuten in die Zukunft versetzt und lebend wieder per Automatik in die Gegenwart zurückgeholt.
A. war wenig euphorisch und der Meinung, es würde ohnehin nichts mehr nützen. Es wäre nur noch eine Frage der Zeit, bis sich die Menschen selber auslöschen würden. E. teilte diese Meinung anfangs nicht, doch in langen abendlichen Diskussionen hat A. sie überzeugen können.
Etliche Flaschen Wein wurden geleert und manchmal waren sie kurz davor alles hinzuschmeißen. Aber dann haben sie einen gemeinsamen Plan erarbeitet, einen Plan, von dem niemand etwas wissen durfte.
Die Zeitmaschine war mittlerweile von einer Versuchsanordnung zum einem richtigen "Gefährt" gewachsen. A. hatte in den letzten Wochen fast Tag und Nacht gearbeitet. Heute war der Tag gekommen. Es befanden sich nur noch wenige Mitarbeiter im Labor und auch sie waren dabei sich auf den Feierabend vorzubereiten. Als A. und E. alleine waren, haben sie die Zeitmaschine über den Lastenaufzug an die Oberfläche gebracht. Die entsprechenden Legitimationen für diese Aktion hatten sie sich vorher besorgt und als Begründung einen Test angegeben. Niemand schöpfte Verdacht. Auch nicht, als die Generatoren die Maschine in ein Strahlenfeld hüllten, welches in der abendlichen Dämmerung leicht bläulich schimmerte. An Bord befanden sich A. und E., die beide mit schlafwandlerischer Sicherheit die Schaltungen vornahmen.
E. hatte für den ersten Versuch einen Zeitpunkt gewählt, der ungefähr 50 Jahre in der Zukunft lag. Diese Entscheidung wäre dann auch fast zum Verhängnis geworden.
Mit stetig ansteigendem Generatorgeräusch wurde die Maschine mit einem Mal für die zurückgebliebenen Menschen durchsichtig und verschwand daraufhin sogleich.
A. und E. sahen für einen Bruchteil von einer Sekunde wie die Welt draußen verschwamm und gleich darauf befand man sich in einem unbeschreiblichen Kriegsgetümmel. Sie waren mitten in einem Gefecht herausgekommen. Menschen bekämpften sich mit Strahlwaffen und Raketen. Vom Schreck wie versteinert sahen beide aus den Fenstern der Zeitmaschine. E. gewann zuerst die Fassung zurück und hieb mit der flachen Hand auf den Startknopf. Keine Sekunde zu spät. Ein Streifschuss färbte die Außenhülle dunkel und einige Instrumente fielen aus. Da der Zeitwähler noch auf 50 Jahre stand kamen sie in einer Welt heraus, die mit Worten kaum zu beschreiben war. Der Himmel hing voller dunkler Wolken. Soweit das Auge sehen konnte gab es keine Vegetation. Trümmer und Reste von Gebäuden zeichneten sich schemenhaft vor dem dunklen Himmel ab. A. ließ sich die Zusammensetzung der Luft außerhalb der Maschine anzeigen. Resignierend schüttelte er nur den Kopf. Bei solch hohen Werten von Radioaktivität war an ein Aussteigen nicht zu denken.
Aber was sollten sie tun? Zurück, auf gar keinen Fall. Wie sollte man das alles im Nachhinein glaubhaft erklären? Es bleibt nur noch ein Weg: Die Zukunft - die ferne Zukunft.
Nach einigen Reparaturen, die der Streifschuss nötig gemacht hatte und die zum Glück alle von innen durchzuführen waren, stellten sie den Zeitwähler auf mehrere Millionen Jahre in der Zukunft.
Die Generatoren liefen für mehrere Minuten, bezogen auf das Maschineninnere, auf Volllast.
Außerhalb vergingen die Jahrzehntausende im Sekundentakt. Als die Maschinen endlich ausliefen und nur noch ein leises und letztes Säuseln von sich gaben zeigte sich den beiden Insassen ein völlig anderes Bild. Blauer Himmel, eine Wiese mit Blumen, in der Entfernung ein üppiger Wald, unbekannte Tiere, Insekten. Die Spuren von Krieg und Vernichtung waren vollständig verschwunden. Es gab keinerlei Anzeichen von menschlichem Dasein. Die ersten Analysen zeigten an, dass die Luft atembar war und es keinerlei radioaktive Strahlung gab.
Beide stiegen aus und gingen ein Stück über die Wiese. E. wischte sich eine Träne weg.
A. war der erste, der zu einem Wort fähig war: "Wie im Paradies", sagte er zu Eva, "wie im Paradies."
Und Eva antwortete: "Ja Adam, das ist das Paradies."