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德语科幻短篇:Echtzeitgame.com

时间:2011-11-25来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
(单词翻译:双击或拖选) 标签: 德语科幻短篇

 Es war dunkel, sehr dunkel sogar. Ich konnte mich nicht bewegen, schien gefesselt zu sein. Mein Kopf tat weh, sehr weh sogar, außerdem war mir ein wenig schlecht. Ich wusste nicht wo ich mich befand, konnte mir bei bestem Willen nicht vorstellen, wie ich hier hergekommen war. Irgendwann, ich konnte bereits seit Stunden, seit Tagen, vielleicht sogar seit Wochen schon hier gelegen sein, öffnete sich irgendwo in meiner Nähe mit lautem Knarren eine schwere Türe. Schritte kamen auf mich zu, ich vernahm leise Stimmen. Licht, wenn auch nur sehr blasses Licht, ging an. Als sich meine Augen an diese neue, ungewohnte Helligkeit, an diese wenn auch nur sehr blasse neue, ungewohnte Helligkeit, gewöhnt hatten, sah ich einen Mann Mitte fünfzig, schwarzer, leicht graumelierter Vollbart, kaum Haar auf dem Kopf. Er trug einen weißen Mantel, wahrscheinlich jenen eines Arztes. Einige Schritte hinter ihm stand ein zierliches Wesen, es war ebenso in einen weißen Mantel gehüllt. Dieses zierliche Wesen, diese junge Frau ähnelte jenem Mann der da vor ihr stand irgendwie, bis auf den Bart vielleicht, außerdem hatte sie Haar auf ihrem Kopf, langes, sehr langes Haar sogar, und war etliche Jahre jünger. Ich bilde mir ein sie schon einmal gesehen zu haben, konnte mir nur bei bestem Willen nicht vorstellen wo. Auch er hatte - selbst wenn sein Blick Kälte ausstrahlte - etwas Vertrautes an sich. Doch das sollte nichts heißen, fünfzig Prozent aller Männer dieses Alters sahen in etwa so aus. 

Der Mann mit dem schwarzen Schnurbart ohne Haar auf seinem Kopf musterte mich skeptisch, während die um etliche Jahre jüngere Frau mit dem langen, dem sogar sehr langen Haar vor ihn trat, sich langsam auf mich zu bewegte. Sie hielt eine Spritze in ihrer rechten Hand. Ich spürte ein Stechen in meiner Haut, spürte ein Stechen in meinem linken Oberarm. Ich konnte fühlen wie sich eine Flüssigkeit, eine mir nicht näher bekannte Substanz ihren Weg durch meinen Körper bahnte. Alles war plötzlich verschwommen, der Mann, die Frau, der Raum drehte sich. 
Auf einer grünen Wiese fand ich mich wieder. Diese Wiese war schön, sehr schön sogar, wunderschön, eine Wiese von atemberaubender Schönheit. Jene Wiese, sie war mit vielen bunten Blumen übersäht, lag an einem sanften Hügel, an dessen Fuße sich ein kleiner Teich befand, dessen Oberfläche von Seerosen bedeckt war. Darunter schimmerte vorsichtig türkisgrünes Wasser hervor. Inmitten dieser bunten Blumenwiese saß ich. Ich hockte dort im Gras, vor mir stand ein Computer, ein älteres Modell, eines wie wir früher vor langer Zeit schon zuhause gehabt hatten. Ein altes, ein sehr altes, quasi steinzeitliches Modell, Pentium D, veraltet, langsam. Ich saß auf dieser Wiese und tippte, wie wild flogen meine Finger über die Tastatur, mein Blick war starr auf den Monitor gerichtet. Ein Frosch sprang quakend - von mir aber kaum bemerkt - über die Seerosen, als plötzlich wie von nichts ein Haus aus dem Boden schoss, ein kleines Haus nur, ein Einfamilienhaus, mit Garten allerdings. Ihm folgten noch ein Haus und noch ein Haus, noch ein Garten und noch ein Garten. Binnen weniger Sekunden entstand vor meinen Augen eine ganze Siedlung. Während ich also auf dieser Wiese saß und irgendetwas in diesen Computer tippte, folgten Haus auf Haus, Garten auf Garten, aber auch Geschäft auf Geschäft, Lokal auf Lokal. Eine Kirche wuchs aus dem Boden, Schulen, ein Krankenhaus. Irgendwann kamen Bagger und schütteten den Teich zu, der eben noch munter quakende Frosch musste qualvoll im Beton ersticken. Die Häuser wurden größer und größer, die Einfamilienhäuser wichen Wolkenkratzern, der sanft Hügel einem Einkaufszentrum. Ich saß weiter da und tippte in meinen Pentium D - so einen wie mein Vater mir vor sehr vielen Jahren schon zum Geburtstag geschenkt hatte - während um mich herum erst ein Dorf entstanden war, dann eine kleine Stadt, und nun handelte es sich bereits um eine Metropole von unfassbarem Ausmaß in dessen Zentrum ich saß und tippte, einfach nur tippte, starr in den Monitor blickte und nichts tat außer zu tippen. Die Häuser schossen hinauf in den Himmel, tausende von Menschen strömten um mich herum, großstädtisches Treiben, urbanes Szenario. Plötzlich begann sich abermals alles um mich herum zu drehen, es schleuderte mich durch die Lüfte, es war als würden ein Hurrikan, ein Erdbeben meine Stadt heimsuchen. Ich musste mich übergeben. 
Ich kotzte alles raus, alles was sich in wohl sehr vielen Jahren in mir aufgestaut hatte. "Geht's wieder" fragte mich die junge Frau, mit dem sehr langen Haar im weißen Kittel während sie mir - ich konnte mich immer noch nicht bewegen, schien gefesselt zu sein - den Mund abwischte. Woher kannte ich sie bloß? "Sie haben geträumt" erklärte sie und fuhr mit ihrer rechten Hand langsam über mein Gesicht. Ihren Händen konnte ich so etwas wie Zärtlichkeit entnehmen, nicht aber ihrem Blick, ihr Blick war starr wie der meine vorhin auf der Wiese. Ihr Blick war mechanisch, als wäre er nicht von dieser Welt, ihre Stimme klang kalt und metallisch. Verstört wie verwirrt blickte ich sie an, während sich ein weiteres Mal Flüssigkeit, eine mir nicht näher bekannte Substanz den Weg durch meinen Körper bahnte. Ich fiel wieder zurück in eine tiefe Leere, Leere, nichts als Leere. Keine Blumen, keine Häuser, keine Computer. 
Inmitten dieser Leere tauchte plötzlich das Gesicht des Weißkittelmannes auf. "Wie geht es Ihnen?" fragte er mich. "Wo bin ich?" ich ihn. "Nennen wir es Krankenhaus" sagte er. "Wie bin ich hier hergekommen?" "Das wollen wir von Ihnen wissen." 
Der Mann ging wieder, ich schloss die Augen, versuchte zu träumen. Plötzlich sah ich mich als Jungen, vor jenem ersten Computer sitzend, den ich je besessen hatte. Damals war das noch aufregend und neu für mich gewesen, mittlerweile war es Alltag, ich baute diese Dinger, konstruierte sie, hauchte ihnen Leben ein, entwickelte Technologien um sie noch besser, noch schneller, noch effektiver zu machen, benutzte mein unermessliches Wissen, meine jahrelange Erfahrung um den Fortschritt voran zu treiben. 
Ich sah mich wie ich irgendein Onlinespiel spielte, mit einem Miniraumschiff bunte Rechtecke vom Himmel schoss. Ich sah mich wie ich mich über jeden Treffer freute, über jeden Punkt, wie ich da im Highscore immer weiter und weiter nach oben rückte. Ich sah mich wie mir dieses Spiel bald zu langweilig wurde, wie ich nach neuen Herausforderungen suchte. Plötzlich hatte ich diesen Schriftzug vor Augen: ‚Built and Resist'. Ich schrie laut auf. ‚Echtzeitgames.com' schoss es mir wie aus dem Nichts durch den Kopf. 
"Was ist das Letzte an das Sie sich erinnern können?" Der Arzt sah mir tief in die Augen. "Bemühen Sie sich, das ist sehr wichtig." Ich versuchte mich zu erinnern, ich strengte mich an. Ich sah mich in einen engen, dunklen Raum meines Hauses gehen. "Ich wollte zu einer Konferenz" fiel mir ein. "Welche Konferenz?" fragte der Arzt ernst, sehr ernst fragte mich der Arzt "Welche Konferenz?" sogar. "Computer" antwortete ich, "schneller, stärker, effektiver. Technologie. Entwicklung. Fortschritt. Materie. Gewebe." Ich begann zu stammeln. "Computer." "Sie mögen Computer, nicht wahr?" In den sonst eher emotionslosen, kühlen Gesichtszügen des Arztes war so etwas wie ein Lächeln zu erkennen. "Meinen Erstkontakt mit Computern" begann ich, "habe ich vor sehr langer Zeit schon gehabt, lange vor der Fusion von Apple und Microsoft. Lange bevor Bill…" "Wir wissen was damals passiert ist, Sie brauchen es nicht zu erzählen" unterbrach mich der Arzt düster. "Ja das war in allen Medien damals" bestätigte die Krankenschwester, die ich erst jetzt bemerkte, trocken seine Aussage. Sie hatte recht die Internetnewsrooms und Weblogs dieser Welt waren voll mit besagter Meldung, es war ein Schock für die gesamte Computerwelt gewesen. Ein gigantischer Schock für jene Computerwelt, welche sich seit damals komplett gewandelt hatte, ein Schock für jene Computerwelt deren heutige Bedeutung, deren heutiges Ausmaß damals noch nicht einmal annähernd zu erahnen gewesen war. Waren Computer früher ein Hilfsmittel gewesen um sich Arbeiten zu erleichtern, Protokolle zu verfassen, Daten zu recherchieren, waren sie ein Instrument gewesen um sich das Leben zu versüßen, Internet ein Medium zur Unterhaltung gewesen, zur Prävention von Langeweile, Vorbeugung von Fadesse, so baute man heute sein alltägliches Leben auf das Internet, auf Computern auf, egal ob man zu einer wichtigen Besprechung musste oder einfach nur Milch für den Frühstückskaffee besorgen wollte, egal ob man ein Rendezvous hatte oder einem die Zigaretten ausgegangen waren, Computer waren unverzichtbar geworden. So existierten beispielsweise Kaufhäuser im herkömmlichen Sinne nicht mehr, Shoppingcenter wichen Internetstores, Lebensmittelläden Onlineshops. Man traf sich nur noch selten zu Besprechungen, Tagungen, Meetings. Tagungshotels und Konferenzräume waren virtuellen Meetingpoints, Conferencerooms gewichen. Waren Videotelephonie und Webcams vor fünfundzwanzig, dreißig Jahren noch weltbewegende auf allen Multimediamessen gefeierte technische Sensationen gewesen, so hieß der Trend der Stunde Projektion, Projektion in Form von Hologrammen. Man saß sich gegenüber, selbst wenn man gar nicht da war. Man konnte sich zu Besprechungen treffen, Hände schütteln, Kontakte pflegen ohne sich auch nur einen Schritt aus dem Haus bewegen zu müssen. Nie wieder war man den oft unerträglichen Körperausdünstungen anderer ausgesetzt, Mundgeruch war kein Thema mehr. "Worum sollte es in Ihrer Konferenz gehen?" fragte mich der Arzt. "Es ist streng geheim" antwortete ich, "ich darf nicht darüber reden" fuhr ich fort, während einmal mehr diese Flüssigkeit, diese mir nicht näher bekannte Substanz durch meine Adern floss. "Es ist wichtig, Sie müssen es mir sagen." "Elektronischer Transport von Materie" kam es wie automatisch, ohne meinen Willen diese Information einem wildfremden wenn auch irgendwie vertrauten Menschen preiszugeben, aus mir heraus, "von Masse, im Konkreten elektronischer Transport menschlichen Gewebes." Masse per Email zu verschicken, Materie aus dem Internet downzuloaden war ein alter Hut. Internetshopping hieß längst nicht mehr, etwas zu bestellen, der Postpote würde es schon bringen. Nein Postboten, Paketdienste waren überflüssig geworden. Internetshopping hieß nun, Bestellung aufgeben und der Computer spukte es aus. Gegenstände als Attachement zu verschicken, war längst keine Novität mehr. Egal ob Kerzenständer, Büstenhalter oder Waschmaschine, es gab nichts mehr was sich nicht auf elektronischem Wege hätte verschicken lassen können. Auch Lebensmittel wie Brot, Gummibären oder Orangensaft ließen sich mit Leichtigkeit aus dem Netz saugen, brauchte man Mehl um Weihnachtskekse zu backen konnte man es sich mühelose beim Webbäcker bestellen. Diese bahnbrechende Erfindung hatte mich berühmt wie reich gemacht, zu einer Ikone meiner Zeit. Das allerdings war mir zu wenig gewesen, ich wollte mehr. Ich war nie jemand gewesen, der sich mit dem zufrieden gegeben hatte was er bereits erreicht gehabt hatte, ich hatte immer höher und höher hinaus wollen. Meine Grenzen die ich auszuloten gewusst hatte, die Ziele die ich zu erreichen gewillt war, waren sehr hochgesteckt. Ich hatte es geschafft Masse elektronisch versenden zu können, dem Wort ‚E-Mail' eine völlig neue, fortschrittliche Bedeutung zu geben, doch es war mir bisher nicht möglich gewesen menschliche Materie zu transportieren, lebende menschliche Materie zu transportieren. "Es geht darum das Internet als Transportmittel für den Menschen zu nutzen" erklärte ich dem Arzt. "Ich steige an Ort A ins Netz, verlasse es wieder an Ort B. Muss ich wirklich das Haus verlassen, aus welchem Grund auch immer, kann ich nicht bloß darauf zurückgreifen mich zu projizieren, dann will ich nicht mehr das Auto oder das Flugzeug nehmen. Will ich ein fremdes Land hautnah erleben und mich nicht mit der Möglichkeit einer virtuellen Nachstellung zufrieden geben, will ich die Strapazen einer Reise nicht mehr auf mich nehmen müssen. Stundenlanges Warten am Flughafen, mühsame Kontrollen, Staus, Parkplatzsuche. Außerdem habe ich Flugangst. Was vor siebzig, achtzig Jahren als ‚Beamen' noch Fiktion war, was die Spocks und Captain Kirks in unseren Köpfen zu utopischen, scheinbar realitätsfernen Wunschvorstellungen heranreifen ließen, wird bald Bestandteil unseres alltäglichen Lebens sein. Wir stehen kurz vor dem Durchbruch." Der Arzt nickte zufrieden, die Krankenschwester hinter ihm tat es ihm gleich. Doch auch sie wollten mehr, das war ihnen anzusehen, mehr wissen, mehr erfahren. Dennoch konnte ich mir nicht erklären, warum ich diese streng geheimen Informationen einfach so leichtfertig mir völlig unbekannte Personen weitergab. Es sprudelte alles nur so aus mir raus, in einem unerklärlichen Redewall gab ich hier Informationen preis, für die manch einer Millionen, ja Milliarden von Dollar - jener Weltwährung die den Euro vor Jahrzehnten schon in die Vergänglichkeit geschickt hatte - zu zahlen bereit gewesen wären. Ebenso wenig konnte ich mir nach wie vor erklären, wo ich mich hier befand, warum ich an ein Bett gefesselt, wie ich hier hergekommen war. 
Nachdem die Schwester erneut die Nadel aus mir gezogen hatte, begannen sich vor meinen Augen wieder viele Bilder abzuspielen, mir bekannte Bilder, Bilder aus einer längst vergangenen Zeit, Bilder aus der Zeit in der ich auf meiner Suche nach virtueller Befriedigung auf jener Website namens ‚Echtzeitgames.com' gelandet bin. Bilder wie ich als Teenager vor dem Computer saß und mich der virtuellen Extasse hingab. Wie ich Stunden um Stunden vor dem Computer saß und Häuser baute, Straßen, Brücken über Flüssen. Wie ich ebene jene Flüsse zubetonierte, Häuser wegriss, größere hinstellte. Ich sah mich wie ich Menschen erschuf. Die Bilder die sich in meinem Kopf abspielten, in meinen Träumen wurden immer konkreter, immer klarer. 
"Was ist ‚Echtzeitgames.com'?" fragte mich der Arzt. "Eine Ansammlung von Internetspielen, tausende von Spielen unterschiedlichster Natur. Ich habe allerdings immer nur eines gespielt: ‚Built and Resist'. ‚Built and Resist' ist jahrelang der nahezu einzige Inhalt meines Lebens gewesen." Der Arzt nickte interessiert, wir schienen dem was er eigentlich zu erfahren versuchte näher zu kommen. "In dem Spiel ist es darum gegangen Siedlungen zu erschaffen, Häuser zu bauen" fuhr ich fort. "Spiele wie dieses hat es immer schon viele gegeben, doch ‚Built and Resist' ist mehr als das gewesen, mehr als nur Städte bauen, Ballungsräume zu schaffen. ‚Built and Resist' hat auch bedeutet den Menschen in jenen Städten, jenen Ballungsräumen Leben einzuhauchen, sie zu erschaffen, sie zu formen. Wie sie ausgesehen, wie sie gedacht, was sie gefühlt haben, all das hat in meiner Hand gelegen. Ich habe die Verantwortung für eine ganze Zivilisation, meine Zivilisation getragen." 
Wirkliche Sozialkontakte hatte ich stets gescheut, schon als Kind, als Jugendlicher war ich kaum mehr außer Haus gegangen, als nötig gewesen war. Ich war soziophob gewesen, wenn man es denn benennen wollte. Ich hatte in die Schule gehen müssen, was ich verabscheut hatte, die Ansammlung von gehässigen Nichtsnutzen, ungewaschener Kreaturen. Außerdem hatte ich mich nicht dafür interessiert was mir gelehrt wurde, wer war schon Goethe gewesen, was sollte sein Faust mir mit auf den Lebensweg geben. Am liebsten war ich stets in den Informatikunterricht gegangen, vielleicht noch zu Physik oder Mathematik, alles andere war mir stets ein Gräuel gewesen. Die Biologie hingegen hatte erst viele Jahre später an Relevanz für mich gewinnen sollen. Später an der Universität hatte ich mich dann am wohlsten gefüllt, wenn ich irgendwo alleine hatte sitzen und an Computern basteln können. Heute wo es keine Schulen in dem Sinn mehr gab, wo auch im Unterricht Hologramme den Ton angaben, wo man zum Einkaufen nicht mehr das Haus verlassen musste, da hätte ich mich auch damals schon wohl, ja sehr wohl sogar gefühlt. Ich hatte es gemieden das Haus zu verlassen so gut mir das möglich gewesen war. Ich war mir aber stets bewusst gewesen durch diese soziale Isolation Gefahr zu laufen zu vereinsamen, hatte Angst davor gehabt ein wunderlicher alter Mann zu werden, der mit mittelalterlichen Schrottflinten auf Spatzen schoss. Dem hatte ich vorgebeugt, in dem ich mir Menschen einfach erschaffen hatte. Ich hatte zwar nicht mit ihnen kommunizieren können, doch das hatte ich auch gar nicht wollen, ich hatte nie mit irgendjemandem wirklich kommunizieren wollen, Kontakte pflegen, Smalltalk, dieses unsägliche ‚Und wie geht es dir so?' hatte ich seit jeher gehasst. 
"Ich habe Menschen erschaffen, wie ich sie mir vorgestellt habe", der Arzt sah mir interessiert in die Augen, er gierte nach mehr, gierte nach der Wahrheit. "Ich habe Menschen nach meinem individuellen Geschmack erschaffen" lieferte ich ihm mehr von jener Wahrheit nach welcher er dermaßen zu gieren schien. "Ich habe Frauen erschaffen, schöne Frauen, sehr schöne Frauen, Frauen die meinen ästhetischen Vorstellungen, meinen sexuellen Phantasien entsprochen haben. Ich habe Männer kreiert, die ich diesen Frauen als ebenbürtig empfunden habe, Männer die ihnen haben gerecht werden können. Ich habe den perfekten Menschen entworfen, den für mich perfekten Menschen." 
"Haben sich diese Menschen auch fortgepflanzt" wollte der Arzt wissen. "Ja sie haben sich auch fortgepflanzt, ohne Eingreifen meinerseits allerdings. Lediglich die erste Generation ist meinem Handeln, meinem Denken entsprungen." "Haben Sie diese Menschen als Erwachsene erschaffen?" "Ja, aber sie sind in Echtzeit gealtert. Die Fortschritte der Stadt, wie schnell die Häuser gewachsen sind, wie schnell die Stadt sich vergrößert hat, das habe ich steuern können. Doch auf die Menschen habe ich nachdem ich sie geschaffen habe, nachdem ich sie in ihrer Grunderscheinung, ihren Merkmalen, ihrer Persönlichkeit geformt habe, keinen Einfluss mehr ausüben können. Sie haben ihr Leben gelebt, ihre Entscheidungen getroffen, ein unabhängiges Leben, unabhängige Entscheidungen, in Bedingungen allerdings, in einem Umfeld das ich für sie erschaffen, vorgegeben, gesteuert habe." "Die Menschen, die Kinder, alterten sie wie im realen Leben, war ihr Jahresrhythmus diesem realen Leben angepasst?" wollte der Arzt wissen. "Ja" sagte ich. "Daher Echtzeitgame?" fragte er. "Ja" antwortete ich abermals. "Warum aber nannte sich dieses Spiel ‚Built and Resist'? " Da sind Katastrophen gewesen" erörterte ich, "Kriege, Zerstörung" fuhr ich fort. "Meine Aufgabe ist es gewesen dem gegenüberzutreten, abzuwenden, was ich habe abwenden können. Diese Menschen in meinem Computer, ihre Siedlungen, ihre Häuser, all das hat in meiner Verantwortung gelegen. Ich bin dafür zuständig gewesen das alles zu beschützen, Böses abzuwenden. Kriege verhindern, dem Feind Einhalt zu gebieten, zu intervenieren, Hochwässer abzuwenden, indem ich Dämme gebaut habe." 
Ich füllte mich plötzlich schwach, meine Stimme wurde heißer, mein Mund fühlte sich trocken, sehr trocken an. Die Schwester gab mir zu trinken, mit letzter Kraft schluckte ich die Flüssigkeit hinunter. Ich fiel in einen tiefen traumlosen Schlaf, zumindest nahm ich das an. Ich spürte eine Hand, eine Hand voller Sanftheit, eine Hand voller Zärtlichkeit, die plötzlich meinen Körper berührte, Lippen die ihn liebkosten, Küsse von unglaublicher Sanftmut auf meiner Haut. Ich meinte wieder auf meiner Wiese zu sein, auf jener Blumenwiese von atemberaubender Schönheit. Die Metropole war verschwunden, das urbane Treiben verstummt. Der sanfte Hügel befand sich wieder an seinem alten Platz, der kleine grüne Frosch hüpfte wieder über die Seerosen auf dem kleinen Teich, dessen türkises Nass vorsichtig an die Oberfläche drang. Ich öffnete leicht die Augen um zu erkennen wem die Hände gehörten die mich verwöhnten, wessen Mund es war, der mich mit Küssen unvergleichbarer Wärme bedeckte. Es war die Krankenschwester, jene Frau in ihrem weißen Kittel, die mit immer und immer wieder mir näher nicht bekannte Substanzen injizierte, doch fehlte das Mechanische in ihrem Blick, das Kalte, das Metallene in der Stimme waren verschwunden. Körperliche Liebe hatte ich noch nie zuvor erfahren, dennoch war ich mir sicher, dass das was nun folgen sollte an die Grenzen des sexuell Möglichen stieß, dass diese Lust, dieser Akt der Leidenschaft unerreichbare Sphären erreichte. 
Mit einem lauten Schrei gelangten wir zum Höhepunkt. Kurz danach lag ich wieder in meinem Bett, war wieder gefesselt. Sie stand mir gegenüber, hatte eine Spritze in der Hand. Plötzlich konnte ich mich erinnern, ich wusste woher ich sie kannte, ich wusste wer sie war. "Ich habe Sie, ich habe Dich erschaffen. Auf meinem Computer, vor vielen Jahren schon. Deine Augen, Deine Hände, Dein Haar, das alles ist in meiner Phantasie entstanden, das alles habe ich am Computer zum Leben erweckt." Sie sah mir wortlos in die Augen, das Mechanische war zurückgekehrt. "Doch warum bist Du noch so jung? Meine Menschen, meine Figuren, leben doch in Echtzeit, altern. Du müsstest eigentlich mindestens vierzig, fünfzig Jahre alt sein." "Nein" sagte sie kühl, "Sie haben mich nicht erschaffen, ich bin kein Produkt Ihres Computerspieles." "Doch" sagte ich, "ich kann mich erinnern, ganz genau." "Nein" wiederholte sie und verließ den Raum. Ich sollte sie nie wieder sehen. 
"Was spritzen Sie mir eigentlich?" fragte ich den Arzt einige Stunden später. "Wahrheits- und Gedächtnisserum" antwortete er mir, "Skopolamin, ein wenig LSD, nichts Besonderes, kann man sich in jeder Onlineapotheke downloaden." Mein Arm war schon ganz zerstochen. 
"Was ist weiter vorgefallen" fragte er mich, "Sie wollten zur Konferenz." "Ich bin in meinen Projektionsraum gegangen" sagte ich, "habe mich auf meinen Projektionstuhl gesetzt und auf die Projektionstaste gedrückt. So wie ich das fast jeden Tag tue, zu jeder Besprechung, zu jedem Termin" fuhr ich fort. "Doch es ist nichts passiert. Gar nichts. Ein Defekt." "Was ist dann geschehen?" "Ich habe an dieser Konferenz teilnehmen müssen, mein Fehlen hätte uns um Monate zurückgeworfen. Ich habe also in das Werk fahren müssen, dorthin wo unsere Technologien, diese in meinem Kopf erdachten, in meinem Kopf entstandenen Technologien tatsächlich gebaut werden, ertestet werden. Von dort aus habe ich an der Konferenz teilnehmen, mich in die Konferenz projizieren wollen. Ich bin zu meinem Auto gegangen, bin eingestiegen, es ist schon spät, sehr spät gewesen. Ich bin gefahren und gefahren, es ist immer später und später geworden. Ich habe gemeint, eine Abkürzung zu kennen. Ich bin links abgebogen, rechts, wieder links. Plötzlich bin ich von der Straße abgekommen. Rings um mich ist alles kahl gewesen, wie abgebrannt. Da sind keine Bäume gewesen, keine Wiesen, nur Staub und Asche. Es ist keine Spur von Leben vorhanden gewesen, nur Tod und Verderben. Ich bin weiter gefahren, hie und da sind am Straßenrand Ruinen von Häusern aufgetaucht, dunkler Staub am Horizont, klägliche Überbleibsel von Brücken sind zu erkennen, zu erahnen gewesen. Wo ich hingesehen habe Autowracks, Skelette, es hat nach verbranntem Fleisch gestunken in dieser Wüste aus Trümmern." Einmal mehr musste ich meine Erzählung unterbrechen. Ein Schild kam mir in den Sinn, ein Ortsschild: ‚Progress City - Stadt des Fortschritts'. So hatte ich meine Stadt damals genannt, meine Computerspielstadt. Ich hatte vor vielleicht zwanzig Jahren damit aufgehört dieses Spiel zu spielen. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich eine Stadt enormen Ausmaßes erschaffen gehabt, Millionen von Einwohnern, teils von mir erschaffen, teils durch Fortpflanzung entstanden. Ich hatte eine Armee aufgebaut, Kriege geführt, Schlachten geschlagen, andere Städte, anderer ‚Built and Resist' Spieler brutalst zerstört. 'Progress City' war innerhalb des Spiels zu einer Großmacht, zu einer Weltmacht geworden. Eine Großmacht, eine Weltmacht die über Atomwaffen verfügt hatte, über Laserkanonen, Raketenabschussbasen im Weltall. Aus meinem anfänglich harmlosen Häuserbauen, war bald ein virtuelles Kriegspielen geworden, ein Kriegsspiel von enormer Brutalität, von ungeheurer Grausamkeit. Je moderner und fortschrittlicher die Waffen gewesen waren, umso grausamer die Auswirkung, umso gewaltiger das Ausmaß der Zerstörung. Doch irgendwann war mir das alles zu infantil geworden, zu stupide irgendwie, ich hatte das Spiel Spiel sein lassen und mich der Forschung gewidmet. Ich hatte fortan nichts Imaginäres mehr schaffen wollen, schon gar nicht Imaginäres mehr zerstören. Ich hatte mich aus meiner Traumwelt zurückgezogen, um mich wieder dem richtigen Leben zuzuwenden, um Dinge, zu realisieren. Ich hatte Ideen umzusetzen, Traumphantasien in konkrete, verwirklichbare Bahnen lenken wollen, abseits kindischer wie hirnloser Computerspiele. Es war mir darum gegangen, den realen Fortschritt der realen Welt voranzutreiben, die Welt in der ich lebte durch diesen Fortschritt aufblühen zu lassen, anstatt eine Welt die nur auf dem Bildschirm, nur in meinen Kopf existierte, durch eben jenen Fortschritt dem Untergang feilzubieten. 
Doch nun war ich leibhaftig hier gestanden inmitten meiner Stadt, die ich vor vielen Jahren auf einer bunten Blumenwiese von atemberaubender Schönheit, an einem sanften Hügel gelegen, an dessen Fuße Frösche über Teiche sprangen, erschaffen hatte. Beziehungsweise ich war in den Trümmern jener Stadt gestanden, die ich einst auf einer bunten Blumenwiese von atemberaubender Schönheit, an einem sanften Hügel gelegen, an dessen Fuße Frösche über Teiche sprangen, erschaffen hatte. Etwas Furchtbares musste geschehen sein. 
"Ein Krieg" sagte der Arzt, als konnte er meine Gedanken lesen, "ein ungeheuerlicher Krieg hat uns heimgesucht. Den Grund dafür wusste niemand, niemand wusste warum wir uns eigentlich bekriegen, warum die Bomben fliegen mussten, was der Anlass, der Auslöser dieser Grausamkeiten gewesen war. Unser Schöpfer, jener Mann, der uns erschaffen hatte, jener Mann, der seine Hand seit jeher, seit dem Anbeginn unserer Tage schützend über uns gelegt hatte, hatte diesen Krieg angezettelt, die Gegner provoziert, Verträge gebrochen, sich nicht an Resolutionen gehalten, einfach so zum Spaß, um uns schließlich im Stich zu lassen." Er schnallte meine Fesseln fester. "Wir haben alles verloren. Die junge Krankenschwester, die mit mir gemeinsam dieses provisorische, notdürftige Krankenhaus inmitten einer Trümmerstadt aufgebaut hat, um die wenigen Überlebenden zu versorgen, ihre Mutter, meine Frau, die wie ich aus der dreckigen Phantasie des Schöpfers entstanden ist. Unsere Häuser sind weg, alles. Wir leben in Baracken, unser ist Wasser verseucht, Lebensmittel sind rar." Ich begriff zu verstehen, was hier geschah, warum ich, seit ich hier lag noch nichts zu essen bekommen hatte. Ich begriff wo ich hier gelandet war, so wie der Mann im weißen Kittel kurz davor begriffen haben musste, um wen es sich bei meiner Person handelte. 
Ich war also hierher geraten - wie auch immer das hatte geschehen können, wie auch immer Realität und virtuelle Fiktion miteinander hatten verschmelzen können - irgendwann aus dem Auto gestiegen, war durch die Trümmer gerannt, durch diese apokalyptische Wüste, war zu einer armseligen Barackensiedlung gelangt. Vor einer jener Baracken, einer notdürftigen Konstruktion aus morschen Brettern und rostigen Nägeln, saß eine alte Frau auf einem Schaukelstuhl. Ihr Blick hatte etwas Trauriges an sich gehabt, ihr Gesicht war faltig gewesen, ihr Haar tiefgrau. Ich hatte mir die Falten weggedacht, ihr Haar in meinem Kopf heller gemacht, die Frau um viele Jahre jünger. Sie war zweifelsohne eine jener Frauen gewesen, die ich vor Jahren schon meinen Phantasien entsprechend geformt hatte. Sie war alt geworden, hatte leidend gewirkt. Plötzlich war mir schwarz um die Augen geworden, ich musste in Ohnmacht gefallen sein, mein Gedächtnis verloren haben. " 
Unser Schöpfer hat uns verlassen" sagte der Arzt ein weiteres Mal, "er hat uns im Stich gelassen." 
War ich wirklich der Schöpfer dieser Menschen? Es war doch nur ein Spiel gewesen, Fiktion, fern jeglicher Realität. War ich in dieses Spiel geraten? Wie war ich in dieses Spiel geraten? War ich aus meiner realen Welt, in der ich lebte in die virtuelle Welt gelangt, die ich einst erschaffen hatte gelangt? War ich plötzlich Teil dieser virtuellen Wirklichkeit geworden, dieser virtuellen Wirklichkeit, in der ich viele Jahre meines Lebens - wenn auch nur von Außen - verbracht hatte? Wie war ich plötzlich Teil dieser virtuellen Wirklichkeit geworden, dieser virtuellen Wirklichkeit, in der ich viele Jahre meines Lebens - wenn auch nur von Außen - verbracht hatte? Einmal mehr wurde mir schwarz vor Augen, einmal mehr drehte sich alles um mich herum, einmal mehr musste ich mich übergeben. Ich musste mich übergeben wie ich mich noch nie zuvor in meinem Leben hatte übergeben müssen. 
 
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