Jetzt muß ich Euch schnell noch ein Neujahrsmärchen erzählen; hört also zu:
Ihr kennt doch Alle den Kalendermann, der immer schon ein ganzes Jahr voraus den Kalender macht und darin das Wetter bestimmt, ehe der liebe Gott noch an dasselbe gedacht hat, welcher übrigens dem Kalender zu Liebe das Jahr hindurch auch nicht einen einzigen Regentropfen mehr oder weniger fallen läßt, als er für gut hält. Der Kalendermann thut den ganzen Tag hindurch nichts Andres, als daß er Sonne, Mond und Sterne betrachtet und aus ihnen seine Prophezeiung macht. Er wohnt ganz oben auf dem Dach eines großen Hauses, das man die Sternwarte nennt, sein Zimmer hat Fenster rund herum, damit er nur ja nach allen Seiten ausschauen kann, und vor dem einen derselben steht ein riesengroßes Fernrohr, das aussieht wie jene Sorte von Kanonen, die man Feldschlangen nennt.
An den Wänden hat er Erd- und Himmelskarten hangen, Globen, Barometer, Thermometer, mathematische Instrumente aller Art stehen und hangen in seinem Zimmer umher, und Gott mag wissen, was er sonst noch für curiose Dinge um sich hat, die er zum Kalendermachen gebraucht. Auf der Nase hat er eine große Brille sitzen, Stunden lang guckt er oft Nachts durch sein langes Fernrohr zu den Sternen hinauf und thut, als könne er dem lieben Herr Gott in seinen Himmel schauen; der aber läßt Niemanden in seine Geheimnisse blicken, und wenn der Kalendermann so recht andächtig zum dunklen Horizont hinaufschaut und einen besonderen Stern ins Auge gefaßt hat, so machen ihm die lieben Engel vor dem Schlafengehen noch einen Streich; wuppdich! lassen sie ihm den Stern vor der Nase verschwinden und der arme Mann kann ihn sich wieder suchen, was übrigens nicht so leicht ist. Man nennt das eine Sternschnuppe.
Aber ich wollte Euch ja erzählen, wie es dem Kalendermann in der Neujahrsnacht erging!
Es war gerade am Schluß eines Jahres, in welchem er, was das Wetter anbetraf, wieder einmal recht tüchtig gelogen hatte. Wenn in seinem Kalender schönes Wetter stand, goß der Regen vom Himmel herab; wenn er Unwetter prophezeit hatte, war der schönste Sonnenschein, und so Alles umgekehrt; kurz der Kalender hatte sich erschrecklich blamirt.
Es war nun also Neujahrsnacht. Der Kalendermann schlief oben in seinem Zimmer, von seinem weiten Schlafrock umhüllt, in einem großen Lehnstuhl. Auch in dieser Nacht hatte er Stunden lang die Sterne beobachtet, bis die Engel sie ihm plötzlich alle vor der Nase ausgeputzt, was ihn verdrossen hatte. Mich dünkt auch: wenn Einer das ganze Jahr hindurch Sterne guckt so kann er sie in der Neujahrsnacht doch einmal in Ruhe lassen. –
Während nun seine Studirlampe ganz matt auf dem Tische brannte und große Lust hatte, es wie die Sterne zu machen und auszugehen, mußte der Kalendermann in seinem Lehnstuhl einen sehr lebhaften Traum haben, denn er bewegte fortwährend die Arme und wackelte hin und her; dabei war ihm die Brille von der Nase und das Käppchen von dem kahlen Schädel gefallen. Vielleicht mochte ihm träumen, daß um's Jahr die Welt untergehe; dem Kalendermann kann man Alles zutrauen!
Während er nun so schlafend mit dem Kopfe wackelte, thaten sich plötzlich um ihn her die Fenster auf und durch jedes derselben stieg ein ganz wunderlicher Geist herein. Zwei von ihnen waren ganz grün, denn sie waren so mit Grünzeug behangen, daß man den ganzen Winter hindurch eine Ziege damit hätte füttern können; der dritte war halb grün, halb gelb, man hätte ihn für einen Strohmann halten können, wenn er nicht lauter Trauben, Pfirsiche und Weintrauben im Haare gehabt hätte, die andre vernünftige Leute viel lieber in die Speisekammer oder in den Mund stecken, und der vierte endlich war ganz grau und weiß und sah recht bärbeißig aus; auch blieben ihm die andern Drei immer einige Schritte vom Leibe, wozu sie wohl ihre Gründe gehabt haben mögen.
Diese vier Geister waren nun die vier Jahreszeiten, die dem Kalendermann ihren Neujahrsbesuch machen wollten. Aber sie mußten wohl alle Vier nicht in den friedlichsten Absichten kommen, denn sie waren böse auf den Kalendermann, weil er in seinem Kalender so viel dummes Zeug prophezeit hatte, daß es von ihnen gar nicht mehr mit anzusehen war. Die Jahreszeiten haben ja bekanntlich auch ihre Launen!
– So, da sind wir jetzt, sagte der Griesgram, der Winter, als sie den Kalendermann umstanden, der im Schlafe gar keine Ahnung von seinen Gästen hatte und mit den Armen immerfort gesticulirte, als sei er allein im Zimmer. – Was fangen wir nun mit dem Patron an? setzte der Winter hinzu, indem er seine mit Reif bedeckten Fausthandschuhe schüttelte.
– Wir müssen ihm einmal einen Streich spielen, damit er Respect vor uns bekommt! sagte der lustige Frühling.
– Nein, wir wollen ihm lieber ganz ernstlich die Leviten lesen, damit er uns in Zukunft nicht wieder lächerlich macht! sagte der besonnene Herbst.
– Nein, nein, einen Streich, einen tüchtigen Possen! fiel der Sommer ein, der ja bekanntlich immer mit dem Frühling an einem Strange zieht. – Strafe muß sein, und deshalb sind wir ja gekommen – – – Bin ich so schlecht gewesen, wie Du mich gemacht hast, Du Sternegucker? rief der Sommer, dem Kalendermann ins Gesicht schauend und ihm einen Nasenstüber gebend.
– Habe ich alle Wiesen und Felder ertränkt, Du Ofenhocker? rief der Frühling, dem Beispiel seines Collegen folgend.
– Habe ich so viel gehagelt und geregnet, daß die ganze Weinlese verdorben ist, Du Wassertrinker? rief der Herbst, seine feuchten Locken über dem Kalendermann schüttelnd, daß ihm gewiß träumte, er sitze unter einer Dachtraufe.
– Bin ich so hart und unbarmherzig gewesen, daß die armen Vögel aus der Luft gefallen sind, Du Unglücksprophet? fragte der Winter, den Fausthandschuh ausziehend und ihm über die Wangen fahrend, daß den schlafenden Kalendermann ein Schauder bis in die Fußspitzen durchlief.