Es war ein wunderschöner Sommermorgen. Die Sonne spiegelte sich in dem großen Teiche, der mitten im Dorfe lag und auf dem wohl zehn alte Enten mit ihren Familien umherschwammen, die Dorfjugend spielte auf dem freien Platze vor dem Herrenhause, die Bäume streckten ihre mit süßen Früchten beladenen Zweige über den alten von Brombeerranken durchwachsenen Zaun, vor dem Bauernhause las ein alter Mann mit schneeweißem Haar und einer großen Brille auf der Nase in der Bibel und vor des Pfarrers Hause spielten seine Kinder mit einem weißen Zicklein, das die tollsten Kapriolen machte, obwohl es Kirchzeit war, in der man sich hübsch sittsam und still verhalten soll.
Der Pfarrer war nicht zu Hause, denn er stand in der Kirche auf der Kanzel und predigte der Dorfgemeinde, man solle nur Gutes thun; ja der ehrwürdige Mann hielt eine so wunderschöne Predigt, daß die Gemeinde nach dem Schluß derselben ganz gerührt nach Hause ging.
Draußen an dem großen Kirchfenster, dicht an einer der kleinen, zerbrochenen Scheiben hing ein Sperlingsnest, darin saß die Mutter mit ihren Jungen, die nun bald flügge waren. Die Sperlingsmutter horchte sehr andächtig auf die Predigt, denn sie war ausnahmsweise sehr fromm, und das war kein Wunder, denn wenn man in einer Kirche wohnt, kann selbst ein Sperling wohl fromm werden.
– Was ist das Gute, von dem der Pfarrer sagte? so fragten die Jungen die Sperlingsmutter, als die Predigt zu Ende war.
– Das werde ich Euch später sagen, denn jetzt seid Ihr noch zu dumm, es zu begreifen, sagte die Sperlingsmutter, ganz gerührt von der Predigt.
Am Abend fragten die Jungen wieder, was das Gute sei, und die Sperlingsmutter gab ihnen dieselbe Antwort.
Den nächsten Morgen flogen die Jungen aus dem Nest und kratzten dem armen Büdner seine Wintersaat aus.
– War das gut? fragten sie die Mutter, als sie nach Hause kamen.
– Nein, antwortete diese, das war nicht gut.
Am zweiten Morgen flogen die Jungen aus dem Nest und bissen die zarten Schwalben, die sich auf einer Dachröhre im Fliegen übten.
– War das gut? fragten sie die Mutter, als sie nach Hause kamen.
– Nein, antwortete diese, das war nicht gut.
– Aber was ist denn gut? fragten sie wieder.
– Das werde ich euch sagen, wenn ihr das Gelbe an den Schnäbeln abgelegt habt, denn jetzt seid ihr noch zu dumm, antwortete die Sperlingsmutter.
Am dritten Morgen flogen die Jungen aus dem Nest und fraßen dem Küster alle seine schönen Melonen an.
– War das gut? fragten sie die Mutter, als sie wieder nach Hause kamen.
– Nein, das war nicht gut.
Am vierten Morgen erwachten die Jungen in ihrem Nest, als die Mutter schon ausgeflogen war, um Frühstück für sie zu besorgen. Zu ihrem Schrecken sahen sie ein Netz über ihr Nest ausgebreitet und vor ihnen stand ein rothköpfiger Knabe auf der Leiter, der das ganze Nest aushob.
Die Sperlingsmutter kam gerade nach Hause, umflog den bösen Knaben und rief ängstlich: piep, piep! als sie das Unglück sah.
Da aber kam der Küster des Weges, er nahm dem rothköpfigen Knaben das Nest ab, stieg die Leiter hinauf und setzte es wieder an seinen Platz.
– Ach, das ist gut, das ist gut! riefen die Jungen, noch zitternd vor Schreck.