So sprechend, tappte er im Dunkeln hinauf ins Zimmer seiner Töchter und trat an das Bett heran, in dem die kleinen Knaben lagen. Sie schliefen alle fest, nur der kleine Däumling wachte. Ein Gruseln überlief ihn, als er die tastende Hand des Riesen fühlte, der vorher schon alle seine Brüder abgetastet hatte. Wie der Riese die goldenen Kronen berührte, sagte er:
»Donnerwetter, da hätte ich beinahe etwas Schönes angerichtet! Ich habe wahrhaftig am Abend zuviel getrunken.«
Dann ging er an das Bett seiner Töchter, und als er hier die Mützen der Knaben fand, sagte er:
»Da hätten wir ja unsere Bürschchen! Nun rasch an die Arbeit!«
Mit diesen Worten schnitt er, ohne zu zögern, allen seinen Töchtern die Köpfe ab.
Zufrieden mit seiner Tat legte er sich wieder ins Bett. Kaum hörte der kleine Däumling den Riesen schnarchen, da weckte er seine Brüder und hieß sie, sich schnell anzuziehen und ihm zu folgen. Vorsichtig stiegen sie hinab in den Garten und sprangen über die Mauer. Am ganzen Leibe zitternd, liefen sie bis zum Morgen, ohne Weg und Steg zu kennen.
Als der Riese erwachte, sagte er zu seinem Weib:
»Gehe hinauf und mache die kleinen Schelme von gestern abend zurecht!«
Die Frau des Riesen war erstaunt über die gute Laune ihres Mannes und glaubte, er schicke sie, die Knaben anzuziehen. Sie ging hinauf und war zu Tode erschrocken, als sie ihre sieben Töchter mit abgeschnittenen Hälsen in ihrem Blute sah. Sie fiel in Ohnmacht, denn das ist das einzige, was Frauen in dieser Lage tun können. Der Riese glaubte, seiner Frau würde die Arbeit zu schwer, die er ihr aufgetragen hatte, und ging hinauf, um ihr zu helfen. Aber er war nicht weniger erschrocken als seine Frau bei diesem gräßlichen Anblick.
»Was habe ich da angerichtet,« schrie er, »aber sie sollen es mir auf der Stelle büßen, die Unglücklichen!«
Er goß seiner Frau einen Topf Wasser über die Nase, und als sie wieder zu sich kam, sagte er zu ihr:
»Gib mir schnell meine Siebenmeilenstiefel, daß ich die Bande einhole!«
Er machte sich auf den Weg, und als er kreuz und quer gelaufen war, kam er endlich auf die Straße, wo die Knaben gingen. Nur noch hundert Schritte waren sie vom Hause ihres Vaters entfernt. Da sahen sie den Riesen, wie er von Berg zu Berg schritt und die größten Ströme überquerte wie den kleinsten Bach. Der kleine Däumling fand in nächster Nähe ein Loch in einem Felsen und versteckte darin seine Brüder; auch er selbst kroch hinein und gab acht, was der Riese tat. Der war von dem großen Umweg, den er vergebens gemacht hatte, sehr erschöpft und wollte sich ausruhen. Zufällig setzte er sich gerade auf denselben Felsen, unter dem sich die Knaben versteckt hatten. Er konnte vor Müdigkeit nicht mehr weiter und schlief bald ein. Dabei fing er so schrecklich an zu schnarchen, daß die Kinder nicht weniger Angst bekamen wie damals, als er zu seinem großen Messer griff, um ihnen den Hals abzuschneiden.