Es ist inzwischen eine lange Zeit vergangen, nachdem Li-Puh nach seinem letzten Abenteuer auf seine Heimatinsel zurückgekehrt war. Er war zwar immer noch ein junger Pandabär, aber mittlerweile etwas erfahrener und noch mutiger als zuvor.
Auch äußerlich hat er sich verändert. Er ist viel kräftiger und größer geworden. Außerdem machte sich kaum noch jemand über sein längeres rechtes Ohr lustig, denn es gehörte einfach zu seinem Aussehen und machte ihn einzigartig. Li-Puh wurde mehr und mehr ein selbstbewusster Pandabär.
Zu dieser Zeit war Winter auf der Insel. Obwohl man das hier, wo Li-Puh mit seiner Familie wohnte, kaum wahrnahm. Natürlich gab es hier keinen Schnee und es war immer noch ziemlich heiß draußen. Allerdings regnete es öfter, als zu anderen Jahreszeiten. Manchmal sogar den ganzen Tag lang.
Dann schüttete es, wie aus Kübeln und man war in wenigen Augenblicken völlig durchnässt. Auch die starken Stürme waren rauer, als im Sommer. Danach lag häufig eine Menge Treibholz am Strand und Palmen und Bambusstiele knickten um, als wären es dünne Streichhölzer.
Manchmal erinnerte sich Li-Puh bei diesem Anblick an sein unfreiwilliges Abenteuer, welches ihn damals in einem alten Boot auf den offenen Ozean hinaustrieb.
Dabei dachte er immer wieder gern an seine Freunde von der weit entfernten Insel zurück, die ihn damals so herzlich aufnahmen und die ihm dabei halfen, sein Zuhause wiederzufinden.
An diesem Sonntag stürmte und regnete es ausnahmsweise mal nicht. Die Sonne ließ sich sogar hin und wieder mal durch die dicke Wolkendecke blicken.
Li-Puh spielte – wie jeden Tag – am Strand mit seinen Bambusstöcken. Anschließend setzte er sich kurz in den Sand und schaute verträumt auf das Meer. Das Wasser und das Rauschen der Wellen beruhigten ihn sehr.
Er kniff die Augen kurz zusammen… sah er es richtig? Da schwamm doch etwas in der Nähe des Ufers auf ihn zu. Schnell erhob er sich und flitze ganz nah ans Wasser. Tatsächlich sah er jetzt deutlich einen Gegenstand, der sich auf einer großen Welle auf und ab bewegte.
„Was schwimmt denn da?“, fragte sich Li-Puh neugierig und kniff die Augen fest zusammen, um möglichst scharf sehen zu können. Jetzt erkannte er es ganz deutlich. Es war eine grüne Glasflasche und Li-Puh versuchte sie mit einem seiner Bambusstöcke herauszufischen.
„Eine Flasche gehört doch nicht ins Meer!“, brummte der Pandabär zuerst verärgert. „Ich muss sie herausfischen, damit sich niemand am Glas schneidet!“
Als er sie in der Pfote hielt, sah er sich die Flasche genauer an. Sie war vollkommen unbeschädigt. „Was ist denn das? Da steckt doch ein Zettel drin?“, dachte er.
Plötzlich verstand Li-Puh, dass es eine Flaschenpost war, die er soeben aus dem Meer gefischt hatte. Bisher hatte er nur aus Erzählungen davon gehört und dachte nie daran, selbst mal eine solche Botschaft zu finden.
„Für wen die Nachricht wohl ist?“, fragte sich Li-Puh neugierig. „Ist das spannend! Ob ich sie wohl öffnen und lesen darf?“ Die Gedanken rauschten nur so durch seinen Kopf.
Doch Li-Puh hatte inzwischen gelernt, Ruhe zu bewahren und erstmal abzuwägen was zu tun war, bevor man unüberlegt handelte.
„Ich könnte sie mitnehmen und mit den anderen zusammen lesen?“
„Ich könnte sie wieder ins Meer werfen, weil sie wahrscheinlich für jemand anderen bestimmt ist? Doch bevor ich es nicht gelesen habe, kann ich ja gar nicht wissen, für wen die Botschaft gedacht ist und würde es wohl auch nie erfahren.“
„Vielleicht ist da gar keine Nachricht drin, sondern nur ein leerer Zettel?“
„Es könnte auch eine Schatzkarte drin stecken… wie aufregend!“
„Womöglich braucht jemand dringend Hilfe und…? Und ich wäre jetzt der Einzige und Erste, der davon weiß?
Damit war die Entscheidung getroffen. Li-Puh schraubte geschickt den Verschluss der Flasche auf und holte einen leicht durchnässten, aber festeingerollten Zettel hervor.
Die Buchstaben waren verblasst und die Tinte von der Nässe zerlaufen. Li-Puh hatte deshalb große Mühe zu entziffern, was auf dem Zettel geschrieben stand.
Lieber Li-Puh!
Hoffentlich erreicht dich unsere Nachricht.
Wir haben so lange nichts von dir gehört und hoffen, dass es dir gut geht.
Lass es uns bitte wissen!
Deine alte Freundin Cordula und Freunde
Li-Puh las den Brief und plötzlich kullerte ihm eine Träne über die Wangen. Er weinte nicht, weil er traurig war, sondern aus purer Freude über diese Nachricht.
Sein Entschluss stand fest. Er musste sie alle unbedingt wiedersehen! Und eine Idee, wie das klappen könnte, hatte er auch schon!
Schnell lief er nach Hause und erzählte seinen Eltern und Brüdern, die mittlerweile fast erwachsen waren, von der Flaschenpost.
Sie beschlossen zusammen, die alte Schildkröte Cordula und die Bewohner der Insel, auf der Li-Puh vor langer Zeit gestrandet war, als Gegenbesuch auf ihre Insel einzuladen.
Eine große Vorfreude überkam Li-Puh und am liebsten hätte er sich sofort auf den Weg gemacht, um die Einladung persönlich auszusprechen. Doch natürlich mussten noch einige Vorbereitungen getroffen werden, denn die Reise könnte nicht unbeschwerlich werden.
Seine Brüder boten ihm an ihn dorthin zu begleiten. Denn zusammen hatten sie genug Muskelkraft um das Boot durch den rauen Ozean zu steuern.