Es war einmal ein kleines Eichhörnchen. Das hieß Rudi. Es war ganz allein im Wald, denn es hatte seine Familie verloren. Ganz traurig saß es unter einem Baum und dachte an die Ermahnungen der Mutter: „Rudi, bleib immer in der Nähe und lauf nicht zu weit weg.“
Rudi erinnerte sich an seine Geschwister, wie sie fröhlich in den hohen Baumwipfeln Verstecken spielten. Sie hatten sich gegenseitig gejagt und Wettrennen veranstaltet. „Wer wohl zuerst die Baumkrone erreichen würde?”
Und wenn sie davon ganz erschöpft waren, rief die Mutter sie alle zusammen. Dann versammelten sie sich in einer großen Astgabel, welche ihnen als Nest diente. Es war sehr kuschelig und weich darin. Schön ausgepolstert mit Moos und weichen Blättern. Es gab ganz viele Leckereien und sie aßen gemeinsam leckere Nüsse, Pilze und Früchte und manchmal auch saftige Beeren.
Jeden Tag aufs Neue ermahnte die Mutter ihre Schützlinge: „Lauft nicht zu weit vom Nest weg! In der Nähe lauert ein großer Habicht. Er wartet nur darauf, sich einen von euch zu schnappen, um sich ein üppiges Mahl zu bereiten.”
Das jüngste und kleinste Eichhörnchen, Rudi, hatte aber gar keine Angst vor dem Habicht und hörte nicht auf die Warnungen der Mutter. So kam es, dass Rudi an einem warmen Herbsttag besonders weit vom Nest weglief. Er wollte ganz mutig allein den Wald erforschen.
Rudi sprang von einem Ast zum anderen, kletterte von einer Baumkrone zur nächsten und hörte erst damit auf, bis der Magen plötzlich knurrte. Langsam wurde es schon dunkel und Rudi wollte schnell nach Hause. Er schaute sich um, aber wusste den Weg nach Hause nicht mehr. Alle Bäume sahen gleich aus.
Rudi bekam plötzlich Angst und fühlte sich schrecklich einsam. Er rief ganz laut nach seiner Mutter, aber er bekam keine Antwort. Nun saß er da und wusste nicht, was er machen sollte.
Plötzlich hörte er etwas im Laub rascheln. Neugierig, wie er immer noch war, lief er zu der Stelle, wo das Rascheln herkam. Ein großer, alter, stacheliger Igel bahnte sich den Weg durchs Gestrüpp. Er war bestückt mit einem saftigen, etwas angefaulten Apfel auf seinem Rücken. Rudi kannte den Igel. Er war bereits sehr alt und etwas vergesslich.
„Guten Tag Herr Igel”, sagte Rudi. „Weißt du, wie ich nach Hause finde? Ich habe mich verlaufen und finde den Weg zurück nicht mehr!” „Nein, den Weg nach Hause kann ich dir nicht erklären. Aber wenn du allein Angst hast, kannst du gerne mit mir kommen und wir fragen die kluge Eule um Rat. Sie wohnt in meiner Nachbarschaft und kommt viel im Wald herum. Vielleicht kennt sie den Weg zu deiner Familie“, antwortete der Igel.
Rudi war erleichtert. Zumindest war er jetzt nicht mehr allein. Sie machten sich gemeinsam auf den Weg. Die alte Eule hätte Rudi gern den Weg nach Hause gezeigt, aber sie wusste ihn auch nicht.
Sie kannte aber eine nette Mäusefamilie und schickte die beiden dorthin. Sie sagte: „Vielleicht können sie euch weiterhelfen!” Bei der Mäusefamilie angekommen, fragten der Igel und Rudi nach dem Heimweg. Alle spitzten die Ohren, aber auch hier kannte keiner Rudis Familie.
Sie schickten die beiden weiter zum schlauen Fuchs, er kannte sich im Wald sehr gut aus. Aber auch der Fuchs sagte: „Ich kenne viele Tiere im Wald, aber deiner Familie bin ich noch nicht begegnet!”
Da kam grade ein Stachelschweinchen am Fuchsbau vorbei und hörte von weitem deren Unterhaltung. „Wartet!”, rief es. „Ich glaube, ich kenne den Weg!” Es sagte: „Als ich gestern nach Eicheln gesucht habe, mmmh… mein Lieblingsessen, hörte ich eine Eichhörnchenmutter nach ihrem Kindchen rufen. Ich könnte dich hinführen!”
Rudi war ganz aufgeregt und wollte sofort los. Und so machten sie sich auf den Weg. Das Eichhörnchen tat allen Tieren leid und plötzlich waren sie alle da und wollten helfen. Die Elster flog voraus, der Fuchs schnüffelte mit seiner feinen Nase den Weg entlang, die Mäuse raschelten wild durchs Laub, der Igel folgte und das Stachelschwein gab die Richtung an.
Als Erster entdeckte der Fuchs den Habicht, vor dem die Eichhörnchenmutter immer gewarnt hatte. Doch Rudi konnte jetzt nichts passieren, weil die anderen Tiere auf ihn aufpassten. Gleich darauf hörten sie auch schon die Rufe der Mutter.
Flink wie der Wind lief Rudi voraus und schnurstracks in die Arme seiner Mutter. Er fühlte sich so glücklich und geborgen, wie noch nie zuvor. Nie wieder würde er so weit von dem Nest weglaufen. Rudis Mutter bedankte sich bei den neugewonnenen Freunden ganz herzlich und war sehr erleichtert, dass die Familie nun wieder vollständig war.