An einem warmen Tag im Frühsommer machte sich in der Schafherde Hektik breit. Die Grasflächen waren jetzt leuchtend grün und überall blitzten kleine Gänseblümchen aus dem buschigen Gras hervor.
Sie waren ganz besonders zarte Leckerbissen, das fand auch Tilda. Sie kannte einen Ort auf der Wiese, an dem unzählige dieser kleinen Blümchen blühten. Wie die anderen Schafe auch konnte sie gar nicht genug davon bekommen.
Tilda drehte sich behutsam und möglichst unauffällig in alle Richtungen und war sich diesmal ganz sicher, heute mal nicht beobachtet zu werden. Sie konnte weit und breit kein anderes Schaf entdecken, welches ihr zu ihrem Lieblingsplätzchen folgen würde.
„Die scheinen ja wieder mächtig abgelenkt zu sein!“, schmunzelte Tilda. Von weitem hatte sie den Schäfer mit dem Traktor kommen hören. „Der muss warten“, dachte sie sich. „So dringend kann es ja nicht sein!“ Da war sie sich sicher.
Als Tilda die vielen frischen Gänseblümchen sah, vergaß sie im Nu alles um sich herum. Eine frische Knospe nach der anderen wurde von ihr vorsichtig abgeknipst und genüßlich verspeist.
„Wenn die anderen erst von dieser Stelle erfahren würden, dann ist hier alles platt getrampelt und in wenigen Minuten abgegrast!“, dachte Tilda. Sie nahm sich ganz fest vor, diesen geheimen Ort mit niemandem zu teilen.
Nachdem sie etliche Gänseblümchen und Grasbüschel vertilgt hatte, machte sich etwas Müdigkeit breit. „Ach ein kleines Nickerchen kann doch auch nicht schaden“, beschloss Tilda. Sie legte sich unter einen schattigen Baum und nahm sich vor, ein bisschen zu dösen.
Plötzlich wurde Tilda vom Blöken der anderen Schafe aus ihrem Traum gerissen. Sie schüttelte sich kurz und lief ihnen entgegen. Doch was sah sie da?
Die anderen Schafe hatten alle nur noch eine ganz kurze Wolle und sahen jetzt ganz anders aus. Als die anderen Tilda entdeckten, riefen sie ihr zu: „Tilda wo warst du denn? Wir haben dich nicht finden können und auch der Schäfer wusste nicht wo du sein könntest.“
„Oh je! Ich habe das große Scheren verpasst!“, sagte Tilda ganz traurig. Sie wusste genau, dass die dicke Wolle im Sommer runter musste, damit man nicht zu doll schwitzt und unter der Hitze leidet.
Alle anderen sahen jetzt richtig frisch und fidel aus. Nun blickte Tilda an sich herunter und sah ihre dicke und schon etwas verfilzte Winterwolle. Sie stellte sich vor, wie sie den ganzen, langen Sommer unter der heißen, stickigen Wolle verbringen müsste. „Kaum auszudenken“, dachte sie.
„Hey mach mal nicht so ein langes Gesicht!“, rief Martha herüber. Im Nu bildete sich eine kleine Gruppe aus der Herde, um eine Lösung für Tildas Problem zu finden.
„Wir könnten versuchen die Wolle mit unseren Zähnen abzuknipsen“, schlug ein junges Schaf aus der Gruppe vor. „Oder du schubberst dich ganz fest an dem alten Baum am Ende der Wiese! Vielleicht fällt die Wolle dann ja von alleine ab?“, mutmaßte ein anderes Schaf. Doch keiner dieser Vorschläge würde Tildas Wolle ordentlich kürzen, da waren sich alle sicher.
Plötzlich kam ihr älterer Bruder, Elmar, angerannt. Auf ihn war wirklich immer Verlass. „Seht nur! Der Schäfer hat seine Schere vorne an der Tränke liegen gelassen!“ Die Stimmung hellte sich sofort auf. „Wer sagt es denn! In ein paar Minuten ist deine Wolle so kurz wie unsere!“
Vorsichtig probierten sie die große Schere mit ihren Vorderhufen zu bedienen. „Wir üben zuerst am hohen Gras!“, rief Elmar dabei etwas besorgt. Doch schnell hatten sie den Dreh raus.