Einmal kam der Berggeist nach Landeshut und trug ein Päcklein Tuch unter dem Arme. Nach einem Schneider fragt er ein kleines Mägdlein, das am Brunnen Wasser holt, und dieses weist ihn in ein nahes Haus, wo es gar stattlich aussieht. Als er nun in die Stube tritt und den Meister höflich anspricht, ihm einen Rock zu machen, auch den großen Ballen Tuch vor ihm ausbreitet, denkt der pfiffige Schneider, der ist auch nicht aus Landeshut, solch’ vornehme Leute kommen mir nicht alle Tage unter die Schere. Er legt also das Tuch doppelt und macht dann ein bedenkliches Gesicht, als werde er damit wohl schwerlich, auskommen zu einem ganzen Rocke. Rübezahl schwatzt indes mit den Gesellen und tut, als sehe er nicht, was vorgeht.
Darauf versprach der Meister, der Rock solle in acht Tagen fertig sein, und Rübezahl ging weiter. Als die Zeit um ist, schickt er einen Diener, läßt die Sachen abholen und sagen, er werde nächstens selbst kommen und mehr Arbeit bestellen, auch alsdann das Macherlohn bezahlen.
„Ei, recht gern,“ sagte der höfliche Schneider und denkt, an diesem Kunden läßt sich ein guter Schnitt machen. Als aber acht Tage verstreichen und sich der Fremde nicht sehen läßt, wird’s dem Meister doch bedenklich und er beschließt, das Tuch zu verkaufen, um das er jenen gebracht hat, so daß er doch nicht um sein Arbeitslohn komme. „Ein Mal einem vornehmen Herrn getraut und nie wieder,“ denkt er, schlägt, sich endlich die Geschichte aus dem Sinne und holt das Tuch herbei. Aber da war es eine Decke, aus Schilf geflochten. — Das kam ihm doch auch gar zu wunderbar und bedenklich vor.
Nun geschah es lange Zeit darauf, daß er mit seinen Gesellen die Koppe bestieg, und da begegnete ihnen Rübezahl, ganz lustig auf einem Bocke reitend. „Du willst wohl das Arbeitslohn für das Kleid holen, so du mir gemacht hast?“ ruft er dem erschrockenen Meister zu.
Da geht diesem ein Licht auf; aber ein rechter Schneider ist pfiffig und weiß sich immer zu helfen. „Gnädiger Herr,“ spricht er, „deshalb stieg ich nicht auf das Gebirge, denn ihr habt Kredit, so lange es euch beliebt; ich mache nur eine Reise nach Böhmen und hoffe, ihr werdet nichts dawider haben. Ich will euch auch mein Lebtag gern redlich dienen.“
„Nun, da du so nachsichtig bist, will ich mich auch dankbar bezeigen,“ spricht Rübezahl, „ich will dir mein Reitpferd schenken, aber wehe dir, so du dich dessen, nicht überall bedienst.“
Nun hatte der Schneider keine Courage, obgleich das recht unglaublich klingen mag, und wollte sich durchaus nicht auf den Ziegenbock setzen, der kerzengrade auf seinen Hinterfüßen stand. Aber Rübezahl hob die Hand, um dem zaghaften Meister in den Sattel zu helfen.
Der Schneider aber war so leicht, daß Rübezahls Arm mit ihm eines Kirchturms Länge in die Luft hinauffuhr, denn der Berggeist hatte gedacht, er werde doch mindestens über hundert Pfund zu heben haben, und wog der Schneider nicht viel über fünfzig. Dabei flog der Handschuh Rübezahls ihm von den Fingern und liegt noch heutzutage nicht weit von Rübezahls Kanzel, wovon sich jeder überzeugen kann.
Der Schneider aber saß kaum auf dem Reitpferde, als dies mit ihm dahintrabte; die Gesellen hielten sich pfiffig an den Schwanz desselben und kamen nun auch so geschwind, wie der Meister, von der Stelle. Aber wo sie hinkamen, traf sie das Gespött der Leute, und doch wagte der ehrsame Meister keinen Schritt zu Fuße zu gehen, sondern bediente sich immer aus Furcht vor dem Berggeiste des verhaßten Bockes.
Weil er nun aber in jedem neuen Kunden immer wieder den Rübezahl vermutete, so hütete er sich wohl, das frühere Kunststück zu wiederholen und ward von da ab der ehrlichste Schneider der Welt.
Es hüte sich jeder nicht vor dem Berggeist — sondern vor der Sünde im allgemeinen, denn sie ist es, die den Menschen in der Gestalt des bösen Gewissens oft mehr quält, als alle Gnomen und Erdgeister.
Lieber bleibe arm auf Erden,
Als durch Untreu reich zu werden.