In den Tagen, als Narva noch eine reiche Stadt war, zog einst von Rußland oder von Polen her der grimmige Feind mit großer Heeresmacht heran, um die Stadt einzunehmen und auszuplündern. Zum Glück erhielten die Bewohner einige Tage vorher durch ihre Spione Nachricht, so daß sie noch Zeit hatten, den größten Theil ihres Goldes und Silbers zusammenzuraffen und in der Mündung des Flusses unweit der See zu versenken. Darauf wurden die Thore geschlossen und die Schanzen besetzt. Mit Proviant war die Stadt so reichlich versehen, daß eine Hungersnoth nicht zu besorgen stand; die festen Mauern und Werke rings um die Stadt, der tiefe, breite Fluß einerseits und die mit Wasser gefüllten Wallgräben andrerseits wehrten den Feind ab, so daß er nicht eindringen konnte. Er belagerte die Stadt bis zum Herbst, mußte aber dann unverrichteter Sache abziehen. Nach dem Abzuge des Feindes hatten die Bürger der Stadt nichts Eiligeres zu thun, als an die Mündung des Flusses zu gehen, um ihren Schatz aus seinem Versteck heraufzuholen. Unglücklicher Weise aber hatten sie ihn zu nahe am Meere auf den Grund des Flusses gesenkt; die heftigen Stürme hatten oftmals die Tiefe aufgewühlt und die Geldfässer gegen einander geschüttelt und zerbrochen, der vom Meere ausgeworfene Sand aber hatte später Alles bedeckt und festgelegt, so daß man nur wenig von dem versenkten Gelde wieder erlangte. Der größte Theil dieses Schatzes der Vorzeit[S 164] ruht bis zum heutigen Tage auf dem Grunde des Flusses und des Meeres, und Niemand weiß, welchem Glückskinde er einmal in die Hände fallen wird.