Jahrelang hatten Wolf und Fuchs gemeinsam in einer Höhle gelebt. Nun aber war der Fuchs die immer wieder kehrenden Wutausbrüche des Wolfes Leid geworden. Er ließ sich auf einem Baumstumpf nieder und dachte über seine Lage nach. Dann endlich hatte er das Gefühl, eine Lösung gefunden zu haben. Er lief zum Wolf und traf ihn, als er vor der Höhle hockte und wieder einmal schlechte Laune verbreitete.
Kaum bemerkte der Fuchs das launische Verhalten des Wolfes, begann er demütig die Erde zu küssen. Mit gesenkten Augen näherte er sich dem Wolf und wartete, bis der ihm erlaubte, zu sprechen.
„Was willst du, du Sohn eines Hundes?“, fuhr ihn der Wolf nach einer Weile mürrisch an. „Oh Gebieter, ich bitte sich, mir die Erlaubnis zu erteilen, dir einen Vorschlag zu machen.“ „Rede!“, erwiderte der Wolf gelangweilt. „Aber fasse dich kurz. Und wenn du mit reden fertig bist, mache dich wieder davon, sonst beiße ich dich!“
Mit demütiger Stimme begann der Fuchs: “Du weißt, mein Gebieter, dass der Sohn Adams schon so lange einen Krieg gegen uns führt. Er kämpft mit Fallen, Schlingen und Angriffen aus dem Hinterhalt gegen uns. Der Wald ist so gefährlich für uns geworden, dass wir kaum mehr darin wohnen können. So hätte ich den Vorschlag zu machen, dass alle Füchse und alle Wölfe miteinander einen Schutzvertrag abschließen sollten. Gemeinsam sollten wir gegen den Sohn Adams vorgehen.“
„Das ist ja nahezu unverschämt, dass du auf meine Hilfe hoffst, du elender Fuchs“, erwiderte der Wolf aufgebracht. „Mit meiner Freundschaft und meinem Bündnis kannst du jedenfalls nicht rechnen.“
Und mit diesen Worten holte der Wolf aus und schlug dem Fuchs die Vorderpfote so hart gegen die Wange, dass er umfiel. Nur mit Mühe richtete er sich wieder auf. Er schluckte seine Wut herunter, lächelte demütig, verbeugte sich und sprach:
“Verzeih, mein Gebieter, dass ich Sklave es wagte, so mit dir zu sprechen. Ich tat Unrecht und sehe ein, dass deine Ohrfeige gerecht ist.“ Diese demütigen Worte beruhigten den Wolf und er sagte: “Gut, die Zukunft soll dich lehren, dich nicht in Dinge zu mischen, die dich nichts angehen.“
„Das ist wahr und richtig“, erwiderte der Fuchs. „Man soll sich nicht um Dinge kümmern, die einen nichts angehen. Und man sollte seine Ratschläge nicht an Leute verschwenden, die sie nicht verstehen.“
Und heimlich dachte der Fuchs bei sich: „Meine Zeit wird kommen. Dieser Wolf wird seine Schuld bezahlen. Dieser eingebildete, hochmütige Gebieter. Ich werde ihm weiterhin Demut vorspielen, bis er in meiner Macht ist.“
Und zum Wolf sprach er: “Allah verzeiht dem Schuldigen, wenn er nur bereut. Ich weiß wohl, dass meine Schuld groß ist, aber ich bereue meine Tat. Auch dein kräftiger Hieb hat mir zwar sehr wehgetan, und hätte mir um ein Haar alle Knochen aus dem Leib geschlagen, aber er war heilsam und hat mich gelehrt: Körperliche Züchtigung ist zwar bitter und schmerzt, aber ihr Nachgeschmack ist wie süßer Honig.“
Und während er das sagte, dachte er noch: „Lass dir bloß weiter Honig ums Maul schmieren! Dir werde ich es heimzahlen.“ Aber er sagte: „Habt Dank, strenger und gerechter Gebieter.“
„Es ist gut, dass du meine Erziehung zu würdigen weißt“, knurrte der Wolf. „Aber nun schere dich an deine Arbeit. Gehe in den Wald und kundschafte ihn aus. Und wenn du ein Wild siehst, komm sofort zurück und melde es mir.“ „Gerne, aber gerne“, beeilte sich der Fuchs zu sagen. Und der Fuchs ging voran in den Wald.