Ihr Jünglinge, die Ihr gern die leichten Barken besteigt, um die köstlichen Gerüche der Seepflanzen einzuatmen, wenn der Abendstern aufgegangen ist, und der Nachtwind auf den friedlichen Wellen ausruht, gleich dem Zephir, der auch zu Zeiten auf dem Schoße der Rosen schlummert. O ihr Jünglinge, beugt nicht das unvorsichtige Haupt, um auf den Grund des Wassers zu schauen. Traut nicht der Fee, denn oft zieht sie junge Männer in ihre verräterischen Arme; ihre Gunst ist verderblich, ihre Liebkosungen bringen Unglück, ihre Liebe den Tod. Lange, lange vorher, ehe Eure Väter auf der Welt waren, als Eure Großväter an der Brust lagen, erfuhr das der junge Brincan, wie Ihr das in dieser Geschichte sehen werdet.
Er war der Sohn eines berühmten Seefahrers, der schönste Jüngling seiner Zeit. Seine Wange glühte höher, als Äpfel, kein Pflaum bedeckte sie noch: seine Locken waren gelb wie Gold, seine weiße Brust überstrahlte den Glanz des geglätteten Elfenbeins. - Wenn er mit seinen Genossen schwamm, so würdet Ihr ihn für eine Seenymphe gehalten haben, wie sie oft ihr liebliches Haupt aus den Wellen erheben und sich den Fischern zeigen in all ihrer Schönheit. Oft hatte er liebkosende Arme an seinem Körper gefühlt, die da versuchten, ihn in die unterirdischen Grotten zu ziehen, aber gewandt und schnell war er ihren Umarmungen entschlüpft und eilig an das Ufer zurückgekehrt.
Er pflegte gern am Abend, wenn der Seewind die glühende Luft kühlt und Alles still ist, selbst die Welle, die sich dann sanfter kräuselt, in einer Barke, weit von der Stadt ab, zu rudern. Mit zwei gleichen Rudern versehen, entfernte er sich vom Hafen, bis ihm Marseille nur als eine kleine weiße Wolke erschien, aus der dann und wann ungewisse Lichtblitze hervorbrachen. Dann schiffte er über die azurne See, und sein Auge unterschied, bei Sternenschein, die tausend Fische, die in den Tiefen spielen. Er sah die verschiedenen Muscheln von seltsamer Gestalt und Farbe, und jene Wälder von Seepflanzen, die in den Wellen ihre gelenkigen Äste mit einander verschlingen.
Als er eines Abends den unregelmäßigen Bewegungen eines Seesterns zusah, fühlte er sich durch eine unbekannte Macht in die Tiefe gezogen, und da er den Blick in die Höhe richtete, sah er, dass seine Barke unbeweglich blieb, während er selbst in den Abgrund sank. "O Himmel!" rief er, "welcher verderbliche Schwindel hat mich in die Fluten gestürzt? Soll ich den Seeungeheuern zur Nahrung dienen! - Soll ich, gestern geboren, heute schon sterben! O mein Vater, o meine jungen Gefährten! O ihr lieblichen Mädchen, deren Haar von einer goldenen Nadel gehalten wird, Euch werde ich nicht wieder sehen.
Umsonst versuchte er seine Arme auszustrecken und die Wellen mit den Füßen zu schlagen. Er war unbeweglich, doch ohne Schmerz. Er atmete sanft und das Wasser befeuchtete nur seine Lippen. Seine Locken waren ausgebreitet, aber kein Seetang haftete an ihnen, oder beschmutzte sie. Sein Ohr hörte harmonische Töne und das Geräusch der unterirdischen Töne schien sich weit von ihm zu enfernen. Wer könnte erzählen, was er auf dieser geheimnisvollen Reise sah! Wer könnte die Reichtümer des Meeres zählen! Die Ungeheuer der Tiefe umringten ihn; anstatt aber seinen zarten Körper zu berühren, betrachteten sie ihn mit Wohlgefallen und schienen auf diesen unbekannten Gast zu warten.
Endlich hörte die neue Fahrt auf und er gelangte zu den Toren eines prächtigen Palastes. Menschenauge hat nie seines Gleichen gesehen. Er war aus azurnem Perlmutter und roten Korallen gemacht; glänzende Perlen waren darin eingesetzt und die Flur war aus wohlriechendem Ambra gebaut.