Aber erinnere Dich, Selim, unter allen Versuchungen der Macht, dass Tugend und Klugheit Dich auf den Thron erhoben haben. Lass niemals das Herz Größe verblenden oder Überfluss betören, welches unter allen Prüfungen des Mangels sich unbefleckt erhalten hat. Immer möge das unglückliche Beispiel Amurath's sich Deinen Augen mit Abscheu darstellen und sein nahes Ende Dir eine warnende Lehre sein. So wird Selim einsehen, dass um Wohltaten und Gerechtigkeit zu verbreiten, der Zepter seinen Händen anvertraut ist, und sein dankbares Volk seine glückliche Regierung segnen."
Der Genius verschwand, wie er so gesprochen hatte, und der bestürzte Selim warf sich nieder auf die Erde, indem er in Dank gegen den gütigen Alla ausströmte und um mächtigen Beistand gegen die Versuchung bat, womit Schmeichelei und der Stolz einer unumschränkten Macht die Throne der Fürsten zu umlagern pflegten.
Die Nachricht von Selim's Entweichung verbreitete sich bald durch das ganze missvergnügte Reich und das unterdrückte Volk, das ihn als einen Engel der Erlösung betrachtete, strömte haufenweise zu seiner Fahne hin, selbst die Janitscharen, welche seine liebenswürdige Arba in Verwahrung genommen hatten, stießen, weil sie wohl wussten, dass, wenn sie zu dem Tyrannen zurückkehrten, der Tod ihr unvermeidliches Los sein würde, da sie den Sohn Almoran's hätten entwischen lassen, zu der übrigen Menge, sobald sie den Ort seines Aufenthaltes erfahren hatten und riefen, sich ihm zu Füßen werfend, ihn als ihren Sultan aus, indem sie ihm zu gleicher Zeit das, was er mehr als Krone und Zepter schätzte, die Auserwählte seines Herzens mit ungeschwächten Reizen darstellten.
Der zitternde Tyrann hörte die Nachricht von dieser Empörung mit dem äußersten Schrecken, schloss sich in seinem Serail ein und überließ sich der Verzweiflung. Hier blieb er, einem Unsinnigen gleich, ganz unentschlossen, bis er von Selim und seiner Armee umzingelt war. Die Türen wurden alsbald von den Domestiken aufgesprengt, die froh waren einen neuen Sultan huldigen und ein Ungeheuer verraten zu können, dem sie bis dahin mit Schrecken und Abscheu gehorcht hatten, und Selim, der sein Schwert in des Verworfenen Brust stieß, rief laut: das ist das Schicksal des Despotismus und der Grausamkeit und so muss der Argwohn blutdürstiger Tyrannen durch die grausamen Mittel realisiert werden, die sie anwenden, um die Erfüllung desselben zu verhindern. Möge es nur immer unser Stolz sein nach den Neigungen unseres Volkes zu herrschen, um unsern Thron durch Menschlichkeit und Gerechtigkeit fest zu gründen und ihn unsern Nachkommen dadurch zu sichern, dass wir jedem jugendlichen Herzen die Lehren der Weisheit, des Wohlwollens und der Frömmigkeit einprägen.
Hierauf gab er Befehle, dass kein anderes Opfer, von welchem Rang es sei, weiter aufgeopfert werden sollte, damit die strenge Gerechtigkeit seiner künftigen Regierung dadurch, dass sie aus einem ausgedehnten Felde von Milde entspräche, mit keinen Vorwürfen von Strenge oder persönlicher Rache besteckt und mit Ehrfurcht und Schrecken von seinen Untertanen betrachtet würde.
Als der Aufruhr sich gelegt hatte, führte er die blühende Arba auf seinen Thron und setzte, nachdem er die Türen des Serails hatte weit öffnen lassen, die reizende Cirkassiern zu seiner Rechten, die eine große Reihe von Jahren hindurch ohne eine Nebenbuhlerin die zärtlichste Zuneigung ihres Gemahls besaß und das Glück eines mächtigen und tugendhaften Regenten teilte, während dessen Herrscherperiode zwar das Laster zuweilen unbestraft bleiben mochte, aber weder der Beleidigte jemals vergebens um Hilfe, noch der Tugendhafte und der sich auszeichnende Mann umsonst um Belohnung nachsuchte.