Es war einmal ein König von Alta-Marina, welcher solche Tyrannei und Grausamkeit verübte, dass eines Tages, als er von seiner Gemahlin fortgegangen war, um ein Schloss in einiger Entfernung von der Stadt zu besuchen, sich ein gewisses Weib, das eine Hexe war, des königlichen Sitzes bemächtigte. - Als er deswegen eine hölzerne Bildsäule, welche Antworten zu erteilen pflegte, um Rat gefragt hatte, bekam er den Bescheid, dass er sein Besitztum nicht wieder erlange, als bis die Hexe blind würde. Da er nun sah, dass die Hexe, die außerdem wohl bewacht war, auf den ersten blick die Leute erkannte, die er ausschickte, um ihr nachzustellen, und Hundegerechtigkeit an ihnen ausübte, so viel er in Verzweiflung und beraubte aus Trotz jedes Weib, das ihm in die Hände fiel, seines Lebens.
Nachdem Hundert und aber Hundert das Unglück gehabt hatten, das Leben auf diese Weise einzubüßen, trug es sich zu, dass eine Jungfrau, Namens Portiella, das schönste Geschöpf auf der ganzen Erde, dahin kam. Ihre Haare waren Fesseln der Liebesschergen; ihre Stirn eine Tafel, auf welcher das Schild des Ladens der Liebesreize geschrieben war; ihre Augen zwei Leuchttürme, welche die Schiffe der Wünsche in den Sand setzten, das Steuer nach dem Hafen der Glückseligkeit zu richten; ihr Mund ein Honiggrübchen zwischen zwei Rosenhecken.
Als nun diese Portiella in die Hände des Königs fiel, und ihr Urteil an ihr vollzogen war, wollte er sie wie die übrigen töten. In dem Augenblicke aber, als er den Dolch erhob, ließ ein Vogel eine unbekannte Wurzel auf seinen Arm fallen, und er bekam ein solches Zittern, dass der Stahl seiner Hand entsank.
Dieser Vogel war eine Fee, die sich einige Tage zuvor in einem Walde zum Schlafen hingelegt hatte, wo sie im Schatten der Hitze Trotz bot, wiewohl es nicht ohne Gefahr war; als nun ein gewisser Satyr sie überfallen wollte, hatte Portiella sie geweckt, und aus Dankbarkeit folgte sie dieser nun beständig, um die Wohltat zu erwiedern.
Als nun der König seinen Vorfall bemerkte, glaubte er, dass die Schönheit ihres Gesichtes so viel Einfluss auf seinen Arm gehabt habe, und der Dolch sie daher nicht wie so viele andere traf. Deshalb wollte er es nicht noch einmal versuchen, sondern beschloss, sie in einem Kerker seines Palastes einzumauern; dies führte er auch sehr schnell aus, indem er das unglückliche Geschöpf zwischen vier Mauern einsperrte, ohne ihr Speise und Trank zu lassen, damit sie sich nach und nach aufzehren und so allmählich sterben möchte.