Auf Vaerö, nahe bei Röst*), wohnte einst ein armer Fischer, der hieß Isaak. Er hatte nichts als ein Boot und ein paar Ziegen, die seine Frau kümmerlich mit Fischabfall fütterte und mit dem Gras, das sie auf den Bergen ringsherum sammeln konnten; aber seine ganze Hütte hatte er voll hungriger Rinder. Trotzdem war er stets zufrieden mit dem, was Gott ihm bescherte. Das einzige, worüber er klagte, war, daß ihn sein Nachbar nie recht in Ruhe ließ. Der war ein reicher Mann und bildete sich ein, er müsse alles besser haben als so ein armer Schlucker wie Isaak, und deshalb wollte er Isaak weghaben, damit er den Anlegeplatz bekäme, den dieser vor seiner Hütte hatte. Eines Tages war Isaak ein paar Meilen aufs Meer hinausgefahren, um zu fischen. Da kam auf einmal dichter Nebel herauf, und plötzlich brach ein so gewaltiger Sturm los, daß er all seine Fische über Bord werfen mußte, um das Boot zu erleichtern und das Leben zu retten. Trotzdem war es sehr schwer, das Boot flott zu erhalten, aber er lenkte das Fahrzeug geschickt durch und über die Sturzwellen, die es jeden Augenblick zu verschlingen drohten. Als er fünf bis sechs stunden in dieser Weise gesegelt war, dachte er, er müsse nun bald irgendwo auf Land stoßen. Aber die Zeit verging, und der Sturm und der Nebel wurden immer ärger. Da kam ihm die Ahnung, daß er dem Meere zusteuerte oder daß der Wind sich gedreht hätte, und schließlich merkte er, daß es wirklich so war; denn er fuhr und fuhr und sah doch nirgends Land.
Auf einmal hörte er ein häßliches Geschrei vorn vom Steven her, und er glaubte schon, es sei der Nickelmann, der ihm den Leichenpsalm sänge. Er betete zu Gott für Weib und Kind, denn jetzt hielt er sein letztes Stündlein für gekommen, wie er so saß und betete, sah er etwas Schwarzes schimmern, als er aber näher kam, waren es nur drei Raben, die auf einem Treibholz saßen, — und witsch! war er daran vorbei.
So fuhr er lange Zeit, und er wurde so durstig und so hungrig und müde, daß er sich gar nicht zu helfen wusste; meist saß er mit dem Steuerruder in der Hand und schlief. Aber auf einmal fuhr das Boot auf den Strand und stand stille. Da machte Isaak verwundert die Augen auf. Die Sonne brach durch den Nebel und schien über ein schönes Land. Die Hügel und Berge waren grün bis hinauf zum Gipfel, Äcker und wiesen lagen an den Abhängen, und er glaubte einen Duft von Blumen und Gras zu verspüren, so süß, wie er ihn noch nie empfunden hatte.
"Gott sei Dank! Jetzt bin ich geborgen; das ist Udröst!" sagte Isaak bei sich selbst. Gleich vor ihm lag ein Gerstenacker mit Ähren, so groß und voll, wie er niemals etwas Ähnliches gesehen hatte. Durch den Gerstenacker führte ein schmaler Weg hinauf zu einer mit Rasen bedeckten Erdhütte, die über dem Acker lag. Auf dem Dach der Hütte weidete eine weiße Ziege mit vergoldeten Hörnern, und ein Euter hatte sie, so groß wie die größte Kuh. Vor der Tür saß ein alter Mann in blauem Anzuge auf einem Holzstuhl und schmauchte ein Pfeifchen. Er hatte einen Bart, so groß und lang, daß er ihm weit auf die Brust hinab reichte.
"Willkommen auf Udröst, Isaak!" sagte der Alte.
"Grüß Gott, Vater!" erwiderte Isaak. "Kennt Ihr mich denn?"
"Das kann schon sein," sagte der Alte. "Du willst wohl heute hier übernachten?"
"Ja, Vater, ich nähme gern mit allem fürlieb," versetzte Isaak.
"Es ist nur arg mit meinen Söhnen; sie können keinen Christenmenschen riechen," sagte der Alte. "Bist du ihnen nicht begegnet?"
"Nein, ich bin nur drei Raben begegnet, die saßen auf einem Stück Treibholz und krächzten," erwiderte Isaak.
"Ja, das waren meine Söhne," sagte der Alte und klopfte seine Pfeife aus. "Geh nur einstweilen hinein; ich denke, du wirst hungrig und durstig sein."
"Ich bin so frei, Vater," versetzte Isaak.
Aber als der Mann die Tür aufmachte, war es drinnen so schön, daß Isaak ganz starr vor Verwunderung wurde. So etwas hatte er noch nie gesehen. Der Tisch war mit den köstlichsten Speisen gedeckt, Rahmschüsseln und Rotfisch und Wildbret und Leberknödel mit Sirup und Käse dazu, ganze Haufen von Brezeln, Branntwein und Bier und Met und allerlei Gutes. Isaak aß und trank, so tapfer er konnte, und doch wurde sein Teller nie leer, und so viel er auch trank, das Glas blieb immer gleich voll.
Der Alte aß nicht viel und sagte auch nicht viel. Aber während sie so saßen, hörten sie auf einmal draußen Geschrei und Lärm, und da ging der Alte hinaus. Nach einer Weile kam er wieder herein mit seinen drei Söhnen. Isaak zitterte innerlich, als sie zur Tür hereintraten. Aber der Alte mußte sie wohl zur Ruhe gebracht haben; denn sie waren sehr freundlich und liebenswürdig und sagten, er solle nur sitzenbleiben und mit ihnen trinken; denn Isaak war aufgestanden und wollte vom Tisch weggehen, weil er satt wäre. Aber er gab nach, und sie tranken Zug um Zug, und dazwischen nahmen sie einen Schluck Bier oder Met zu sich. Sie wurden gute Freunde und luden ihn ein, mit ihnen auf den Fischfang zu fahren, damit er doch etwas mitzunehmen hätte, wenn er wieder heim wolle.
Die erste Ausfahrt, die sie machten, geschah in einem gewaltigen Sturm. Einer der Söhne saß am Steuer, der andere am Vordersteven, der dritte im Mittelraum, und Isaak mußte das Schöpfgefäß handhaben, daß ihm der Schweiß von der Stirne rann. Sie segelten wie toll. Nie refften sie die Segel, und wenn das Boot voller Wasser war, fuhren sie die höchsten Wellen hinan, so daß das Wasser am Heck hinausschoß wie ein Wasserfall. Nach einer Weile legte sich der Sturm, und sie begannen zu fischen. Es wimmelte so von Fischen, daß sie das Boot nicht verankern konnten, weil Berge von Fischen unter ihnen standen. Die Söhne von Udröst zogen in einem fort. Isaak fühlte ebenfalls oft, wie es an seinen Angelschnüren zuckte; aber er hatte kein eigenes Fischzeug mitgenommen, und jedesmal, wenn ihm ein Fisch anbiß, kam er wieder los, und er fing keine, Gräte. AIs das Boot voll war, fuhren sie nach Udröst zurück, und die Söhne weideten die Fische aus und hängten sie auf die Trockengestelle. Isaak klagte dem Alten, daß er so wenig Glück gehabt hätte. Der Mann versprach, es solle ihm das nächstemal besser gehen, und gab ihm ein paar Angeln. Bei der nächsten Ausfahrt fing Isaak ebensoviel wie die andern, und als sie heimkehrten, fielen drei Gestelle voll Fische auf sein Teil.
Schließlich bekam Isaak Heimweh, und als er abreisen wollte, schenkte ihm der Alte ein neues Fischerboot voll Mehl und Tauzeug und andere nützliche Dinge. Isaak bedankte sich vielmals, und der Alte lud ihn ein, zur Frühjahrsausfahrt wiederzukommen und ihn zum Fischmarkt nach Bergen zu begleiten, da könne er seine Fische selbst verkaufen. Isaak war gern dazu bereit und fragte, was für einen Kurs er halten müßte, wenn er wieder nach Udröst wolle.
"Fahr nur immer dem Raben nach, wenn er aufs offne Meer hinausfliegt; dann hast du den rechten Kurs!" sagte der Alte. "Glück auf die Reise!"
Aber als Isaak vom Lande gestoßen war und sich umschaute, war von Udröst nichts mehr zu erblicken; er sah weit und breit nichts als das Meer.
Als die Zeit kam, fand sich Isaak zur Frühjahrsausfahrt ein. Aber solch ein Schiff hatte er noch nie gesehen! Es war noch einmal so lang, als man rufen konnte, so daß, wenn der Steuermann, der am Vordersteven Ausguck hielt, dem Ruderknecht etwas zurufen wollte, dieser es nicht hören konnte. Deshalb hatte man noch einen Mann mitten ins Schiff gesetzt, der dann den Ruf des Steuermanns dem Ruderknecht zurief, und auch der mußte schreien, so sehr er nur konnte. Isaaks Teil legten sie vorn in das Schiff. Er nahm selbst die Fische von den Gestellen; aber er konnte nicht begreifen, wie das zuging, immer kamen wieder neue Fische auf die Gestelle, so viel er auch wegnehmen mochte, und als er wegfuhr, waren sie ebenso voll wie zuvor.
Als er nach Bergen kam, verkaufte er seine Fische und bekam so viel Geld dafür, daß er sich eine neue Jacht**) mit voller Ausrüstung und Ladung und allem, was dazugehört, kaufen konnte; denn das riet ihm der Alte. Spät am Abend, als er heimfahren wollte, kam der Alte zu ihm an Bord und sagte, er solle die nicht Vergessen, die nach seinem Nachbarn auf dessen Gehöft lebten, denn dieser sei inzwischen gestorben. Und dann sagte er ihm Glück und Segen für die Jacht voraus.
"Alles ist gut und haltbar, was aufrecht steht," sagte er, und damit meinte er, daß jemand an Bord sei, den niemand sähe, der aber den Mast mit seinem Rücken stütze, wenn es nötig sei.