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德语圣诞故事:Der Weihnachtsmuffel

时间:2011-07-20来源:互联网 字体:[ | | ]  进入德语论坛
(单词翻译:双击或拖选) 标签: 德语圣诞故事

"Fröhliche Weihnachten!", sagte die Fußmatte, als Henry Kogler darauf trat. Er schob die üppige und reich verzierte Tannengirlande zur Seite, um die Tür aufzuschließen. Der Sensor dahinter reagierte beim Betreten des Flurs sofort und mit lautem "Ho ho ho!" begrüßte ihn ein Weihnachtsmann aus Plastik.

"Ich bin zu Hause!", rief Henry, so laut, dass er die Weihnachtsmusik, die aus der Stereoanlage im Wohnzimmer erklang, übertönte. "Hallo, ich bin dahaa!" Er ging den Geräuschen nach, die aus der Küche erklangen, das Klappern von Backblechen war ihm inzwischen schon genau so vertraut wie die ewig dudelnde Weihnachtsmusik.

In einer Schürze (die mit einem applizierten Weihnachtsmann geschmückt war) über ihrem Hosenanzug, hantierte seine Frau mit einem Blech voller Plätzchen. "Fass mal eben an."

Henry griff zu und zog gleich darauf die Hand zurück. "Au, das ist ja heiß." Er steckte seinen schmerzenden Daumen in den Mund.

"Natürlich ist es das, ich habe das Blech doch eben erst rausgeholt, jetzt muss schnell das andere rein, die ungebackenen Plätzchen verlieren bei Zimmertemperatur sonst ihre Form", erklärte Theresa Kogler.

Während sie ein Blech mit lauter Mini-Sternen in den Ofen schob, hatte Henry sich zwei Topflappen - in Tannenbaumform mit aufgeklebten Kugeln aus Filz - geschnappt und das Blech neben ein anderes auf dem Tisch platziert, dabei darauf bedacht, den Engelkerzenhalter nicht umzustoßen.

"So, in acht Minuten sind die Sterne fertig, ist ein ganz neues Rezept, mit Marzipan." Theresa nahm eine Schüssel zur Hand und rührte in ihr herum.

"Und was werden das für Plätzchen?", fragte er ohne großes Interesse.

"Oh, das ist unser Mittagessen. Rührei, ich muss die Eigelb schließlich verbrauchen, bei dem Hexenhäuschen brauchte ich immerhin vier Eiweiß." Sie rührte weiter und deutete dann auf den Schrank. "Du kannst schon mal den Tisch decken, die Kinder sind oben, ruf sie in drei Minuten. Und Oma sitzt bereits im Wohnzimmer."

Henry gehorchte, duckte sich unter den Mistelzweigen durch, die den Eingang zum Wohnzimmer schmückten, stellte die Weihnachtsmannparade so weit zur Seite, dass die Teller Platz hatten und ließ noch ein wenig für die Schüssel frei.

Auf der Couch lagen einige Kissen mit aufgestickten, weihnachtlichen Motiven, die Henry nun auf einem Sessel stapelte. Dann ging er in den Flur und stellte sich an den Fuß der Treppe. "Melissa, Heiko, Fabienne! Das Essen ist fertig!" Oben hörte er es poltern, also hatte zumindest einer sein Rufen gehört und würde die anderen schon benachrichtigen, die vermutlich gerade den Walkman in den Ohren hatten oder in ein Videospiel vertieft waren.

Und tatsächlich, keine fünf Minuten später saß Familie Kogler vereint um den Wohnzimmertisch herum, auch Nora, die kälbchengroße zottelige Mischlingshündin hatte sich zu ihnen gesellt. Zum dritten Mal in dieser Woche verspeiste Henry ein Eiergericht, gestern hatte es zumindest Pfannkuchen gegeben, die mit übrig gebliebenen Nüssen und Rosinen gefüllt gewesen waren.

Heiko stocherte in seiner Portion herum, stellte dann den Teller auf den Boden um ihn der sowieso ewig hungrigen Hündin zu überlassen. "Ich muss los, will mich mit ein paar Kumpels in der Stadt treffen."

"Aber du hast doch gar nichts gegessen", protestierte Oma.

"Wir holen uns Pommes, das machen wir immer." Heiko war schon an der Tür, vorbei an der Tanne, die sogleich mit den Augen blinkte und laut "I wish you a merry christmas" anstimmte. Henry hatte sie vorhin umgangen, er hatte Zeit genug gehabt, herauszufinden, wie weit der Sensor reichte. Wenn er sich sehr eng an der Kommode vorbei drückte, war er außerhalb des Erfassungsbereiches und die Tanne sprang dann nicht an. Sein Sohn allerdings schien das nicht zu wissen oder - was wahrscheinlicher war - es interessierte ihn nicht.

"Ich schau mal eben nach den Plätzchen." Und schon war Theresa in der Küche verschwunden.

Nora streckte ihren großen Kopf empor, schnupperte in Richtung des Tellers. Henry klopfte unter dem Tisch gegen sein Bein, er wusste, dass die feinen Ohren der Hündin dieses leise Geräusch registrierten und tatsächlich spürte er kurz darauf ihre nasse Nase an seiner Hand. Unbemerkt reichte er ihr ein großes Stück Rührei herunter und hoffte, dass niemand ihr Schmatzen hörte.

Omas Gehör war ohnehin nicht mehr gut, seine Töchter kümmerte es nicht und als seine Frau zurückkam, hatte Nora längst alles geschluckt.

Theresa strahlte über das ganze Gesicht und rieb sich die Hände. "So, die Sterne sind fertig, der Hefeteig muss noch gehen, in der Zwischenzeit kann ich gleich noch das Lebkuchenhaus verzieren."

"Wie, das ist doch fertig." Henry blickte auf das mit buntem Zuckerguss bemalte Häuschen auf der Kommode. Es thronte auf einer mit Puderzucker bestäubten Lebkuchenplatte, drum herum scharrten sich bunte Zuckerfiguren.

"Glaubst du etwa, ich backe bloß ein einziges davon?" Theresa schüttelte den Kopf. "Das andere ist für oben, im Flur möchte ich es aufstellen, mit einem Teelicht dahinter, das wirkt so stimmungsvoll."

"Wenn da noch irgendwo Platz ist", murmelte Henry, aber so leise, dass niemand ihn hören konnte. Denn oben im Flur stand noch mehr Weihnachtskram herum, zuerst war da der riesige Schneemann aus Pappmache, den die zehnjährige Fabienne aus den Zeitungen eines Monats und einem großen Eimer Tapetenkleister sowie viel Farbe zusammen gebastelt hatte. An jeder Türklinke hing ein weihnachtliches Band oder zumindest ein kleiner Kranz. An den Wänden waren weihnachtliche Bilder angebracht, Kreuzstichmotive, Gezeichnetes von den Mädchen und die Fenster waren ebenfalls alle geschmückt. Selbst im Badezimmer baumelte vor der kleinen Scheibe ein Weihnachtsmann. Und auf jeder halbwegs freien Fläche stand etwas, das irgendwie mit Weihnachten zu tun hatte, da ein Weihnachtsmann, dort ein Engel, hier gleich ein ganzes Rentiergespann.

Das alles hätte Henry ja noch ertragen, er kannte es ja seit Jahren, schließlich hatte seine Frau diesen Weihnachtstick schon Zeit ihres Lebens und ihre Kinder damit voll angesteckt, mit Ausnahme von Heiko, der, wann immer sich die Möglichkeit bot, zu seinen Freunden flüchtete. Mit seinen fünfzehn Jahren gab es für ihn kaum Schlimmeres, als traditionelle Weihnachtslieder (wobei Henry nicht wusste, was schlimmer war, die Weihnachtslieder oder das Heavy-Metal-Gedröhne, das Heiko so gern hörte). Die sechzehnjährige Melissa dagegen ging völlig in ihren Basteleien auf und hielt ihm fast täglich ein neues Stück unter die Nase. Mit jedem Jahr war die Wohnung reicher an immer bunterem Weihnachtsschmuck geworden, doch in diesem Jahr kamen noch eine ganze Reihe von sprechenden und blinkenden Weihnachtsaccessoires hinzu.

"Ich geh eine Runde mit Nora", sagte Henry und stand auf. Die Hündin folgte ihm schwanzwedelnd zur Tür, er nahm ihre Leine vom Haken und trat in die kühle Luft hinaus.

Mit einem eleganten Satz, den man ihr aufgrund ihrer eher stämmigen Erscheinung gar nicht zutrauen würde, setzte Nora über die Fußmatte hinweg. Henry dagegen trat drauf und während er sich vom Haus entfernte, erklang Jingle Bells.

Die kalten Hände in den Manteltaschen vergraben schlenderte Henry den gewohnten Weg entlang. Nora lief gut zwanzig Meter voraus, sie kannte ihre Runde genau. An der Hundewiese hatte er sie eingeholt, dort tollte sie begeistert durch den Schnee. Auf der Straße hatte die weiße Pracht sich in eine unansehnliche graue Masse verwandelt, doch hier strahlte der Schnee noch richtig. Ein kleiner Schneemann stand unter einem Baum, jemand hatte ihm aus Aststückchen Augen und Mund verpasst, nur eine Nase fehlte.

Henry hob ein etwas dickeres Stück Holz auf und setzte es dem Schneemann ins Gesicht. Das war zwar kein richtiger Ersatz für eine Karotte, aber immer noch besser als gar nichts.

Es fing zu schneien an, feine Flocken, die mehr wie Regen wirkten. Henry pfiff nach Nora und mit großen Sätzen stürmte die Hündin auf ihn zu. "Komm Mädchen, jetzt wird's ungemütlich, wir gehen besser zurück."

Henry nahm sie an die Leine, sie wäre ihm zwar auch so gefolgt, doch er wollte nicht, dass sie noch durch den ganzen Matsch sprang. Brav trottete Nora neben ihm her, schüttelte sich im Flur ausgiebig und sprang begeistert an ihm hoch. Das löste die Tanne aus, die sogleich jeden Zuhörer wissen ließ, dass sie ein Weihnachtsbaum war und singen konnte, was sie mit "White Christmas" unter Beweis stellte. Henry fragte sich, wie viel Lieder wohl auf dem Chip gespeichert waren, doch eigentlich wollte er das gar nicht wissen, also lockte er Nora fort, damit sie die Tanne nicht ein weiteres Mal auslösen konnte.

Gedankenversunken ging Henry in sein Arbeitszimmer - zumindest versuchte er es, denn der Raum war abgeschlossen. Verdutzt kehrte er nach unten zurück. "Theresa, ich kann mich nicht erinnern, mein Büro abgeschlossen zu haben."

"Das war ich." Sie sah nicht auf, während sie sprach, da sie gerade damit beschäftigt war, einem Lebkuchenengel ein Zuckergussgesicht zu verpassen. "Da sind die Geschenke drin, ich wusste sonst keinen anderen sicheren Ort. Und du brauchst das Zimmer ja gerade nicht, du hast doch Urlaub seit heute."

"Aber ich wollte trotzdem rein", protestierte Henry und dachte an die wissenschaftlichen Zeitschriften und das neueste Automagazin, die dort auf dem Schrank lagen. Die waren gestern erst gekommen und er hatte sie sich extra aufgehoben, um mit ihnen wenigstens für kurze Zeit diesem Weihnachtsrummel zu entfliehen.

"Morgen Schatz, da sind schließlich auch Geschenke für dich drin und ich habe noch nicht alle eingepackt. Nach der Bescherung morgen Abend kannst du jederzeit wieder in dein Büro."

"Ich gehe nicht an die Geschenke."

"Das weiß ich, aber sie sind noch nicht eingepackt. Und ich habe jetzt wirklich keine Zeit, du siehst doch, was ich hier mache." Schon hatte Theresa sich umgedreht und trennte ihrer jüngsten Tochter ein Ei, für das nächste weihnachtliche Backwerk.

Henry hatte genug, er suchte sich die Zeitung von heute aus dem selbstgenähten Behälter für Post - auf dem zeitgemäß natürlich ein Weihnachtsmann mit einem Brief in der Hand gestickt war - und ging in den Wintergarten. Im Glauben diese Tür passieren zu können, hing er im nächsten Moment mit dem Kopf in einem Mobile, im Gesicht kitzelten ihn Sterne aus Moosgummi.

"Melissa!"

"Ja?" Seine älteste Tochter erschien und eilte sogleich auf ihn zu. Ihre Augen funkelten ihn ärgerlich an. "Sei doch vorsichtig, da habe ich gestern den ganzen Nachmittag dran gebastelt."

"Könntest du es nicht etwas höher hängen?" Bemüht, nicht die Fäden zu verknoten, befreite Henry sich aus dem Kunstwerk.

"Es ist ein Mobile, das muss so hängen", erklärte Melissa. "Hier, häng es richtig wieder auf, ich muss los, will mit Oma noch Lametta kaufen."

Henry verkniff sich eine Bemerkung, er brachte das Mobile wieder an, stach sich dabei an einer Nadel, denn die Girlande am Türrahmen war damit gespickt und schließlich tauchte er unter durch, um im Wintergarten wenigstens für kurze Zeit seine Ruhe zu haben.

Heikos Ankunft war dank der Tanne nicht zu überhören, der Junge war ausnahmsweise sogar pünktlich, doch Henry bezweifelte, dass Theresa das überhaupt auffiel.

"Hi!" Mit wiegenden Schritten durchquerte Heiko die Wohnung Richtung Wintergarten.

"Vorsicht!", schrie Henry noch, doch da hing sein Sohn schon im Mobile.

Heiko fluchte leise, verstummte aber sofort, denn Fluchen in der Weihnachtszeit würde ihm bloß Stubenarrest einbringen und das war momentan sicher die schlimmste Strafe. Mit Hilfe seines Vaters befreite er sich aus dem Mobile. "Blödes Ding."

"Halt mal fest, ich hole eben neues Tesa-Band, das hier klebt schon nicht mehr", wies Henry ihn an. "Aber sei vorsichtig, da oben sind Nadeln drin."

"Beeil dich, ich hab keine Lust hier Wurzeln zu schlagen."

Henry antwortete nicht, er suchte auf Melissas Schreibtisch den Tesafilm, fand ihn schließlich zwischen Wackelaugen, Regenbogen-Papier und bunter Bastelwatte und kehrte damit zu seinem Sohn zurück. Gemeinsam brachten sie das Mobile wieder in Form.

"Jakob, Martin und ich wollen morgen in die Disco, darf ich?"

"Am Heiligabend?"

"Ist doch erst ab 21 Uhr, außerdem ist es eine Weihnachtsparty, im Jugendhaus, da dürfen alle hin und Betreuer sind auch da."

"Na ja, von mir aus dürftest du schon, aber ich vermute, deine Mutter wird das nicht erlauben."

"Kannst du nicht mal mit ihr reden? Ich hab echt keine Lust, den ganzen Tag nur hier herumzusitzen und diese blöden Lieder zu singen."

Ich doch auch nicht, dachte Henry und fragte sich im Stillen, ob es für die Disco wohl eine Altersbegrenzung gab. "Ich werd schauen, was sich machen lässt, aber versprechen kann ich dir nichts."

"Ich verlass mich auf dich." Heiko verschwand wieder, tauchte ganz knapp unter dem Mobile durch, so dass die Sterne von dem Windhauch heftig bewegt wurden.

Da Theresa die Weihnachtsmusik so laut gestellt hatte, dass Fernsehen unmöglich war, ging Henry recht früh zu Bett, hörte noch die Nachrichten und schaltete ab, als der Hörfunk mit Weihnachtsmusik begann.

Davon wurde er auch geweckt, Theresa hatte das kleine Radio voll aufgedreht und wirbelte bereits fix und fertig angezogen durchs Zimmer. "Los, steh auf, du hast die schwarze Hose immer noch nicht angepasst, bestimmt muss Oma die noch kürzen."

Henry sah ihr nach, erhob sich dann langsam. Neben dem Bett lagen über einem Stuhl sein weißes Hemd, ein dunkles Jackett und die neue Hose. An der Stuhllehne baumelte ein kleiner Holzweihnachtsmann auf einem Schlitten.

Das war der Auslöser, Henry hatte genug, er spähte durch das winzige freie Glasstück des Fensters, dass nicht von irgendeinem Weihnachtsmotiv verdeckt war. Der Himmel war grau, aber es schneite nicht, die Straßen waren ziemlich trocken, mit dem Auto würde er prima durchkommen. Wohin wusste er nicht, Hauptsache raus hier.

Er steckte seine Brieftasche ein, murmelte etwas von noch was erledigen und schon war er zur Tür hinaus. Da er diesmal auf keinen Sensor geachtet hatte, überschrieen sich nun Fußmatte, Tanne und Weihnachtsmann mit ihren unterschiedlichen Grüßen.

Henry fuhr zuerst in die Stadt, trank am Stehtresen eine Tasse Kaffee. Wunderbar, richtig schöner schwarzer Kaffee, ohne das Aroma von Zimt und Nelken. Denn zu Hause gab es seit Wochen nur noch Weihnachtskaffee. Auf Tee auszuweichen nützte da auch nichts, da Theresa schon letzten Monat die Marke "Weihnachtstraum" entdeckt hatte.

Die Bedienung stellte einen kleinen Schokoladenweihnachtsmann neben die Tasse. "Den gibts heute gratis", erklärte sie mit einem Lächeln, das Grübchen auf ihrem eher reizlosen runden Gesicht erschienen ließ.

Henry bedankte sich, doch dann wickelte er den kleinen Gesellen schnell aus und steckte ihn sich in den Mund. Das durfte er zu Hause nur bei Plätzchen, die nichts geworden waren. Die anderen kamen auf die bunten Teller oder waren wie die Lebkuchenbauwerke zuerst einmal nur Dekoration. Bis man die essen durfte, waren sie hart, zäh und ohne Geschmack.

Das Cafe war weihnachtlich geschmückt, nicht übertrieben, nur eine Girlande über der Tür, auf der Fensterbank blühten Weihnachtssterne in leuchtendem Rot und auf der Theke stand eine Weihnachtsmannfigur mit einer Kerze in der Hand.

Eigentlich war es recht gemütlich, doch Henry konnte nichts Weihnachtliches mehr sehen, also zahlte er, gab ein großzügiges Trinkgeld und setzte sich wieder in sein Auto.

Ziellos fuhr er durch die Gegend, er hatte die Landstraße gewählt, hier begegneten ihm kaum Autos und keinerlei Weihnachtsschmuck. Sein knurrender Magen erinnerte ihn daran, dass er außer einer Tasse Kaffee und dem kleinen Schoko-Nikolaus noch nichts zu sich genommen hatte. Im Handschuhfach fand er bloß eine angefangene Packung Pfefferminzbonbons, also beschloss er, eine Tankstelle anzufahren. Wenn er sich recht erinnerte, musste keine zwei Kilometer weiter eine sein.

Sein Gedächtnis hatte ihn nicht im Stich gelassen, hinter der nächsten Kreuzung sah er die Zapfsäulen. Nur ein einziges Auto stand dort, die Motorhaube geöffnet und ein Mechaniker darüber gebeugt.

Henry parkte und betrat die Tankstelle. Hier deuteten bloß die Plätzchenpackungen in den Regalen auf Weihnachten hin. Hinter dem Glas der Theke lagen belegte Brötchen, außerdem wies ein Schild darauf hin, dass es ab 15 Uhr heißen Apfelstrudel gab.

Henry kaufte sich ein Käsebrötchen und nahm eine Tasse Milchkaffee. So beladen setzte er sich an einen der Tische. Außer ihm war eine Frau dort, starrte in den Kaffeebecher, den sie mit beiden Händen umklammert hielt. Henry erkannte sie, sie wohnte nur drei Häuser weiter, Langer hieß sie, wie war noch gleich der Vorname? Ach ja, Caroline. Sie gehörte zu den Leuten aus seiner Straße, mit denen er immer, wenn er sie traf, einige belanglose Worte wechselte. Eine Bekannte eben. "Hallo", sagte Henry.

Caroline Langer sah auf, musterte ihn einige Sekunden, dann zeigte sich Erkennen in ihrem Blick. "Hallo. Auch noch unterwegs?" "So ein wenig. Ist so schönes Wetter gewesen, jedenfalls heute Morgen." Durch die Glasscheiben konnte Henry die feinen Schneeflocken sehen, die in schnellem Strom zur Erde fielen. Es dämmerte bereits, doch die aufgetürmten grauen Wolken waren noch gut zu erkennen.

"Ich wollte noch ein Geschenk für meinen Sohn abholen. Eine Autorennbahn, die wünscht er sich schon so lange. Heute Morgen kam dann der Anruf vom Laden, dass sie endlich eingetroffen sei. Ich bin natürlich sofort losgefahren, die Autorennbahn war da, doch dann fing mein Wagen plötzlich an zu streiken, ich hab's gerade noch bis hierher geschafft." Henry fiel der Mechaniker ein, den er bei seiner Ankunft draußen gesehen hatte. "Bestimmt findet sich der Schaden schnell." "Das habe ich vor zwei Stunden auch noch gedacht." Sie fuhr sich mit einer Hand durch das nach vorne gefallene lange braune Haar. "Meine Familie fragt sich sicher schon, wo ich bleibe." "Rufen Sie sie doch an", schlug Henry vor.

Caroline schüttelte den Kopf. "Dann ist es doch keine Überraschung mehr. Wobei ich wohl wirklich nicht mehr lange warten kann, meine Eltern wollten uns besuchen, sicher sind sie schon da. Wenn sie erfahren, dass ich hier stehe, werden sie mich sicher abholen wollen, doch ich möchte nicht, dass sie bei dem Wetter noch fahren, da warte ich lieber." Mitleid und ein unbestimmtes Gefühl von Scham regten sich in Henry, er wollte möglichst weit von zu Hause weg sein und diese Frau wünschte sich nichts sehnlicher als zu ihrer Familie zu kommen. Fieberhaft überlegte er, wie er ihr helfen konnte. "Ich fahre Sie, ich wohn doch nur drei Häuser weiter." "Aber mein Auto ..." Henry war schon aufgestanden. "Wir fragen einfach den Mechaniker, ob er die Kiste in der nächsten Viertelstunde zum Laufen kriegt, wenn ja, ist ja alles in Ordnung, ansonsten holen Sie Ihr Auto eben morgen ab, das ist doch sicher kein Problem." Zögernd folgte Caroline ihm nach draußen. Wie feine Nadelstiche schlug der Schneeregen ihr ins Gesicht und sie zog ihren Mantelkragen hoch. Da stand ihr Auto, Motorhaube offen und keinen Ton von sich gebend.

Henry sprach mit dem Mechaniker, trat dann zu ihr. "Also, das wird dauern, Ihren Wagen flott zu kriegen, ist wohl was mit dem Motor meint er. Mein Angebot steht, also fahren Sie mit mir?" "Sehr gern." Caroline holte die bereits in buntes Geschenkpapier gepackte Autorennbahn aus ihrem Auto und verfrachtete sie mit Henrys Hilfe auf den Rücksitz seines Wagens.

"Wollen Sie zu Hause anrufen? Ich habe ein Handy dabei. Es wird sicher noch dauern, bis wir da sind, die Straßen sind ziemlich dicht." "Noch nicht", lehnte sie ab und schnallte sich an. "Ich bin nur froh, dass ich schon gestern alles vorbereitet habe, sogar der Baum ist geschmückt. Meine Kinder haben so viele zauberhafte Sachen gebastelt." "Meine auch", bemerkte Henry mit einem Seufzen und dachte an das Mobile über der Tür zum Wintergarten. Und den Pappmacheschneemann, die Lebkuchenhäuser, die Fensterbilder aus Tonpapier.

"Es ist einfach wundervoll, wie viel Mühe sie sich geben, sogar meine jüngste hat aus Filz einen bunten Stiefel gebastelt. Und mein ältester, der ja eigentlich mit Weihnachten nichts am Hut hat, bleibt zu Hause und hat gestern die Lichterketten kontrolliert, dabei die fehlerhaften Birnen ausgetauscht. Er ist extra noch mal zum Baumarkt gegangen, mir zuliebe, weil ich die Lichter so gerne habe." "Bei uns ist alles weihnachtlich", sagte Henry grimmig. "Überall, in jedem Zimmer, selbst im Bad." "Ich habe im Vorbeigehen gesehen, wie wunderschön Ihre Fenster geschmückt sind, das muss ja wahnsinnig viel Arbeit gewesen sein." "Hat alles meine Frau gemacht, mit den Mädchen. Mein Sohn hat damit nichts am Hut, er will sogar nach der Bescherung in die Disco, ist irgend so eine Party im Jugendhaus." "Davon habe ich gehört, da wollte mein Ältester auch hin. Aber ich weiß noch nicht, ob ich es ihm erlaube, schließlich ist Weihnachten ein Familienfest und da sollten auch alle zusammen sein." "Vielleicht tut es ihm ganz gut, für ein paar Stunden seine Freunde zu treffen", bemerkte Henry vorsichtig.

"Meinen Sie? Nun, wenn Ihr Sohn auch hingeht, könnte meiner eigentlich auch, Sie haben schon recht, für die Kinder sind solche Familientreffen eher langweilig, sie wollen lieber mit ihren Geschenken spielen oder ihren Freunden alles erzählen." Caroline seufzte. "Ach, was freue ich mich auf die Bescherung. Und wie das ganze Haus duftet." Henry dachte an Zimtkaffee zum Frühstück und eine Woche voller Eiergerichte, da Theresa für die Zuckergüsse so viel Eiweiß gebracht hatte. Und die weihnachtlichen Potpourris, die Duftkerzen und -lampen, deren Aromen ihn so oft zum Niesen reizten und bei denen er immer das Gefühl hatte, die Gerüche bis Ostern nicht mehr aus seiner Nase zu bekommen. "Na ja, so ein wenig ist wohl ganz schön." "Sie sind wohl ein ziemlicher Weihnachtsmuffel." Henry überlegte kurz. "Ich glaube, das trifft zu." "Kaum vorstellbar, jemand, der keinen Gefallen an Weihnachten findet. Es ist doch so herrlich, wie alles geschmückt ist, die ganze Atmosphäre." Schwärmerisch schloss sie die Augen.

"In unserem Haus steht an jeder Ecke etwas, wenn ich reinkomme, begrüßen mich die Fußmatte, diese scheußlich kitschige Tanne mit den blinkenden Augen und ein Plastikweihnachtsmann mit den unterschiedlichsten Weihnachtswünschen - gleichzeitig." Caroline lachte. "Wie süß, man merkt sofort, dass Ihre Familie Weihnachten liebt. Können Sie sich damit nicht abfinden?" "Was glauben Sie, was ich seit Wochen - nein eigentlich schon seit ich verheiratet bin - mache. Nur heute morgen, da wollte ich bloß noch raus. Hab mir das Auto geschnappt und bin losgefahren, einfach so, irgendwohin, wo es nichts Weihnachtliches gibt." "Und nun müssen Sie wegen mir zurück." "Nein, nein", beeilte Henry sich zu sagen. "Ich wollte doch sowieso zurück." Das war eigentlich eine Lüge, doch Caroline schien sie zu glauben. Er hatte nicht genau gewusst, was er noch vorhatte, nur nach Hause hatte er auf keinen Fall zurück gewollt. Doch nun bog er bereits in die Abfahrt ein, die in seine Straße führte. Und verwundert stellte er fest, dass er sich ein ganz klein wenig auf zu Hause freute und dieses Gefühl zunahm, mit jedem Meter, den er fuhr. Carolines Worte hatten einen Denkprozess in Gang gesetzt, er hatte sich nie vor Augen gehalten, wie viel Mühe eigentlich in dem ganzen Weihnachtszauber steckte, den seine Familie veranstaltete. Theresa hatte sicher den ganzen Tag in der Küche gestanden, zur Vorspeise würde sie eine Bouillon servieren, in der Eierstich in weihnachtlichen Formen schwimmen würde.

Und dann ihre hübschen, leuchtenden Augen, wenn sie die Geschenke auspackte. In seinem Nachtschrank hatte er schon seit Wochen dieses kleine dunkelblaue Päckchen, das die Perlenkette enthielt, auf die sie bei ihrem letzten Stadtbummel so verträumt geblickt hatte. Er dachte an die Kinder, wie sie sich freuen würden, wie er sich bei ihren strahlenden Gesichtern freuen würde.

Endlich, da war sein Haus, schon von weitem strahlten die Lichter der Tanne im Vorgarten. Alle Fenster waren hell erleuchtet, nun konnte er die ganzen Basteleien an ihnen noch besser sehen, es sah wunderbar aus, so stimmungsvoll.

Henry parkte, half Caroline mit der Autorennbahn und geleitete sie zu ihrem Haus. Sie lächelte ihn an. "Danke. Und frohe Weihnachten." "Ihnen auch frohe Weihnachten." Henry winkte ihr im Gehen noch zu, dann lief er so schnell es der glatte Bürgersteig - er musste unbedingt streuen, schoss es ihm durch den Kopf - zuließ, zu seinem Haus.

Die Fußmatte sprang an, hinter der Tür der Weihnachtsmann und da er nicht auf den Sensor achtete, stimmte wenige Sekunden später die Tanne in die Weihnachtslieder mit ein. Henry störte es nicht weiter, er hängte seinen Mantel achtlos an einen freien Haken - auch ein winziger Plastiktannenbaum, war ihm bislang gar nicht aufgefallen - und stürmte ins Wohnzimmer.

Theresa sah auf. "Da bist du ja, ich hab mich schon gefragt, wo du bleibst." Henry fiel nichts ein, er setzte sich, begrüßte seine inzwischen eingetroffenen Eltern und ließ sich Bouillon auffüllen, in deren Mitte Sterne schwammen. Er trug noch seine normale Hose, die neue hing oben über dem Stuhl und es war keine Zeit mehr, sich umzuziehen, außerdem wäre sie ihm sowieso viel zu lang. Aber Theresa schien das nicht zu bemerken oder zeigte es zumindest nicht.

Henry strahlte. Eigentlich war Weihnachten ja doch schön.

 

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