Erschreckend laut gellte fürchterliches Gejammer durch den finsteren Nachthimmel. Obwohl niemand erspähen konnte, wer dort so herzzerreizend klagte, wusste ein jeder Stern am Firmament, wem das Herz so voller Schmerz war. Schon seit vielen Nächten hörte man in der Finsternis dieses Weinen.
Es ist schon ziemlich lange her, da trug es sich zu, dass droben am Himmel ein klitzekleiner Stern geboren wurde. Alle anderen Sterne glänzten und funkelten, aber der kleine Stern sah immer schmutzig und dreckig aus. Nie sah man ihn mit den anderen um die Wette strahlen. Und weil er gar so schmutzig aussah, lachten ihn all die anderen Sterne aus. Sie verspotteten ihn wo sie nur konnten und taten dem armen kleinen Stern damit sehr weh. Er wollte wie sie einfach nur von allen bewundert werden, aber so sehr er sich auch anstrengte, er konnte einfach nicht heller strahlen.
Und dann fielen plötzlich die ersten Schneeflocken. Der kleine Stern blickte ihrem Fall verzückt nach. Einzigartige Kristalle, die im fahlen Licht des Mondes so hell schienen, dass die Nacht ein klein wenig zum Tage wurde. Als die anderen Sterne dies sahen, ärgerten sie ihn noch mehr.
"Du wirst niemals so hell, dass sie dich bemerken", meinten sie.
Da ging dem kleinen Stern das Herz vor Kummer so sehr über, dass er bei Einbruch der Dunkelheit zu weinen begann und bis zum Morgen nicht damit aufhörte. Seit Tagen ging das nun schon so. Die anderen Sterne ärgerten sich sehr darüber, denn durch diese Ablenkung schafften sie es nicht, so hell wie sonst am Himmel zu leuchten. Als es eines Nachts ganz schlimm war, schlich sich einer von ihnen zu dem kleinen Stern und schimpfte ihn aus.
"Kannst du mit dem Gejammer nicht endlich aufhören? Ich habe bald keine Kraft mehr zu strahlen, wenn ich nicht endlich Ruhe habe!", sprach er und verschwand wieder im Lichtermeer.
Da schämte sich der kleine Stern noch mehr. Geknickt verkroch er sich hinter einer Wolke, die gerade vorbeizog.
"Wer bist du denn?", fragte die Wolke und verzog vor Ekel das Gesicht.
"Ich bin ein Stern", sagte dieser daraufhin traurig.
"Das glaubst du doch wohl nicht wirklich. So ein dreckiger kleiner Kerl wie du kann unmöglich ein Stern sein", meinte sie und verschwand eiligst.
Der kleine Stern aber, ließ seine Strahlen hängen und stieg hinab zur Erde. Wenn ihn am Himmel nicht einmal die Wolke mochte, wollte er dort oben einfach nicht länger bleiben. Er wollte sich auf der Erde verstecken, die noch immer in tiefer Dunkelheit lag.
Dort, dort in dem kleinen Wäldchen würde ihn mit Sicherheit niemand finden. Und wenn ihn niemand fand, dann konnte ihm auch niemand mehr mit seinem Spott wehtun. Er schlängelte dich zwischen den Baumkronen geräuschlos durch, um auch ja niemanden zu stören. Dann spürte er plötzlich einen starken Windzug an sich vorbeihuschen. Es hätte nicht viel gefehlt und er wäre mit einer Eule zusammengestoßen.
"Kannst du nicht aufpassen?", rief sie erbost, weil ihre Beute entwischen konnte. "Was willst du überhaupt hier?"
"Verzeihung", stammelte der kleine Stern und huschte schnell weiter. Die Bäume rings um ihn herum schauten ihn herablassend an. Das Leuchten des Sternes wurde immer schwächer, denn er schämte sich so sehr, dass sie ihn doch bemerkt hatten.
"Seht euch nur diesen schmutzigen Kerl an."
"Was glaubt er hier zu finden?"
"Soll er doch nach Hause gehen, dorthin wo er hingehört!"
So tönte es von allen Seiten. Tief verletz ließ der kleine Stern den Kopf hängen und flog weiter. Nur weg von hier.
Ohne sich weiter um zu sehen, setzte er seinen Weg fort, bis er auf eine kleine unheimliche Lichtung stieß. Hierher würde sicher niemand kommen.
"Hey, wer bist du denn?", erklang es auf einmal aus der Dunkelheit.
"Meinst du mich?", fragte der Stern erstaunt.
"Ja, siehst du denn außer uns zwei noch jemanden hier?"
"Nein", meinte der Stern und sah sich dennoch unsicher um. "Aber, ich sehe dich auch nicht! Wo bist du?"
"Ich bin dieses komische Gestrüpp, mit den leeren Zweigen und dem krummen Buckel", antwortete ihm die Stimme.
Da hob der Stern seinen Kopf und blickte hinauf. In der fahlen Dunkelheit konnte er kaum etwas erkennen. Klar, da stand wer. Es hatte ein wenig Ähnlichkeit mit einem Ungeheuer. Zögerlich ging der Stern auf die Stimme zu. Als er näher kam, stand eine mickrige Tanne vor ihm im Mondlicht. Gespenstisch wirkte sie hier in der kalten Umgebung und mit den wenigen Zweigen, die wie monströse Arme von ihm wegragten. Der kleine Stern hatte aber keine Angst, denn zwei gewitzte traurige Augen blickten ihn aus dem kahlen Dickicht an.
"Na, wer bist du?", fragte die Tanne erneut.
"Ich bin ein Stern", gab er zögerlich Antwort.
"Möchtest du dich nicht zu mir gesellen? Ich bin immer so allein. Da ich so hässlich bin, will niemand etwas mit mir zu tun haben. Die Tier machen einen großen Bogen um mich und die Menschen lachen nur, wenn sie mich sehen."
"Menschen?", fragte der Stern.
"Ja, sie kommen in den letzten Tagen immer mal wieder in den Wald, um sich einen Baum zu holen. Sie schmücken ihn für Weihnachten."
"Davon hab ich noch nie etwas gehört. Erzählst du mir mehr davon?"
"Ja. Komm setz dich zu mir, damit ich nicht so schreien muss."
Beschwingt machte der kleine Stern einen großen Satz und setzte sich der Tanne auf die Spitze. Hier lauschte er, was sie ihm über die Menschen zu berichten hatte. Voll bunter Bilder schlief er irgendwann ein.
"Pssst", raunte es in seine Träume. Verschlafen öffnete er die Augen und sah eine runzelige Gestalt, die ihn betrachtete.
"Was ist das?", fragte er flüsternd die Tanne.
"Ein Mensch!"
Sofort war der kleine Stern hell wach. Zwei schwache Arme rüttelten und zupften an der Tanne. Dann klatschte das alte Mütterlein plötzlich in die Hände und machte ein Tänzchen um sie herum.
Kopfschüttelnd schauten die Tanne und der Stern ihr dabei zu.
"Endlich", rief das Mütterlein. "Endlich, hab ich einen Baum für mich gefunden. Ihr seht wirklich wunderschön aus. So einen schönen Baum hat sicher niemand zu Haus", sprach es und begann die kleine Tanne auszugraben.
Ängstlich klammerte sich der Stern an den dürren Ästen fest.
"Hast du gehört? Sie findet uns wunderschön!"
"Das kann sie nicht ernst meinen", zweifelte der Stern.
Während das Mütterlein die Tanne ausgrub, klatschte sie noch mehrmals vor Freude in die Hände. Dabei wiederholte sie, dass niemand außer ihr so einen wunderschönen Baum haben würde.
Langsam begannen die zwei zu verstehen, dass sie es ehrlich meinen könnte.
Ihre schwachen Arme brauchten lange, um die Wurzeln zu befreien, dann setzte sie die Tanne auf einen kleinen Handwagen und zog ihn zu sich heim. Die Menschen die dem Mütterlein begegneten, schauten mitleidig auf diesen mickrigen Baum und schüttelten nur verständnislos den Kopf, als sie sahen, wie sehr sich die Alte darüber freute.
Ihr Weg war lang, denn immer wieder mussten sie eine Pause einlegen. Das Mütterlein hatte einfach nicht mehr so viel Kraft und konnte den Wagen nur langsam ziehen. Um es ihr leichter zu machen, warf die Tanne noch einige vertrocknete Äste und Nadeln ab. Auch der Stern versuchte sich so leicht wie möglich zu machen, damit sie es einfacher hatte. Mit den letzten Strahlen der Morgensonne erreichten sie das Haus des Mütterleins. Ein heruntergekommenes Häuschen, mit schief hängenden Fensterläden und einem kaputten Zaun. Die Farbe blätterte von den Wänden und im Dach klaffte ein großes Loch.
Mühsam brachte das Mütterlein die Tanne hinein. Erstaunt blieben den beiden die Münder offen stehen, denn im Inneren war dieses Haus das reinste Paradies. Es strahlte vor Wärme. Im Ofen knisterte ein kleines Feuer, Gebäck und Brot stand in großen Körben in der Küche.
Verzückt blickte sie die Tanne an und meinte: "So ein schönes Bäumchen hat niemand. Und auch noch mit einem wunderschönen Stern obenauf. Da brauche ich ja gar keinen Schmuck mehr."
Mit stolzer Brust richtete sich die Tanne ein klein wenig auf und der Stern versuchte sein strahlendstes Lächeln hervorzuzaubern. Das Mütterlein aber lief und holte goldene Kugel, weiße Kerzen und silberne Fäden, mit denen sie den Baum schmücken konnte. Bald erstrahlte die Tanne im Festtagskleide. Und weil sie nur so wenige Äste und Zweige hatte, kamen all die Kostbarkeiten so sehr zur Geltung. Da sah auch der Stern, wie schön die Tanne auf einmal war. Um sie noch etwas schöner aussehen zu lassen, strahlte der kleine schmutzige Stern noch etwas mehr.
Am nächsten Abend aber kamen viele Leute zu dem alten Mütterlein. Sie brachten kleine Gaben, weil sie glaubten, die Alte würde zu Weihnachten nichts haben, denn wer in so einem Haus lebte, konnte nicht reich sein. Als sie das Bäumchen erblickten und das Mütterlein ihnen ihr Gebäck und Brot darbot, schämten sie sich.
"Welch ein wunderschöner Baum", tönte es aus aller Munde.
"Und was für ein Sternenglanz der ihn umgibt", riefen wieder andere.
Die Tanne und der kleine Stern aber waren stolz. Und weil sie so stolz waren, richtete die Tanne sich immer mehr auf, so dass sie letzten Endes ganz gerade da stand. Der kleine Stern aber, der niemals richtig hell scheinen wollte, vergaß all seinen Kummer und erleuchtete das ganze Haus mit seinem Licht. Einem Licht, das auch die Sterne am Himmel noch sehen konnten. Vor Neid gingen sie an diesem Abend früh zu Bett.
Seit jenem Weihnachtstag wünschten sich alle Menschen, ebenso einen Stern auf ihrem Weihnachtsbaum zu haben. Einen Stern, der so hell strahlt, dass er alle Sorgen vergessen lässt und die wahre Schönheit der Dinge zu Tage fördert.
Das alte Mütterlein aber pflanzte die Tanne am nächsten Morgen in ihren Garten und holte sie in den Jahren darauf immer wieder in ihre Stube. Genauso tat sie es auch mit den Leuten, die sie immer wieder in ihre Stube einlud. Dann erzählte sie ihnen von der wahren Weihnacht und warum gerade dieser Baum für sie so vollkommen gewesen ist, dass sie ihn mit samt den Wurzeln zu sich heimgeholt hatte. Sie lauschten ihr andächtig und genossen dabei Brot und Gebäck, welches sie ihnen darbot.
Ein jeder von ihnen, der zur Weihnacht nun auch seinen Baum mit einem Stern schmückte, erzählte fortan seinen Kindern, was es mit Weihnachten auf sich hatte.
Und so strahlen noch heute die Sterne von den mickrigen Tannen und verzücken die Menschen mit ihrer unbeschreiblichen Schönheit.