Halb erfroren tastete ich mich durch den Schnee. Doch nun war ich so erschöpft, dass ich mich in die weiße Masse fallen ließ. Ich dachte noch mal über alles nach, was ich erlebt hatte:
Vor ein paar Tagen hatte ich zwei Ganoven beobachtet, die mit Pistolen in der Hand in eine Bank eingebrochen waren. Ich hatte sie erkannt, dachte aber, dass sie mich nicht gesehen hatten. Doch falsch gedacht! Gestern standen sie dann plötzlich vor meiner Tür. Ich erschrak, wollte die Polizei rufen. Doch das konnte ich nicht, denn die beiden Männer zerrten mich aus meiner Wohnung und verschleppten mich. Sie brachten mich zu ihrem Versteck und überlegten dort, was sie mit mir machen wollten. Nach einer ungemütlichen Nacht fuhren sie mich dann heute mit dem Auto weg, eine lange Strecke. Bis sie schließlich an ihrem Ziel waren- einer verlassenen, schneebedeckten Berglandschaft. Sie schubsten mich aus dem Auto. Gefesselt war ich nicht, da ich gegen die beiden riesigen Muskelprotze eh keine Chance hatte. Plötzlich kam einer mit einem Messer auf mich zu. Ich erschrak. Sie wollten mich umbringen! Was sollte ich tun? Einen Ausweg gab es nicht, direkt neben mir ging es steil den Berg hinunter. Doch die blinkende Messerspitze kam immer näher. Da ich keinen anderen Ausweg sah, stürzte ich mich den Berg herunter.
Diese Entscheidung bereute ich nun ein wenig. Denn ich wäre lieber gestorben, als erbärmlich zu erfrieren. Doch jetzt hatte ich keine andere Wahl mehr. Ich schleppte mich mit ein paar Wunden, schmerzenden Knochen, zerfetzten, nassen Sachen durch den Schnee, so, wie ich es schon stundenlang tat. Doch langsam verlor ich die Hoffnung. Denn es war der 24.12 - Heiligabend. Und da waren um diese Uhrzeit alle in ihrem warmen Zuhause - nur ich nicht. Aber vielleicht würde ja genau deswegen, weil heute Heiligabend war, ein Wunder geschehen. Na ja, das hatte ich jedenfalls mal geglaubt. Jetzt nicht mehr. Diese Lage war einfach so aussichtslos, dass selbst der beste Optimist aufgegeben hätte.
Doch plötzlich kam ein winzigkleiner Funken Hoffnung zurück und ich richtete mich unter Schmerzen auf. Mit müden Augen sah ich mich um. War das dahinten nicht ein Licht? Ja, ich war mir ganz sicher. Und umso näher ich diesem Licht kam, desto größer wurde meine Hoffnung auf Rettung. Doch dieses Strahlen wirkte noch so unendlich weit entfernt. Ich konnte schon gar nicht mehr laufen und so robbte ich mich weiter. Ich wunderte mich, wo ich auf einmal diese Kraft hernahm. Als ich dort so im Schnee gelegen hatte, hatte ich gedacht, alles wäre vorbei. Aber jetzt? Jetzt kämpfte ich mich immer weiter vor. Meine Hände und meine Lippen waren schon ganz blau. Doch das war mir nun egal. Meter für Meter kam ich weiter voran. Bis ich endlich erkennen konnte, was dieses wundervolle Licht ausstrahlte: eine kleine, niedliche, schneebedeckte Kapelle- meine Rettung! Und so schleppte ich mich Schleifspuren hinterlassend bis zum Eingang der Kapelle. Ich war so glücklich! Mit zitternden Händen öffnete ich die Tür. Das Wunder wurde doch wahr! Ich kroch in die Kapelle, in der es wenigstens etwas wärmer war als draußen. Neben einer Kerze ließ ich mich nieder. Das rötliche Licht schien auf mein schneeweißes Gesicht mit dem gefährlich bläulichen Schimmer. Meine Hände umklammerten den Stiel, spürten den heißen Wachs, der auf sie herabtropfte nicht, nicht mehr. Denn langsam verschwamm alles. Während ich noch in die kleine rote Flamme starrte, fielen meine Augen erschöpft aber glücklich zu.