Am Sonntag morgen lag der Wind hinter der Hecke. Daneben saß eine Maus und leckte ihre Pfötchen.
„Wie du seufzest, Wind,“ sagte die Maus.
„Muß ich nicht seufzen?“ erwiderte der Wind. „Es gibt auf der ganzen Welt kein Wesen, das so unglücklich ist, wie ich.“
„Du übertreibst wohl!“ sagte die Maus. „Ja[S. 273] ... ich kenne dich ja nicht näher. Ich bin nur klein und halte mich an die Erde, so daß du meistenteils über meinem Kopfe dahinfährst. Aber neulich hab ich jemand in anderm Tone von dir sprechen hören.“
„Hat man mir etwas Gutes nachgesagt?“ fragte der Wind. „Wer war es? Geschwind, erzähle!“
„Der Dichter war es,“ sagte die Maus. „Hier hat er mit seiner Liebsten gesessen und ihr Verse vorgelesen, die er über dich verfaßt hatte.“
„Ach, der Dichter,“ sagte der Wind mißmutig. „Was hat in den Versen gestanden?“
„Daß du lind und mild wärest, und daß du ihre Wange umfächeltest und mit ihren Locken spieltest,“ sagte die Maus.
„Gewiß,“ sagte der Wind. „Und neulich hat er geschimpft, weil ich seine Nase blau gefärbt und ihm die Frisur in Unordnung gebracht habe.“
„Es stand auch etwas davon in den Versen, wie schön und stolz du bist, wenn du in all deiner Macht übers Meer braust,“ fuhr die Maus fort. „Er sagte, er kenne nichts Herrlicheres, als wenn du die Wogen peitschst und sie emporschäumen läßt.“
„Vorgestern hat er gesegelt,“ sagte der Wind. „Dabei ist er seekrank geworden und hat mich elendiglich gescholten und verunglimpft. Nein, er ist um kein Haar besser, als die andern.“
„Ja, wenn sie alle so zornig auf dich sind, so muß doch wohl etwas mit dir nicht in Ordnung sein,“ meinte die Maus.
„Ach Gott, ach Gott!“ stöhnte der Wind.
Und er fuhr fort, zu seufzen und zu jammern, so daß es jämmerlich anzuhören war.
„Vertrau’ dich mir an!“ sagte die Maus. „Das erleichtert immer ein bißchen. Und ich stehe, wie gesagt, außerhalb des Ganzen. Mir hast du niemals Böses oder Gutes erwiesen.“