Der Zweifüßler zog mit seiner Herde von Wiese zu Wiese.
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Sie wuchs Jahr für Jahr, ebenso die Familie. Frau Zweifüßler hatte ihrem Manne jetzt sieben Söhne und sieben Töchter geboren, die alle gut gediehen und im Haushalt und bei der Herde halfen.
Und die Tiere gewöhnten sich daran, im Dienste des Zweifüßlers zu stehen, und waren zufrieden und guter Dinge.
Das Pferd trug den Zweifüßler, wenn er auf der Jagd war, oder ging Schritt für Schritt neben ihm, wenn er das Zelt abbrach und zu neuen Weideplätzen wanderte. Es kam herbei, wenn er rief; und weder das Pferd noch eins der andern Tiere dachte im Ernste daran, fortzulaufen, so daß es für Treu nicht schwer war, sie zu hüten.
Allerdings kam es ja vor, daß die Freiheitslust in ihnen erwachte. Besonders wenn sie ins Gespräch mit den wilden Tieren kamen. Aber die Lust verging ihnen wieder.
Eines Nachts in der Regenzeit kam der Hirsch zu dem Zelt, das der Zweifüßler zum Schutz für seine Tiere errichtet hatte.
„Ihr seid in guter Hut,“ sagte der Hirsch und schaute mißgünstig zu ihnen hinüber.
„Freilich!“ erwiderte das Schaf. „Es ist gemütlicher als in alten Tagen, wo man unter einem Baum stand und trotzdem plätschnaß wurde.“
„Das stimmt!“ sagte das Rind. „Und auch in der trockenen Zeit ist es recht angenehm, weil der Zweifüßler uns gutes Futter gibt, das er für uns[S. 57] gesammelt hat, während wir früher das Land nach einem Grashalm durchsuchen mußten.“
„Ich meinte im Gegenteil, ihr selbst müßtet euch abrackern,“ entgegnete der Hirsch. „Ich habe es ja mit angesehen, wie ihr für euern Herrn arbeiten und schuften müßt.“
„Man bekommt in diesem Leben nichts ohne Gegenleistung,“ erklärte darauf das Pferd. „Übrigens leugne ich gar nicht, daß meine Ahnungen in Erfüllung gegangen sind. Meine Lenden tun mir gehörig weh von der Arbeit des heutigen Tages.“
„Mir geht es nicht anders,“ fiel die Kuh ein. Und die Ente, die Gans und das Huhn stimmten gleichfalls mit ein. Nur das Schaf schüttelte den dicken Kopf, während es munter wiederkäute.