„Guten Abend!“ sagte der Sandmann, und Hjalmar nickte, drehte aber gleich des Urgroßvaters Portrait gegen die Wand um, damit es nicht wie gestern mitsprechen könnte.
„Nun mußt du mir Geschichten erzählen: von den fünf grünen Erbsen, die in einer Schote wohnten, von Hahnenfuß, der Hennenfuß den Hof machte, und von der Stopfnadel, deren Spitze so fein war, daß sie sich einbildete, eine Nähnadel zu sein!“
„Man kann auch des Guten zuviel bekommen!“ sagte der Sandmann. „Ich zeige dir am liebsten etwas, wie du weißt! Ich will dir meinen Bruder zeigen, aber der kommt zu niemand öfter als einmal. Tritt er zu jemand heran, so nimmt er ihn mit auf sein Pferd und erzählt ihm Geschichten. Er weiß nur zwei, die eine ist so unvergleichlich schön, wie sich niemand in der Welt vorstellen kann; und die andere ist über alle Beschreibung häßlich und abscheulich!“ Darauf hob der Sandmann den kleinen Hjalmar zum Fenster empor und sagte: „Dort wirst du meinen Bruder sehen, welchen sie auch den Tod nennen. Siehst du, sein Rock ist mit Silberstickerei verziert, er trägt eine stattliche Husarenuniform; ein Mantel von schwarzem Sammet flattert bis über das Pferd hinaus! Sieh, wie er im Galopp dahinjagt!“
Und Hjalmar sah, wie der Tod vorwärts eilte und junge wie alte Leute auf sein Pferd nahm; einige setzte er vorn, andere hinten auf, aber immer fragte er erst: „Wie steht es mit dem Censurbuche?“ — „Gut!“ sagten sie sämtlich. — „Ja, laß mich nur selbst sehen!“ erwiderte er, und dann mußten sie ihm das Buch zeigen. Alle nun, die „Sehr gut“ und „Ausgezeichnet“ hatten, kamen vorn auf das Pferd und ihnen erzählte er die herrliche Geschichte; doch diejenigen, welche „Ziemlich gut“ und „Mittelmäßig“ hatten, mußten hinten auf und die häßliche Geschichte mit anhören. Sie schauderten und weinten, sie wollten vom Pferde springen, vermochten es aber nicht, denn sie waren sofort fest an demselben angewachsen.
„Das ist aber der herrlichste Sandmann!“ sagte Hjalmar, „vor dem fürchte ich mich nicht!“
„Das sollst du auch nicht!“ sagte das Männchen. „Sorge nur dafür, daß du ein gutes Sittenzeugnis erhältst!“ —