Der Mond erzählte: »An dem Waldwege liegen zwei Bauernhäuser; die Tür ist niedrig, die Fenster sitzen bald oben, bald unten, aber ringsum wachsen Weißdorn und Berberitzen; das Dach ist bemoost und mit gelben Blumen und Hauslaub bewachsen; es ist nur Grünkohl und Kartoffeln in dem kleinen Garten, aber an der Hecke wächst ein Fliederbaum und unter diesem saß ein kleines Mädchen; sie heftete ihre braunen Augen auf die alte Eiche, die zwischen den Häusern stand. Dieser Baum hat einen hohen, morschen Stamm, der oben abgesägt ist, und wo der Storch sein Nest gebaut hat; er stand just oben und klapperte mit dem Schnabel. Ein kleiner Knabe kam heraus; er stellte sich neben das Mädchen, es waren Bruder und Schwester. ›Wonach siehst du?‹ fragte er. – ›Ich sehe nach dem Storche,‹ sagte sie, ›die Nachbarsfrau hat mir vertraut, daß er uns heute abend ein kleines Brüderchen oder Schwesterchen bringt; nun will ich acht auf sie haben, wenn sie kommen!‹ – ›Der Storch bringt keines!‹ sagte der Knabe. ›Du kannst mir glauben; die Nachbarsfrau hat es mir auch erzählt, aber sie lachte, als sie es sagte, und da fragte ich sie, ob sie so wahr Gott lebt darauf sagen könne! Das konnte sie nicht und daher weiß ich, daß die Geschichte mit dem Storch nur etwas ist, was man uns Kindern weismacht.‹ – ›Aber woher sollte dann das kleine Kind kommen?‹ fragte das Mädchen. – ›Dies bringt unser Herrgott!‹ sagte der Knabe. ›Gott trägt es unter seinem Mantel, aber kein Mensch kann Gott sehen und deshalb können wir auch nicht sehen, wenn er es bringt!‹ Im selben Augenblick rauschte es in den Zweigen des Fliederbaums, die Kinder falteten ihre Hände und sahen einander an; es war gewiß Gott, der mit dem Kleinen kam. Und sie faßten einander bei der Hand; die Tür des Hauses ging auf; es war die Nachbarsfrau: ›Kommt jetzt herein,‹ sagte sie, ›seht, was der Storch gebracht hat, es ist ein kleines Brüderlein!‹ Und die Kinder nickten; sie wußten ja schon, daß es gekommen war.