Am Samstagnachmittag legten die Harpers und Tante Pollys Familie unter Schluchzen Trauerkleidung an. Eine bedrückende Stille lag über St. Petersburg. Nachdenklich gingen die Bewohner ihren Geschäften nach.
Becky Thatcher lief verzweifelt auf dem verlassenen Schulhof herum. Es gab nichts was sie trösten könnte. Leise sprach sie vor sich hin: "Ach, wenn ich nur seinen Messingknopf wiederhätte! So habe ich kein Andenken, was mich an ihn erinnert." Sie schluchzte. In Gedanken durchlebte sie wieder die ablehnende Szene… Aber jetzt war es zu spät. Er war tot und sie würde ihn nie mehr wieder sehen. Dieser Gedanke brach ihr fast das Herz und dicke Tränen kullerten über ihre Wangen.
Dann kam eine Gruppe von Mädchen und Jungen am Schulgelände vorbei, die sich darüber unterhielten, was Tom und Joe alles gemacht hatten. Einer prahlte sogar: "Mich hat Tom Sawyer sogar einmal verprügelt!" Erinnerungen austauschend ging die Gruppe langsam weiter.
Nachdem am nächsten Morgen die Sonntagsschule beendet war, wurden feierlich die Totenglocken geläutet. Im Ort herrschte eine unheimliche Ruhe und der klagende Ton der Glocken unterstrich noch die Stimmung.
Jetzt strömten die Menschen auf die Kirche zu. Schon lange war das kleine Gotteshaus nicht mehr so voll gewesen. Im Vorraum flüsterten die Menschen noch leise, in der Kirche selbst unterbrach nur das Rascheln der Trauerkleider die beklemmende Stille.
Als Tante Polly erschien, gefolgt von Sid und Mary und der Harper-Familie entstand eine angespannte Pause. Die Leidtragenden waren tiefschwarz gekleidet, so wie es der Tradition entsprach. Achtungsvoll erhob sich die ganze Gemeinde und alle warteten, bis die Trauernden in der ersten Reihe Platz genommen hatten.
Mit einem gemeinsamen Gebet begann der Gottesdienst. Dann sangen alle einen ergreifenden Choral und es folgte die Predigt.
Der Geistliche stieg auf die Kanzel und schilderte in den leuchtendsten Farben die viel versprechenden Gaben der Verstorbenen. Von vielen rühmenden Einzelheiten war die Rede, die deren edle, großzügige Natur und das freundliche Wesen so richtig zur Geltung brachten. Jetzt erst begriffen die Leute, wie außergewöhnlich, wie großartig das Verhalten der Jungen gewesen war. Vielen schlug dabei das Gewissen, denn sie hätten die Jungen damals mit Wonne dafür verprügelt. Je länger der rührselige Bericht dauerte, desto ergriffener wurde die Gemeinde. Am Ende schluchzte die ganze Versammlung wie ein großer Chor. Selbst der Pfarrer vergoss auf der Kanzel bittere Tränen.
Auf der Empore war ein leises Knarren zu hören, auf das niemand achtete. Als der Geistliche seinen tränenfeuchten Blick über das Taschentuch erhob, erstarrte er.
Wie auf Kommando erhob sich die gesamte Gemeinde und stierte entgeistert auf die drei toten Jungen, die den Mittelgang heraufkamen. Vorne schritt Tom, dann folgte Joe und als Letzter kam Huck. Die drei Freunde hatten sich auf der Empore versteckt und ihre eigene Totenmesse belauscht.
Tante Polly, Mary und die Harpers stürzten sich auf die wieder Auferstandenen. Sie drückten sie an sich, überhäuften sie mit Küssen und schickten Dankesworte gen Himmel. Der arme Huckleberry stand verlegen daneben. Er wollte sich gerade davonschleichen, da packte ihn Tom und sagte: "Tante Polly, das ist ungerecht! Irgendjemand muss sich auch freuen, dass Huck wieder da ist!"
"Aber gewiss!", rief die Tante überschwänglich und drückte Huck mit herzlicher Zärtlichkeit an sich. Nun fühlte er sich noch weniger wohl als vorher.
Plötzlich ertönte die kräftige Stimme des Pfarrers: "Der Herr hat uns seine Gnade gezeigt - lasst uns ein Loblied singen und legt die ganze Freude eurer Herzen in dieses Danklied."
Und das taten sie. Aus allen Kehlen stieg das alte Lied "Lobet den Herrn" wie ein Triumphgesang zum Himmel. Tom genoss währenddessen die neiderfüllten Blicke seiner alten Kameraden. Er wusste, dass dies der großartigste Augenblick seines Lebens war.
An diesem Tag wurde Tom mehr geküsst und gepufft - ja nach Stimmungslage seiner Tante - als sonst in einem ganzen Jahr. Und er genoss diese Liebe und Dankbarkeit.