Diese Vorfälle sowie die Absendung einer Schaluppe, welche allerhand Kisten und Koffer für die Gefangenen enthielt, hatten unsre Abfahrt so weit verzögert, daß die Sonne bereits hoch über dem Horizont stand, als wir die Anker lichteten. Beim Scheiden von meiner Insel hatte ich zum Andenken meine große Mütze von Ziegenfell, meinen Sonnenschirm, meinen Lieblingspapagei sowie meinen Hund mit mir genommen; aber auch das Geld, welches ich auf unserm und dem spanischen Schiffe gefunden, nicht vergessen. Es war, da es lange Jahre unberührt in einem Winkel des Kellers gelegen hatte, so schwarz und unkenntlich geworden, daß es erst wieder blank gerieben werden mußte, um als gangbare Münze in Umlauf gesetzt zu werden. Freitag, der seinen Vater nicht wiedergesehen hatte, schaute unverwandt vom Verdeck aus nach der Insel zurück, und Thränen standen in seinen Augen. Auch ich wurde von tiefer Wehmut ergriffen, als die letzten Bergesgipfel in die blauen Wogen der See hinabtauchten.
Unsre Reise ging so schnell und glücklich von statten, daß wir am 11. Juni 1687 an Englands Küste landeten. Nicht durch Worte lassen sich die Gefühle schildern, mit denen ich nach 35jähriger Abwesenheit zum erstenmal wieder die heimatlichen Fluren begrüßte. Wie fremd kam ich mir in dieser Welt, unter diesen Menschen vor; war es mir doch, als hätte ich niemals dieses Inselland gekannt! Noch seltsamer und staunenswerter aber fand Freitag die Wunder meiner Heimat: in den Häfen den mastenreichen Wald der Schiffe, die langen Straßen mit den hohen steinernen Häusern, das unübersehbare Gewühl und das geschäftige Treiben der Bewohner.
Ohne Verzug eilten wir der Weltstadt London zu. Dort erkundigte ich mich zuerst nach der Witwe, der ich mein kleines Vermögen anvertraut hatte. Sie war noch am Leben, aber zum zweitenmal Witwe geworden, hatte manches Ungemach erlebt und befand sich in den drückendsten Vermögensumständen. Das Geständnis, die anvertraute Summe mir nicht zurückerstatten zu können, war für sie so niederschlagend, daß mich die arme brave Frau in tiefster Seele dauerte. Ich suchte sie über diesen Punkt zu beruhigen und sagte ihr, daß wir quitt seien, da ich ihr die einst bewiesene Güte bis jetzt nicht habe vergelten können.
Ein paar Tage darauf begab ich mich nach York. Mein Vater und meine Mutter waren längst gestorben, und von meiner ganzen Familie fand ich niemand mehr am Leben, als zwei Schwestern und zwei erwachsene Söhne meines zweiten Bruders, der erst vor wenig Jahren heimgegangen war und einiges Vermögen hinterlassen hatte. Da man natürlich annahm, ich sei längst gestorben, so war ich von dem Erbteil ausgeschlossen worden, und meine Geschwister befanden sich nicht in der Lage, den auf mich entfallenden Anteil mir auszuzahlen. So mußte ich mich denn lediglich auf das beschränken, was ich von meiner Insel mitgebracht hatte. In York war nun nichts weiter für mich zu finden: ich kehrte deshalb nach London zurück, wo ich mit dem Kapitän zusammentraf. Der brave Mann hatte seinen Reedern einen so vorteilhaften Bericht über mich und meine Mitwirkung für die Wiedereroberung seines Schiffes erstattet, daß sie nicht nur ihren lebhaftesten Dank gegen mich aussprachen, sondern mich auch baten, ein Geschenk von 200 Pfd. Sterling anzunehmen. Diese Summe setzte mich in den Stand, selbst nach Lissabon abzureisen, um dort Erkundigungen über meine Pflanzung und meinen Geschäftsgenossen in Brasilien einzuziehen, der mich ohne Zweifel schon seit drei Jahrzehnten für tot halten mußte.
In dieser Absicht schiffte ich mich nach Lissabon ein, woselbst ich in Begleitung meines unzertrennlichen Gefährten Freitag gegen Ende des September ankam. Zuerst fragte ich nach dem portugiesischen Kapitän, der mich so liebevoll aufgenommen und mir mit seinem wohlmeinenden Rate so treu zur Seite gestanden hatte. Er war jetzt hochbetagt und ging nicht mehr zur See; er hatte an seinen Sohn die Führung des Schiffes sowie seiner Handelsgeschäfte nach Brasilien abgetreten. Wir erkannten einander kaum wieder, aber schon nach einer kurzen Auseinandersetzung begrüßten wir uns herzlich als alte Freunde. Ich mußte ihm meine wunderbaren Schicksale erzählen, und als ich damit zu Ende war, erkundigte ich mich nach dem Stande meiner brasilischen Pflanzung und nach meinem Mitpflanzer. Der Greis berichtete mir, er habe seit neun Jahren Brasilien nicht besucht; damals sei mein Handelsgesellschafter noch am Leben gewesen, die beiden von mir ernannten Faktoren wären aber gestorben. Indessen glaubte er, daß man über das Gedeihen meiner Pflanzung günstige Berichte erhalten werde, denn nach der allgemeinen Annahme, daß ich in einem Schiffbruche untergegangen sei, hätten meine beiden Faktoren meine Rechte auf die Pflanzung dem Staatsprokurator übergeben; es sei bestimmt worden, daß, im Fall ich nicht wiederkehre, um mein Eigentum in Anspruch zu nehmen, ein Drittel dem königlichen Schatze und zwei Drittel dem Kloster des heiligen Augustin zufallen sollten, um zur Unterstützung der Armen und zur Bekehrung der Indianer zur katholischen Religion verwendet zu werden. Käme ich aber selbst oder ein von mir Bevollmächtigter, um die Rückgabe meines Vermögens zu verlangen, so würde es mir nicht vorenthalten werden, mit Ausnahme dessen, was zu mildthätigen Zwecken verwendet worden wäre.