Auf solche Versicherungen hin glaubte ich die Rettung der Spanier und Portugiesen wagen zu dürfen und ordnete an, daß Caballos mit dem alten Wilden abgesandt werden solle. Als aber bereits alles zur Abreise vorbereitet war, erhob der Spanier selbst eine Schwierigkeit, in welcher sich seine Klugheit und Aufrichtigkeit bekundeten, so daß ich gern seinen Rat annahm und die Befreiung seiner Gefährten noch um sechs Monate hinaus verschob.
Zurüstung des Bootes zur Abfahrt.
Er musterte nämlich meine Vorräte an Reis und Gerste und begriff sofort, daß dieselben allerdings für mich und Freitag mehr als hinreichend waren, daß jedoch jetzt, wo wir unser vier von diesem Haushalt zehren mußten, die weiseste Sparsamkeit von nöten sein würde. Wie aber sollte es vollends dann werden, wenn auch noch die 16 Europäer auf unser Kornmagazin angewiesen waren? Dabei riet mir der Spanier, ich möchte ihn sowie die beiden Indianer so viel Land beackern und besäen lassen, als dies ohne zu erhebliche Verringerung der Vorräte geschehen könne, und dann die nächste Ernte abwarten. Würde diese ungünstig ausfallen, so könnte leicht die Hungersnot Unzufriedenheit und Zwistigkeiten herbeiführen; seine Gefährten könnten dann wohl meinen, nur aus einem Unglück in das andre gefallen zu sein.
»Wißt Ihr doch selbst, Sennor«, fügte er hinzu, »wie auch die Kinder Israel anfänglich über ihre Errettung aus Ägyptenland frohlockten, dann aber, als es ihnen in der Wüste an Brot gebrach, sich gegen ihren Führer auflehnten.«
Der Rat des Spaniers schien mir so wohl überdacht und beachtenswert, daß ich ihm ohne Zögern folgte. Wir machten uns daher alle vier, so gut es mit unsern hölzernen Werkzeugen gehen wollte, an die Arbeit, gruben ein ziemlich großes Stück Land um, und bereits nach Verlauf eines Monats, wo die Saatzeit eintrat, hatten wir so viel Ackerland zubereitet, daß wir 22 Scheffel Gerste und 16 Krüge Reis säen konnten; es blieb aber für uns bis zur nächsten Erntezeit noch genug Gerste zu unsrer täglichen Nahrung übrig. Da wir jetzt zahlreich genug waren, um die Wilden nicht mehr fürchten zu müssen, so gingen wir frei und unbesorgt auf der ganzen Insel umher, um alles Notwendige zu unsrer Befreiung, die unsre Gemüter ausschließlich beschäftigte, instandzusetzen. Als die Jahreszeit gekommen war, Trauben zu pflücken und zu trocknen, ließ ich eine solche Menge derselben aufhängen, daß wir 60 bis 80 Fässer hätten füllen können, wenn wir in Alicante gewesen wären, wo die besten Rosinen gemacht werden. Diese Früchte und das Brot bildeten den Kern unsrer Mahlzeiten. Außerdem aber flochten wir fleißig Körbe, die uns zur Aufbewahrung unsrer Vorräte unentbehrlich waren.
Zugleich nahm ich auch darauf Bedacht, unsre Herde zahmer Ziegen zu vermehren. Zu diesem Zwecke ging ich abwechselnd mit dem Spanier auf die Jagd, wohin uns Freitag begleitete. Indem wir die alten Ziegen schossen, die Jungen aber einfingen, brachten wir an 20 junge Ziegen zusammen, die ich dann mit den übrigen aufzog.
Auch bezeichnete ich mehrere Bäume, die ich zur Erbauung eines größeren Fahrzeuges geeignet hielt, und ließ sie durch Freitag und seinen Vater fällen, während ich dem Spanier die Überwachung und Leitung dieser Arbeiten anvertraute. Ich zeigte ihnen, mit welcher Geduld und Ausdauer ich große Bäume zu Booten verarbeitet hatte, und wies sie gleichfalls dazu an. Sie schnitten ein Dutzend guter Bretter von 60 cm Breite, 5-11 m Länge und 5-10 cm Dicke – eine Arbeit, die manchen schweren Schweißtropfen kostete.
Inzwischen war die Zeit der Ernte gekommen, und wir arbeiteten mit Lust am Einsammeln. War sie auch nicht allzu ergiebig, denn ich hatte früher schon reichere Ernten gehabt, so entsprach sie doch unsern Erwartungen. Wir erhielten über 220 Scheffel Gerste und in demselben Verhältnisse Reis. Das bildete einen Vorrat, der uns alle, mit Einschluß der Gefährten des Spaniers, bis zur nächsten Ernte nicht nur hinlänglich ernährt, sondern auch noch bequem zur Verproviantierung eines Fahrzeuges gereicht hätte, um zu dem von Europäern bewohnten Festlande von Amerika zu gelangen. Nachdem wir unsre Vorräte untergebracht hatten, fand ich es für angemessen, das Feld noch einmal zu bearbeiten und zu besäen, weil wir wegen des Schiffbaues, aus Mangel an Werkzeugen, uns noch eine geraume Zeit hier aufhalten mußten.
Nachdem alles bestens geordnet war, setzten wir unser Boot in Bereitschaft, in welchem Caballos mit dem alten Indianer absegeln sollte, um mit den Spaniern und Portugiesen zu unterhandeln. Um mich aber für jeden Fall sicher zu stellen, setzte ich dem Spanier am Tage vor ihrer Abfahrt einen in portugiesischer Sprache abgefaßten schriftlichen Befehl auf, der folgendermaßen lautete:
»Es wird keiner mitgebracht, der nicht in Gegenwart von Freitags Vater und des Don Juan Caballos auf das Evangelium schwört, mich, Robinson Crusoe, als seinen obersten Befehlshaber anzuerkennen, mir treu und gehorsam zur Seite zu stehen, mir wissentlich nie Schaden oder Böses zuzufügen, mich gegen jeden Angriff, woher er auch komme, zu verteidigen und sich meinen Befehlen und meiner Leitung, wohin ich ihn auch führen würde, niemals zu widersetzen. Jeder hat heilig zu versprechen, mein Wohl nach seinen Kräften zu fördern. – Alles dies soll von sämtlichen Leuten beschworen und durch eigenhändige Unterschrift anerkannt werden.«