Einige Minuten schritten sie schweigend neben einander her. Irma mit vor Erwartung und ein wenig auch vor Schuldbewußtsein klopfendem Herzen, denn sie fühlte heraus, daß nun die Erklärung für sein sonderbares Benehmen kommen werde; Hans mit dem Antrieb kämpfend, sie in seine Arme zu nehmen und ihr liebe zärtliche Worte ins Ohr zu flüstern. Denn sie sah im Mondenschein, mit einem seidenen Shawl um das goldgelockte Köpfchen, so entzückend aus, daß es ihm schwer wurde, ihr die harten, strengen Worte zu sagen, die er sich vorgenommen hatte. Doch der Gedanke, daß er, wenn er jetzt seinem Gefühl nachgäbe, sein ganzes künftiges Glück aufs Spiel setzen würde, stählte ihn. Er überwand alle Weichheit und begann:
„Irma, erinnern Sie sich noch, um was ich Sie bat, als ich das letzte Mal Abschied von Ihnen nahm?“
„Nein,“ versetzte sie, das Köpfchen abwendend.
„Ich sagte, ich wolle mich darein ergeben, daß Sie mich nicht zu lieben vermöchten, und bat Sie, eingedenk zu sein, daß Sie an mir einen treuen Freund hätten, der alles opfern würde, um Sie glücklich zu machen.“
„Und was soll das nun?“
„Ich habe Ihnen also meine Liebe nicht aufgedrängt und als einziges Recht von Ihnen gefordert, daß Sie mich als Freund betrachten.“
„Aber ich weiß nicht ....“ stammelte Irma, die nicht begriff, wohin er zielte und der gar nicht behaglich zu Mute war.
„Als ich jetzt wieder herkam, hatte ich nicht die geringste Hoffnung, daß Ihre Gefühle für mich eine Wandlung erfahren hätten. Meine Liebe zu Ihnen war unverändert geblieben, aber ich hatte gelernt, das Unvermeidliche mit Fassung zu tragen. Haben Sie nun wirklich angenommen, ich würde mich dazu gebrauchen lassen, der Welt zu zeigen, daß Sie um einen Mann nicht in Verlegenheit wären, nachdem der Baron von Hochstein Ihnen bewiesen hatte, daß er es mit Ihnen nicht ehrlich meinte?“
„Hans!“ rief Irma totenbleich und entrüstet. „Wie dürfen Sie sich herausnehmen, darauf anzuspielen? Wer hat Ihnen das erzählt?“
„Das gehört nicht zur Sache; hätte ich es jetzt nicht erfahren, so würde das später geschehen sein, und ich danke dem Himmel, daß ich noch zur rechten Zeit gewarnt wurde. Hören Sie, Irma. Sie haben mich schmachvoll behandelt, ich glaubte Ihnen, glaubte, daß Sie mich wirklich gern hätten, und Sie können es nicht begreifen, wie glücklich mich das machte. Jetzt weiß ich, daß Sie mich zum Narren hielten, daß Sie Komödie spielten und mit der großen, echten, ehrlichen Liebe eines Mannes Spott trieben. Wenn das alles ist, was Ihre eigene Liebe und die bittere Enttäuschung Sie gelehrt hat, dann kann ich nicht glauben, daß Sie sich je etwas aus diesem Hochstein gemacht haben.“
Irma schluchzte, und Hans bedurfte seiner ganzen Selbstbeherrschung, um gleich streng fortzufahren.