»Ah, wenn ich reich wäre, wenn ich mein Vermögen behalten, wenn ich es ihnen nicht gegeben hätte, so wären sie da, sie würden mir die Wangen mit ihren Küssen ablecken! Ich würde in einem eigenen Haus wohnen, ich hätte herrliche geheizte Zimmer und Bediente; sie wären ganz in Tränen aufgelöst, mit ihren Gatten und Kindern. Alles das hätte ich. Heute aber – nichts! Für Geld kann man alles haben, selbst Töchter. Oh, mein Geld, wo ist es hin? Wenn ich Schätze zu hinterlassen hätte, würden sie mich pflegen und für mich sorgen, ich würde sie hören, ich würde sie sehen. Ach, liebes Kind, mein einziges Kind, da habe ich Elend und Verlassenheit doch lieber! Wenn einer im Unglück geliebt wird, so ist er wenigstens sicher, daß man ihn liebt. Nein, ich möchte doch reich sein, ich würde sie dann wenigstens sehen. Aber, wer weiß? Sie haben alle beide Herzen von Stein. Ich hatte sie zu lieb, als daß sie Liebe für mich haben könnten. Ein Vater muß immer reich bleiben, er muß seine Kinder an den Zügeln halten wie mutwillige Pferde. Und ich lag auf den Knien vor ihnen! Die Elenden! Sie setzen dem Betragen, das sie mir gegenüber gezeigt haben, die Krone auf. Wenn Sie wüßten, wie sie in der ersten Zeit ihrer Ehe um mich besorgt waren! – Oh, ich leide ein schreckliches Martyrium! Ich hatte jeder annähernd 800 000 Francs gegeben; sie und ihre Gatten wagten daher nicht, hart zu mir zu sein. Man empfing mich: Mein guter Vater hier, mein guter Vater da! Stets war für mich bei ihnen gedeckt. Ich speiste mit ihren Gatten, die mich mit Hochachtung behandelten. Es sah so aus, als ob ich noch etwas besäße. Weshalb auch? Ich hatte nichts über meine Geschäfte verraten. Einen Mann, der seinen Töchtern 800 000 Francs mitgibt, muß man gut behandeln. Und man tat es auch; aber es war nur meines Geldes wegen. Wie häßlich ist die Welt! Ich habe es miterleben müssen, ich! Man fuhr mit mir im Wagen zum Schauspiel, und ich blieb nach Belieben auf ihren Abendgesellschaften. Schließlich gaben sie sich ja als meine Töchter und verleugneten mich nicht. Ich bin noch schlau genug, sehen Sie, mir ist nichts entgangen. Alles ist richtig an seine Adresse gekommen und hat mir das Herz durchbohrt. Ich sah wohl, daß alles nur Schein war, aber mein Leiden war unheilbar. Ich fühlte mich bei ihnen nicht so wohl wie am Tisch dort unten. Ich wußte nichts zu sagen. Und wenn die feinen Herrschaften meine Schwiegersöhne leise fragten: ›Wer ist denn dieser Herr da?‹ so hieß es: ›Das ist der reiche Vater mit den Geldsäcken.‹ ›Teufel auch‹, war die Antwort, und man betrachtete mich mit aller Hochachtung, die meinen Geldern galt. Wenn ich ihnen hin und wieder lästig fiel, so habe ich mich immer wieder losgekauft. Aber, wer ist vollkommen? – Mein Kopf ist eine einzige Wunde! – Ich leide in diesem Augenblick so, wie man leiden muß, um sterben zu können, mein lieber Herr Eugen. Aber das läßt sich nicht mit dem Schmerz vergleichen, den mir der erste Blick Anastasies bereitete, durch den sie mir begreiflich machen wollte, daß ich eine Dummheit gesagt hatte, die sie demütigte. Ihr Blick hat mir das Herz zerrissen. Ich hätte gern alles gewußt, aber ich wußte nur zu deutlich, daß ich auf Erden überflüssig war. Am folgenden Tage gehe ich zu Delphine, um mich zu trösten, aber ich mache eine neue Dummheit, die sie in Zorn bringt. Ich bin darüber wie toll geworden. Acht Tage lang wußte ich nicht mehr, was ich machen sollte. Ich wagte nicht, zu ihnen zu gehen, aus Furcht vor ihren Vorwürfen. So wurde ich von meinen Töchtern vor die Türe gesetzt. Oh, mein Gott, der du das Elend und die Leiden kennst, die ich erduldet habe, der du die Dolchstiche gezählt hast, die mich durchbohrten in all dieser Zeit, die mich alt und grau werden ließen, warum läßt du mich heute so leiden? Ich habe die Sünde, zu viel zu lieben, reichlich gesühnt. Sie haben sich gerächt an mir für meine Zärtlichkeit, sie haben mich mit Zangen gefoltert wie Henker. Aber die Väter sind so dumm! Ich liebte sie so sehr, daß ich zu ihnen zurückkehrte wie der Spieler zum Spiel. Meine Töchter, das war mein Laster; sie waren meine Geliebten, sie waren mir alles! Stets hatten sie beide irgend etwas nötig, Kleider oder Schmuck; die Kammerzofen sagten es mir, und ich gab, um gut aufgenommen zu werden. Aber sie haben mir trotzdem einige kleine Lektionen über Lebensart gegeben. Sie warteten nicht etwa bis zum folgenden Tage; sie zeigten schon durch ihr Erröten, daß sie sich meiner schämten. Das kommt davon, wenn man seinen Kindern eine gute Erziehung gibt. Ich konnte in meinem Alter doch nicht noch einmal zur Schule gehen! – Ich leide schrecklich, mein Gott! Die Ärzte, die Ärzte! Wenn man mir im Kopf Luft machen könnte – ich würde weniger leiden. – Meine Töchter, meine Töchter! Anastasie, Delphine; ich will sie sehen! Laßt sie mit Gewalt, laßt sie mit der Gendarmerie holen! Das Recht ist doch auf meiner Seite, alles ist für mich, auch die Natur und das Gesetz. Ich protestiere! Die Welt geht zugrunde, wenn die Rechte der Väter mit Füßen getreten werden. Das ist klar. Die Gesellschaft, die Welt, alles dreht sich um die Vaterschaft, alles bricht zusammen, wenn die Kinder nicht ihre Väter lieben. Oh! sie sehen, sie hören, ganz gleich, was sie auch sagen mögen, wenn ich nur ihre Stimmen höre. Sie würden meine Schmerzen lindern, besonders Delphine. Aber sagen Sie ihnen, wenn sie da sind, daß sie mich nicht so kalt anschauen, wie sie es immer tun. Ah, mein guter Freund, Herr Eugen, Sie wissen ja nicht, was es heißt, wenn sich das Gold des Blickes plötzlich in graues Blei verwandelt. Seit dem Tage, wo ihre Augen mir nicht mehr strahlten, war es für mich auf Erden stets Winter. Ich hatte nur noch Bitternis hinunterzuwürgen, und wieviel habe ich hinuntergewürgt! Ich lebte, um erniedrigt, um beleidigt zu werden. Ich liebe sie so sehr, daß ich alle Schmach auf mich nahm, mit der ich eine kleine verschämte Freude erkämpfte. Ein Vater, der sich verstecken muß, um seine Töchter zu sehen! Ich habe ihnen das Leben geschenkt, sie schenken mir heute nicht einmal eine Stunde. Ich habe Hunger, ich dürste, das Herz brennt mir: Sie kommen nicht, um mir in meinem Todeskampf beizustehen – denn ich sterbe, ich fühle es. Wissen sie denn nicht, was es heißt, über den Leichnam des Vaters zu gehen? Es gibt einen Gott im Himmel, der rächt uns Väter auch gegen unseren Willen. Oh, sie werden kommen! Kommt, ihr meine Lieben, gebt mir einen Kuß, den letzten Kuß, die heilige Wegzehrung eures Vaters; er wird Gott für euch bitten, er wird ihm sagen, daß ihr gute Töchter wart, er wird für euch sprechen. Denn trotz allem, ihr seid unschuldig. Sie sind unschuldig, mein Freund! Sagen Sie es der Welt, daß man ihnen nicht meinetwegen Schwierigkeiten macht! Alles ist meine Schuld, ich habe sie daran gewöhnt, mich mit Füßen zu treten. Ich hatte das gerne so. Es geht niemanden etwas an, weder die göttliche noch die menschliche Gerechtigkeit hat sich damit zu befassen. Gott wäre ungerecht, wenn er sie um meinetwillen verurteilt. Ich verstand nicht, mein Leben zu führen, ich habe die Dummheit begangen, auf meine Rechte zu verzichten! Ich hätte für sie das Niedrigste getan! Was wollen Sie! Der edelste Charakter, das beste Herz, sie wären durch eine so leichtfertige Nachsicht verdorben worden. Ein Elender bin ich, ich erhalte nur meine gerechte Strafe. Ich allein habe die Verirrungen meiner Töchter auf dem Gewissen, ich habe sie verwöhnt. Sie begehren heute nach den Vergnügen wie ehemals nach den Bonbons. Ich habe ihnen immer gestattet, ihre Jungmädchenlaunen zu befriedigen. Mit fünfzehn Jahren hatten sie ihren eigenen Wagen! Nichts wurde ihnen verweigert. Ich selbst bin schuldig – aber schuldig aus Liebe. Ihre Stimme allein öffnete mir das Herz. Ich höre sie, sie kommen. Ja, ja, sie werden kommen. Das Gesetz will, daß man zu seinem Vater kommt, wenn er stirbt. Das Gesetz ist für mich. Es kostet sie ja nur eine Droschkenfahrt, ich werde sie bezahlen. Schreiben Sie ihnen, daß ich ihnen Millionen hinterlasse. Auf Ehrenwort! Ich werde in Odessa Nudeln fabrizieren. Ich kenne die Methode. Mit meinem Projekt sind Millionen zu verdienen. Niemand ist auf den Gedanken gekommen. Die Ware leidet auf dem Transport nicht, wie Getreide oder Mehl. Eh, ah, aus Stärkemehl sind Millionen zu holen. Sie lügen nicht, wenn Sie schreiben: Millionen. Und wenn sie nur aus Habsucht kommen! Ich will gern betrogen werden – wenn ich sie nur sehe. Ich will meine Töchter haben! Sie sind mein, sie gehören mir.«