Alles erhob sich von den Sitzen: "Was ist das, was ist das?" rief es durcheinander; aus dem Saale drängten sich, das Spiel verlassend, die Menschen hinein, von dem fürchterlichen Ton meiner Stimme erschreckt. "Ein Betrunkener, ein Wahnsinniger! bringt ihn fort, bringt ihn fort", riefen mehrere. Aber der fremde Maler stand unbeweglich mich anstarrend. Unsinnig vor Wut und Verzweiflung, riß ich das Messer, womit ich Hermogen getötet und das ich stets bei mir zu tragen pflegte, aus der Seitentasche und stürzte mich auf den Maler, aber ein Schlag warf mich nieder, und der Maler lachte im fürchterlichen Hohn, daß es im Zimmer widerhallte: "Bruder Medardus, Bruder Medardus, falsch ist dein Spiel, geh und verzweifle in Reue und Scham." – Ich fühlte mich von den Gästen angepackt, da ermannte ich mich, und wie ein wütender Stier drängte und stieß ich gegen die Menge, daß mehrere zur Erde stürzten und ich mir den Weg zur Türe bahnte. – Rasch eilte ich durch den Korridor, da öffnete sich eine kleine Seitentüre, ich wurde in ein finstres Zimmer hineingezogen, ich widerstrebte nicht, weil die Menschen schon hinter mir herbrausten. Als der Schwärm vorüber, führte man mich eine Seitentreppe hinab in den Hof und dann durch das Hintergebäude auf die Straße. Bei dem hellen Schein der Laterne erkannte ich in meinem Retter den possierlichen Belcampo. "Dieselben scheinen", fing er an, "einige Fatalität mit dem fremden Maler zu haben, ich trank im Nebenzimmer ein Gläschen, als der Lärm anging, und beschloß, da mir die Gelegenheit des Hauses bekannt, Sie zu retten, denn nur ich allein bin an der ganzen Fatalität schuld." "Wie ist das möglich?" frug ich voll Erstaunen. – "Wer gebietet dem Moment, wer widerstrebt den Hingebungen des höhern Geistes!" fuhr der Kleine voll Pathos fort. "Als ich Ihr Haupthaar arrangierte, Verehrter, entzündeten sich in mir comme a l'ordinaire die sublimsten Ideen, ich überließ mich dem wilden Ausbruch ungeregelter Phantasie, und darüber vergaß ich nicht allein, die Locke des Zorns auf dem Hauptwirbel gehörig zur weichen Runde abzuglätten, sondern ließ auch sogar siebenundzwanzig Haare der Angst und des Entsetzens über der Stirne stehen, diese richteten sich auf bei den starren Blicken des Malers, der eigentlich ein Revenant ist, und neigten sich ächzend gegen die Locke des Zorns, die zischend und knisternd auseinanderfuhr. Ich habe alles geschaut, da zogen Sie, von Wut entbrannt, ein Messer, Verehrter, an dem schon diverse Blutstropfen hingen, aber es war ein eitles Bemühen, dem Orkus den zuzusenden, der dem Orkus schon gehörte, denn dieser Maler ist Ahasverus, der ewige Jude, oder Bertram de Bornis oder Mephistopheles oder Benvenuto Cellini oder der heilige Peter, kurz, ein schnöder Revenant und durch nichts anders zu bannen als durch ein glühendes Lockeneisen, welches die Idee krümmt, welche eigentlich er ist, oder durch schickliches Frisieren der Gedanken, die er einsaugen muß, um die Idee zu nähren, mit elektrischen Kämmen. – Sie sehen, Verehrter, daß mir, dem Künstler und Phantasten von Profession, dergleichen Dinge wahre Pomade sind, welches Sprüchwort, aus meiner Kunst entnommen, weit bedeutender ist, als man wohl glaubt, sobald nur die Pomade echtes Nelkenöl enthält." Das tolle Geschwätz des Kleinen, der unterdessen mit mir durch die Straßen rannte, hatte in dem Augenblick für mich etwas Grauenhaftes, und wenn ich dann und wann seine skurrile Sprünge, sein komisches Gesicht bemerkte, mußte ich wie im konvulsivischen Krampf laut auflachen. Endlich waren wir in meinem Zimmer; Belcampo half mir packen, bald war alles zur Reise bereit, ich drückte dem Kleinen mehrere Dukaten in die Hand, er sprang hoch auf vor Freude und rief laut: "Heisa, nun habe ich ehrenwertes Geld, lauter flimmerndes Gold, mit Herzblut getränkt, gleißend und rote Strahlen spielend. Das ist ein Einfall und noch dazu ein lustiger, mein Herr, weiter nichts." Den Zusatz mochte ihm mein Befremden über seinen Ausruf entlocken; er bat sich es aus, der Locke des Zorns noch die gehörige Runde geben, die Haare des Entsetzens kürzer schneiden und ein Löckchen Liebe zum Andenken mitnehmen zu dürfen. Ich ließ ihn gewähren, und er vollbrachte alles unter den possierlichsten Gebärden und Grimassen. – Zuletzt ergriff er das Messer, welches ich beim Umkleiden auf den Tisch gelegt, und stach damit, indem er eine Fechterstellung annahm, in die Luft hinein. "Ich töte ihren Widersacher", rief er, "und da er eine bloße Idee ist, muß er getötet werden können durch eine Idee und erstirbt demnach an dieser, der meinigen, die ich, um die expression zu verstärken, mit schicklichen Leibesbewegungen begleite. Apage Satanas, apage, apage, Ahasverus, allez-vous-en! – Nun das wäre getan", sagte er, das Messer weglegend, tief atmend und sich die Stirne trocknend, wie einer, der sich tüchtig angegriffen, um eine schwere Arbeit zu vollbringen. Rasch wollte ich das Messer verbergen und fuhr damit in den Ärmel, als trüge ich noch die Mönchskutte, welches der Kleine bemerkte und ganz schlau belächelte. Indem blies der Postillon vor dem Hause, da veränderte Belcampo plötzlich Ton und Stellung, er holte ein kleines Schnupftuch hervor, tat, als wische er sich die Tränen aus den Augen, bückte sich einmal über das andere ganz ehrerbietig, küßte mir die Hand und den Rock und flehte: "Zwei Messen für meine Großmutter, die an einer Indigestion, vier Messen für meinen Vater, der an unwillkürlichem Fasten starb, ehrwürdiger Herr! Aber für mich jede Woche eine, wenn ich gestorben. – Vorderhand Ablaß für meine vielen Sünden. – Ach, ehrwürdiger Herr, es steckt ein infamer, sündlicher Kerl in meinem Innern und spricht: ›Peter Schönfeld, sei kein Affe und glaube, daß du bist, sondern ich bin eigentlich du, heiße Belcampo und bin eine geniale Idee, und wenn du das nicht glaubst, so stoße ich dich nieder mit einem spitzigen, haarscharfen Gedanken.‹ Dieser feindliche Mensch, Belcampo genannt, Ehrwürdiger! begeht alle mögliche Laster; unter ändern zweifelt er oft an der Gegenwart, betrinkt sich sehr, schlägt um sich und treibt Unzucht mit schönen jungfräulichen Gedanken; dieser Belcampo hat mich, den Peter Schönfeld, ganz verwirrt und konfuse gemacht, daß ich oft ungebührlich springe und die Farbe der Unschuld schände, indem ich singend in dulci jubilo mit weißseidenen Strümpfen in den Dr- setze. Vergebung für beide, Pietro Belcampo und Peter Schönfeld!" – Er kniete vor mir nieder und tat, als schluchze er heftig. Die Narrheit des Menschen wurde mir lästig. – "Sein Sie doch vernünftig", rief ich ihm zu; der Kellner trat herein, um mein Gepäck zu holen. Belcampo sprang auf, und wieder in seinen lustigen Humor zurückkommend, half er, indem er in einem fort schwatzte, dem Kellner das herbeibringen, was ich noch in der Eile verlangte. "Der Kerl ist ein ausgemachter Hasenfuß, man darf sich mit ihm nicht viel einlassen", rief der Kellner, indem er die Wagentüre zuschlug. Belcampo schwenkte den Hut und rief: "Bis zum letzten Hauch meines Lebens!" als ich mit bedeutendem Blick den Finger auf den Mund legte.