Er spielte hinreißend Geige, war ein Faszinosum allein durch seine Fingerfertigkeit, für die er offenbar nicht üben musste, scheute das Tageslicht und galt vielen geradezu als dämonisch. Autorin: Gabriele Bondy
“Welch ein Mann, welch eine Geige, welch ein Künstler! O Gott, was für Qualen, für Elend, für Marter, in diesen vier Saiten! Und sein Ausdruck, seine Art zu phrasieren, und endlich seine Seele“ ... Die Rede ist von Niccolò Paganini. Sein Auftritt war für die meisten ein Faszinosum, für Franz Liszt wohl eine Offenbarung. Und Robert Schumann sah in dem am 27.Oktober 1782 in Genua Geborenen gar “einen Wendepunkt der Virtuosität.“ Körperliche Voraussetzung für sein bewundertes Spiel: eine höchst ungewöhnliche Fingerfertigkeit. Es war aber nicht nur die reine Technik, die Brillanz des Vortrags, womit Paganini sein Publikum in den Bann zog und frenetische Beifallsstürme, ja hysterische Hingerissenheit hervorrief. Es war auch sein Aussehen. Manche bekreuzigten sich vor seiner furchterregenden Erscheinung: dürre Gestalt, wirres, pechschwarzes Haar, gespenstische Blässe, ein durchdringender, stechender, ja boshafter Blick! War er vielleicht mit dem Teufel im Bunde? Schließlich scheute er das Tageslicht und eilte in verdunkelten Kutschen zu seinen Konzerten. Und ... vielleicht das Unheimlichste: Ganz im Gegensatz zu seinen Kollegen, übte er nie! Warum auch. Das hatte er zur Genüge getan. Von klein auf war er vom Vater dazu gezwungen worden. Hielt Niccolò sein tägliches stundenlanges Pensum nicht ein, wurde er mit Essensentzug bestraft. Kein Wunder, dass ihm die Freude am Essen bald verging und er sich später vorzugsweise von Kräutertees ernährte.
So hätte Mephisto gespielt
Seine leidenschaftliche Natur, seine musikalische Besessenheit, das ständige Unterwegssein prädestinierten Paganini nun nicht gerade zu einem beschaulichen bürgerlichen Leben.
Für eine gewisse Sesshaftigkeit sorgte Paganinis Anstellung als Konzertmeister, Violinvirtuose und Operndirektor bei Napoléons Schwester, der Fürstin Elisa, in der Republik Lucca. Als er 1828 Italien verließ, um nach Wien und von da aus zu seinen europaweiten Tourneen aufzubrechen, eilte ihm schon der Ruf eines Dämons voraus. "Vielleicht hätte Goethes Mephisto die Violine so gespielt wie er", mutmaßte ein Musikkritiker.
Kein christliches Begräbnis
Der Publikumsmagnet Paganini erspielte sich ein Vermögen, von dem er weniger betuchten Kollegen gerne abgab. Am Ende hatte der Erfolgsverwöhnte, aber gesundheitlich Zerüttete, nur noch eine Hoffnung, im toskanischen Frühling, dem Reich Dantes und Petrarcas Besserung seines schweren Kehlkopfleidens zu finden. Vergebens! Weil die Krankheit seine Stimme völlig vernichtet hatte und er keine Beichte ablegen konnte, verwehrte ihm die Kirche zunächst ein christliches Begräbnis. Inzwischen liegen seine sterblichen Überreste allerdings in geweihter Erde... Und das Geheimnis seiner ungewöhnlichen Fingerfertigkeit wurde mit Hilfe moderner DNA-Analysen auch gelüftet. Die faszinierende Überbeweglichkeit seiner Gelenke soll das Merkmal des "Ehlers-Danlos-Syndroms" gewesen sein.