Sollte es sie wirklich geben? Monster der Tiefsee? Am 30. September 2004 gelingt zwei Japanern das erste Foto eines Riesenkalmars. Die Begegnung war lebensgefährlich - allerdings nur für den Kalmar. Autorin: Carola Zinner.
Die Welt ist voller Ungeheuer. Sie halten sich im Verborgenen auf, beobachten, was geschieht und warten. Warten so lange, bis endlich die passende Beute vorbei kommt. Dann schlagen sie zu, blitzschnell und gnadenlos. Das Opfer hat keine Chance.
Schon vor Jahrhunderten erzählten Seefahrer von Begegnungen mit Monstern draußen auf dem Meer. Sie waren gefährlicher und bösartiger als alles, was man bisher kannte. Mit meterlangen Armen umschlangen sie die Schiffe und zogen sie unter Wasser. Beweisen ließ sich die Existenz der riesigen Tintenfische zwar nicht, aber das hatte nicht viel zu sagen in einer Zeit, in der es in fernen Ländern nur so wimmelte von Wesen wie Einhörnern, Drachen oder Riesenhasen, die aufrecht auf zwei Beinen hüpften und ihre Jungen in einem Beutel vor dem Bauch trugen. Das Meeresungeheuer war nur eines der vielen schrecklichen Wunder einer großen weiten Welt.
Beweise tauchen auf
Mitte des 19. Jahrhunderts dann wurde es zum ersten Mal wissenschaftlich dokumentiert. Anhand von Resten, die im dänischen Jütland angespült wurden - einem Schnabel, einer Handvoll Saugnäpfe und einer Kalkschale aus dem Inneren des Körpers - rekonstruierte ein Forscher Größe und Aussehen des Riesenkalmars und gab ihm einen Namen: Architeuthis - Herrscher der Tintenfische.
Darüber hinaus aber blieb alles recht rätselhaft. Das wenige Wissen über den Architeuthis bezog sich auf die Überbleibsel toter Tiere, die angeschwemmt oder in Treibnetzen gefangen wurden; nicht einmal 100 Funde weltweit waren nicht einmal genug, um zweifelsfrei zu belegen, dass es den Riesenkalmar überhaupt wirklich gab.
Alles anders unter der Oberfläche!
Im September des Jahres 2004 aber wurde alles anders. Damals gelang es zwei japanischen Forschern, den geheimnisvollen Tiefseegiganten in freier Wildbahn zu fotografieren.
Genau besehen war es mit der Freiheit allerdings nicht recht weit her, das Tier hing nämlich am Haken eines Köders. Und damit genau dort, wo die Wissenschaftler es schon ewig hatten haben wollten. Zwei Jahre lang schon hatten sie vor Japans Küste eine kilometerlange Angelschnur im Meer ausgelegt, an der neben diversen Ködern auch eine automatische Kamera befestigt war, die alle 30 Sekunden ein Bild schoss. Zwei Jahre lang alle dreißig Sekunden ein Bild, das sind rund zwei Millionen Bilder.
Am 30. September des Jahres 2004 dann endlich der Erfolg: die Fotos mit dem ersehnten Motiv. Ein Riesenkalmar legt seine langen Arme um einen der Köder - und verfängt sich prompt am Haken. 80 Minuten lang wird das Tier fotografiert, wie es um sein Leben kämpft. Dann gelingt es ihm, sich loszureißen. Zurück bleibt einer seiner Arme. Und das ist ein Glücksfall, finden die Forscher, denn damit gibt es neben den Fotos auch einen handfesten Beweis für ihren Triumph. Das fünfeinhalb Meter lange Tentakel kam in die Tiefkühltruhe und wurde bei passender Gelegenheit hervorgeholt, um die Aggressivität und Kraft des seltenen Ungeheuers zu belegen.