Sie ist bis heute das Sexsymbol Hollywoods. Aber sie war zu intelligent dafür. Sie kannte keine hässlichen Brücken, aber die Abgründe des Lebens. Sie stirbt mit 36 und bleibt unsterblich. Autorin: Brigitte Kohn
Los Angeles, 5. August 1962, drei Uhr morgens. Im Schlafzimmer von Marilyn Monroe herrscht Totenstille. Keine Reaktion, seit Stunden. Die besorgte Haushälterin telefoniert den Psychoanalytiker des Weltstars herbei. Der zerschlägt die Fensterscheibe, klettert ins Zimmer und findet Marilyn tot im Bett, gestorben an einer Überdosis Schlafmittel. Die 36-Jährige beendet ihr Leben in einem privaten Schlafraum, der trostloser ist als jedes billige Hotelzimmer. Ein Bett steht drin, ein wackeliger Nachttisch,
vollgestellt mit Medikamentenröhrchen, sonst nichts.
Tot, aber unsterblich
Dieser einsame Tod scheint so gar nicht zu der Lebenslust zu passen, die sie auf Fotos ausstrahlt. Oder vielleicht doch. Vielleicht wirkt Marilyns Strahlen deshalb so intensiv, weil sie es immer gegen viel dunkle Traurigkeit verteidigen musste. Als Kind einer alkoholkranken Mutter ist sie ohne Vater und in Pflegefamilien und im Waisenhaus aufgewachsen. Ihre Kraft ist früh zu Ende. Aber sie reicht aus, um eine unsterbliche Gestalt zu schaffen, die die Menschen immer noch beglückt: Marilyn Monroe, die Blondine mit den butterweichen Kurven und der magischen Aura, die sich aus Sex-Appeal speist, gepaart mit Unschuld, Verletzlichkeit und Humor.
Ihre Aura wirkt erlösend und besänftigt die Sexualangst des puritanischen Amerika. Es gibt da eine Szene aus dem Film “Das verflixte siebte Jahr“, die machte sie berühmt und zu einer kulturellen Ikone. Da steht Marilyn auf dem Gitter eines U-Bahn-Schachts, der Fahrtwind wirbelt ihren Rock hoch, aber von Scham und Peinlichkeit keine Spur. Marilyn lacht und genießt sich selbst. Der Körper - eine Quelle der Freude. Ist da gar kein Abgrund? Ach, nur eine U-Bahn, die vorüberrauscht. Marilyn als Filmfigur ist blond, naiv und warmherzig, dazu noch lustig. Ein Mädchen, kein Vamp.
So wurde sie geliebt, so hätte man sie brauchen können. Aber Marilyn wollte nicht zum Bild erstarren. Sie verließ Hollywood, ging nach New York, gründete ihre eigene Produktionsfirma. Arbeitete hart an sich. Vier mal die Woche Psychoanalyse, dazu Schauspielunterricht nach einer Methode, die besagt, dass man seine seelischen Wunden spüren muss, um intensiv zu spielen.
Wie man sich eine Schutzschicht zulegt, lernte sie so nicht. Sie hätte sie brauchen können. Abgründe taten sich auf, im Beruf und in der Liebe, immer wieder.
Marilyn war intelligenter und eigenständiger als es für ein Sexsymbol erlaubt war;
und die Extreme ihres Lebens isolierten sie von anderen.
Brücken schlagen
Ihren Kummer gießt sie in Gedichte, ein paar sind erhalten geblieben. In einem davon denkt sie über Möglichkeiten des Selbstmords nach. Soll sie von der New Yorker Brooklyn Bridge springen? Nein, die liebt sie so sehr, von dort ist der Blick so schön. Es müsste eine hässliche Brücke sein, eine ohne Ausblick. Aber, fährt sie fort, eigentlich möge sie ja alle Brücken,
und eine wirklich hässliche Brücke habe sie noch nie gesehen. Marilyn hat immer den Brückenschlag zu anderen gesucht, bis zuletzt vermutlich:
in ihrer toten Hand hielt sie einen Telefonhörer.