Es geht um Stil. In der Musik und im Leben. Wer cool ist, kann aus Jazz und Rock eins machen und zu einer Ikone der Rassenintegration werden. In der Regel geschieht das nicht immer "in a silent way". Autor: Frank Halbach
Fusion: Das ist Jazz und Rock - also Rockjazz. Die Verschmelzung von raffiniertem Jazz und wuchtvoller Rockmusik, gewürzt mit einer gehörigen Prise Funk. Unglaublich "in" in den 1970ern, erfolgreich bis heute. Und wer hat's erfunden? Miles Davis würde sagen: Miles Davis. Stimmt nicht ganz. Aber Miles war derjenige, der den Rockjazz für die Plattenindustrie interessant machte.
Es war die Zeit als Miles Davis nicht mehr nur cool, sondern seeeehr-cool war. Auch optisch: Leder statt Anzug, Sonnenbrille, die Fluppe im Mundwinkel.
Aber kein Hippie-Chic. Nicht zu bunt, kein Bart, keine langen Haare.
"Für mich geht's in der Musik und im Leben immer nur um Stil", meinte Miles.
Hip gesampelt
Nun sind Stil in der Mode und Stil in der Musik zwei Paar Stiefel. Dass Miles neue Frau, Betty Marby auf Miles' Outfit Einfluss hatte - klar. Ihren Einfluss auf die Musik des "Prince of Darkness" spielt Betty über Bande: Sie macht Miles mit einem ihrer Freunde bekannt: Jimmy Hendrix - "dem besten Gitarristen aller Zeiten", wie das Rolling Stone Magazin titelte. Jimmy war einer der afroamerikanischen Künstler, die das schwarze Publikum anzogen, das Miles zu dieser Zeit so gerne gehabt hätte. Und Miles wollte Platten verkaufen. Erfolgskalkül oder kreatives Experiment?
Am 31. Juli 1969 veröffentlicht Miles sein Album "In a Silent Way". Mit viel elektronischem Equipment, E-Bass, E-Piano, dafür ohne überflüssige Akkorde. Nichts Komplexes, einfache Strukturen, coole Sounds. Dem scheinbar simplen und doch so überraschenden Klang von "In a Silent Way" liegt eine völlig neue Arbeitsweise zu Grunde. Hatte Miles für seinen Megaerfolg von 1959
"Kind of Blue" nahezu alles in einem Take aufgenommen, wird jetzt gesampelt, geschnitten, gestückelt, montiert: 80 Minuten Material für 40 Minuten Schallplatte. Miles und die Technologie verändern den Jazz für immer.
Protest!
"In a Silent Way" ist der Anfang einer musikalische Revolution. Miles Musik ist hip. Miles Musik ist ruhig. Miles' Musik ist laut. Lärm und Widerspruch.
Sie ist Teil eines Umbruchs. Studentenproteste, der Vietnam-Krieg, Civil Rights und Rassenintegration sind Ende der 60er längst keine rein US-amerikanischen Probleme mehr. Und Miles Davis ist Teil der gesellschaftlichen Veränderung. Schluss mit Louis Armstrong, der freundlich ins Publikum winkte. Miles spielte mit dem Rücken zum Auditorium. - "Was soll ich denn sonst tun? Etwa lächeln?"
stiller Protest - in a silent way.
Er fand es nicht selbstverständlich, dass Konzertveranstalter weiße Musiker in der Ersten Klasse anreisen ließen, schwarze natürlich in der zweiten. Er mochte nicht von der Polizei angehalten werden, weil ein Farbiger hinter dem Steuer des Ferrari saß - auch wenn Augenzeugenberichte von Miles Beifahrern - nun, ja, alternative Erklärungen für den Zwangsstopp nahelegen. Miles Proteste waren hier weniger still.
Miles Davis' Auftreten wird damals für viele Afroamerikaner zum Vorbild, seine Alben Vorbilder für Generationen von Musikern, "In a Silent Way" wird die "Signatur des feingeistigen Jazzrock." Das verdient größte Anerkennung. Findet auch das Time Magazine und bittet zum Fotoshooting für die Titelstory.
Miles ist begeistert:
"Was soll der Scheiß? Ist da bei euch Niggerwoche?"