Urkunden fälschen kann man probieren, dachten sich die Hamburger Ratsherren und ersonnen einfach einen Hafen-Geburtstag. Besser für die Herren wäre allerdings gewesen, hätten sie das Urkundenfälschen wirklich gekonnt… Autor: Xaver Frühbeis
Im Staatsarchiv der Stadt Hamburg liegt eine Urkunde. Ein altes Stück Pergament, darauf in steilen Lettern Worte in lateinischer Sprache. Unten dran hängt ein großes Siegel aus Wachs. Die Urkunde ist ein sogenannter "Freibrief". Verfasst hat ihn am 7. Mai 1189 Kaiser Friedrich Barbarossa. Was in diesem Freibrief steht, war seinerzeit für Hamburg sehr wichtig. Es war nämlich neben der Altstadt auf Geheiß des Grafen Adolf von Holstein eine neue Stadt errichtet worden, direkt an der Elbe, mit einem Hafen.
Kaufleute haben sich dort angesiedelt. Und damit die Stadt und der Handel blühe und gedeihe, hat der Graf den Kaiser Barbarossa um gewisse Vorrechte für die neue Stadt gebeten. Das Recht, Märkte abzuhalten. Das Recht zu fischen, Bäume zu fällen und Vieh zu halten. Die Befreiung von Grundsteuer und Wehrdienst.
Und vor allem, das war das Wichtigste: Zoll- und Wegefreiheit für alle Handelsschiffe, die auf der Elbe von der Nordsee bis zum Hamburger Hafen fahren wollten. Das hat Kaiser Friedrich Barbarossa am 7. Mai 1189 den Hamburger Kaufleuten mit Brief und Siegel versprochen. Das Datum gilt in unseren Tagen den Hamburgern als Geburtstag ihres Elbhafens. Und den feiern sie jedes Jahr im Mai mit einem großen Fest. Aus aller Welt kommen Segelschiffe in die Stadt gefahren, und auf der Elbe findet ein Drachenbootrennen statt.
Typischer Fall von Urkunde falsch
Das Dumme ist nur: Die Urkunde im Staatsarchiv ist gar nicht echt. Sie ist eine Fälschung. Das hat vor hundert Jahren ein Hamburger Historiker herausgefunden. Heinrich Reincke hat sich - offenbar als erster - die Urkunde mal wirklich genau angesehen. Und er hat viele Dinge gefunden, die Fachleute äußerst misstrauisch machen. Die Schrift - stimmt nicht. Im Jahr 1189 hat man anders geschrieben.
Die Schrift auf dem Pergament muss ungefähr hundert Jahre jünger sein.
Die Namen der Zeugen - stimmen nicht. Eine Kaiserurkunde braucht viele wichtige Zeugen. In der Hamburger Urkunde sind bloß vier Zeugen benannt, und die waren so unwichtig, dass man bis heute nicht rausbekommen hat, wer sie gewesen sein mögen.
Das große Siegel - stimmt noch viel weniger. Es gehört gar nicht Friedrich Barbarossa, sondern seinem Enkel, Friedrich II, der auch Kaiser gewesen ist. Allerdings sechzig Jahre später. Es stimmt so vieles nicht, dass man heute sicher ist: Diese Urkunde kann nicht vom 7. Mai 1189 stammen, und auch nicht von Kaiser Barbarossa. Diese Urkunde haben die Hamburger Ratsherren fälschen lassen, und zwar nachträglich, um das Jahr 1260.
Einfach mal vordatiert
Warum aber sollten die sowas tun? Der Grund war der: Es gab mit einem Mal Konkurrenz. Zwischen der Mündung der Elbe in die Nordsee und dem Hamburger Hafen liegt die Stadt Stade. Stade hatte auch einen Elbhafen. Und im Jahr 1259 hat Stade vom Bremer Erzbischof das sogenannte Stapelrecht erhalten. Damit durfte die Stadt alle auf der Elbe fahrenden Handelsschiffe anhalten. Die Schiffer mussten ihre Ware abladen und ein, zwei Tage lang im Hafen von Stade aufgestapelt zum Verkauf anbieten. Außerdem durfte Stade Zoll verlangen.
Für den Hamburger Hafen war das existenzgefährdend.