Wer einen Schneekristall unter ein Mikroskop legen will braucht ein ruhiges Händchen. Und Geduld. Die hatte der Schneeforscher Wilson Alwyn Bentley, geboren am 9. Februar 1865.
In den Armen ein junges Lamm, daneben ein blökender Dämon mit geweiteten Nüstern und scharfen Tierklauen: So stellte der in Nürnberg geborene Maler Hans Sebald Beham seine Allegorie der Geduld dar: 1540 in Kupfer gestochen, lieferte er ein Bild über einen Seelenzustand, der für viele menschliche Aufgaben eine unabdingbare Voraussetzung ist, vor allem für Forscher und noch mehr für solche, die sich mit der Wetterkunde beschäftigen oder gar mit solch flüchtigen Phänomenen wie Schneeflocken.
Erste Fotografien von Schneekristallen
Der US-amerikanische Schneeforscher Wilson Alwyn Bentley brauchte sehr viel Geduld bei der Arbeit. Bentley war hingerissen von Schneekristallen und vermutete: keiner gleicht dem anderen. 1882, als 17jähriger, erbettelte er von seinen Eltern einen Fotoapparat und ein Mikroskop: ein Ereignis, das sein Leben bestimmen sollte. Zwei Jahre lang war er zunächst nur mit Experimenten beschäftigt. Dann endlich gelang ihm die erste scharfe Aufnahme eines Schneekristalls.
In der Folgezeit schaffte Wilson Bentley pro Jahr etwa ein Dutzend gelungener Bilder der zarten weißen Sterne, Netze und Blüten. Später bracht er es sogar auf 40 pro Jahr. Die sechsarmigen Naturwunder fotografierte er auf schwarzem Hintergrund.
Bentley war zweifellos ein besessener Enthusiast. Dass ihn sein Vater,
sein Bruder und die Nachbarn für etwas merkwürdig und seine Forschungen für völlig überflüssig hielten, kümmerte ihn wenig. 1910 schrieb er in der
US-amerikanischen Zeitschrift “The Technical World Magazine“ über das Mysterium der Schneekristalle: “Seit über einem halben Jahrhundert studiere ich es und die Arbeit erweist sich als unglaublich faszinierend. Denn jeder Schneefall während all dieser Jahre brachte Erkenntnisse, die in meinen Augen neu und wunderschön waren.“
Nur unversehrte Kristalle
Das Leben, ein Geduldsspiel: Am Ende hatte Wilson Bentley über
5000 Schneekristalle fotografiert - dies ist umso erstaunlicher, als er nur die unversehrten dieser Miniaturgebilde ablichtete, das heißt, solche, deren sechs Arme genau punktsymmetrisch ausgewachsen waren. Um einen unversehrten Kristall zu finden, musste Bentley viele Flocken unters Mikroskop legen, denn wenn der Wind bläst und die Kristalle sich zu Flocken zusammenballen, kommt kaum eines der zarten Elemente heil auf der Erde an.
Wilson Bentley, der am 9. Februar 1865 in Jericho, im US-amerikanischen Bundesstaat Vermont geboren wurde, bewies mit seinen Forschungen:
kein Schneekristall gleicht dem anderen. Dennoch haben sie alle etwas gemeinsam: Sie bestehen aus sechs filigranen Armen, die jeweils von der Mitte ausgehen. Er ahnte bereits, was Meteorologen Jahrzehnte später bestätigten und im Detail erforschten: Ihre Form hängt ab von der Feuchtigkeit der Luft und der Temperatur, die während des Flugs herrscht. Übrigens: etwa 3000 Meter über der Erde entsteht bei etwa 15 Grad minus aus kleinsten Wassermolekülen genau das, was Wilson Alwyn Bentley sein Leben lang faszinierte: die sternförmige Struktur der wundersamen Schneekristalle.