Um den Ursprung der mysteriösen Klangfarbe der Kniegeige Erhu zu erkunden, haben wir uns auf den Weg in die Heimat der Erhu-Handwerkskunst gemacht, nach Meicun.
Die kleine Gemeinde Meicun befindet sich im Osten der Stadt Wuxi, der ostchinesischen Provinz Jiangsu. Sie liegt am Ufer des Taihu-Sees. Umgeben von der Wasserlandschaft, bewahrt die Ortschaft ein bedeutendes kulturelles Erbe. Aus dieser Gegend stammen nicht nur Generationen von Literaten und Kaligrafen, sondern auch eine Vielzahl von Handwerksmeistern. Denn heute wird in Meicun noch das uralte Handwerksverfahren zur Herstellung von Erhus gepflegt. Jedes Jahr kommen zahlreiche Erhu-Meister und -Spieler in den Ort, um eines der hochwertigen Instrumente zu erstehen.
Ein Blick in die Handwerksstätten verrät, dass die moderne Industrie hier noch keinen Einzug gehalten hat. In den primitiven Handwerksstätten sitzen alte Handwerker mit Brillen konzentriert über ihrer Arbeit, auf dem Boden um sie herum sammeln sich Holzspäne und –splitter.
Etwa 200 Quadratmeter groß ist der Arbeitsplatz in einer der alten Werkstätten. Zu dem Quietschen alter Ventilatoren mischt sich das Geräusch von hämmern und meißeln. Über vierzig Handwerker arbeiten hier an der Herstellung von Erhus. Verschiedene Zubehöre und Einzelteile der Geigen werden sortiert gestapelt.
Diese alte Werkstatt ist zwar klein, deckt jedoch die komplette Produktionskette ab. Angefangen von der Rohstoff-Auswahl über die Konstruktion und Herstellung bis hin zur Werbung und Vermarktung.
Auf den ersten Blick ist den Instrumenten nicht anzusehen, wie aufwendig ihre Herstellung tatsächlich ist. Erhus bestehen grundsätzlich aus einem Kopf, Hals, Griff, Schallkörper, Saiten und einem Bogen. Das Herstellungsverfahren beinhaltet allerdings bis zu Hundert verschiedene Arbeitsgänge. Keine der Geigen verlässt die Werkstatt, ohne die Prüfung durch den Meister bestanden zu haben. Dieser begutachtet am Ende jedes Kunstwerk auf seine Qualität und seinen Wert.
Die Erhus werden zum Teil für Hunderte bis mehrere zehn Tausende Yuan RMB verkauft. Was sind die Kriterien, nach denen eine Erhu begutachtet wird?
Der 72-jährige Meister Wan Qixing ist gerade dabei, eine neu gebaute Erhu zu testen. Er erklärt:
„Die Anforderungen an das Erhu-Kunsthandwerk sind sehr hoch. Diese Erhu ist beispielsweise von hoher Qualität. Nicht nur bezüglich der Klangfarbe und Klanggröße, sondern auch in Hinblick auf ihre Verzierungen. Aber natürlich ist die Frage der Klangfarbe die entscheidende. Der Bau einer Erhu ist eine Kunst für sich. Ich bin nun bereits seit 60 Jahren in diesem Beruf tätig. Nach meiner Erfahrung sind die folgenden zwei Punkte wichtig: Erstens die Wahl der Rohstoffe. Der Schallkörper wird beispielsweise mit einer Schlangenhaut überzogen. Die am besten dafür geeigneten Schlangenhäute kommen aus Vietnam und aus den Bergregionen in Myanmar – wie diese hier. Diese Erhu hat den Goldenen Preis auf internationalen Erhu-Wettbewerben gewonnen. Die Klangfarbe ist wunderschön. Zweitens ist der hohe Anspruch an jeden Arbeitsschritt wichtig. Von der Formgebung bis zur handwerklichen Verzierung. Die äußere Gestalt sollte makellos und schön sein."
Zu der Auswahl der Holzstoffe für den Bau einer Erhu erklärt uns Meister Wan weiter:
„Es müssen sehr alte Hölzer sein. Wir arbeiten zum Teil mit Hundert bis zu mehreren Hundert Jahre alten Hölzern. Woher wir dieses Holz nehmen? Hier sehen wir alte Möbel aus der Ming- und der Qing-Dynastie (1368-1911) stehen. In diesem Holz ist nur noch ein geringer Wasser- und Ölanteil vorhanden. Damit entspricht es genau den richtigen Voraussetzungen für eine spätere perfekte Klangfarbe des Instruments."
Neben der Qualität des Holzes und der Einzelteile ist natürlich auch das Herstellungsverfahren für Qualitätssicherung entscheidend. Dieses ist in der Gemeinde über Generationen erprobt worden.
Viele der heute älteren Handwerker begannen ihre Arbeit in den Erhu-Handwerksstätten mit etwas über zehn Jahren. Sie haben nur wenige Jahre Schulbildung hinter sich. Doch das Handwerk der Erhu-Herstellung beherrschen sie auf der Basis Jahrzehnte langer Erfahrung zur Perfektion. Dies ist das Kapital der Gemeinde Meicun.