Louis: Meine Damen, mein Bruder Otto hat gestern Abend das Gedicht von Hoffmann von Fallersleben mit mir studiert. Wollen Sie es von mir hören?
Anna: Bitte, Louis.
Bella: O, ja, ja.
Louis: Soll ich beginnen? Ja? und wenn ein Wort kommt, das Sie nicht verstehen, so sagen Sie: Halt! Nicht wahr, Anna?
Anna: Sehr wohl.
Louis:
Wer hat die schönsten Schäfchen?
Die hat —— —— —— ——
Anna: Halt, Louis, halt! Schäfchen? Was ist das?
Louis: Schäfchen ist ein kleines Schaf, Lämmchen ist ein kleines Lamm, und Häuschen ist ein kleines Haus. Ist das nicht recht, Otto?
Otto: Ganz recht, Louis.
Bella: Ist die Endsilbe »chen« dasselbe, wie die Endsilbe »lein«?
Otto: Ja wohl. Sie können von einem kleinen Baume sagen: Bäumlein und Bäumchen und von einer kleinen Rose: Röslein und Röschen.
Bella: Ah, ich verstehe.
Otto: Im Deutschen ist ein Wort: »Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr.[IV-9]«
Bella: Ich verstehe: »Hans« ist ein Name,[IV-10] nicht wahr?
Otto: Ja, mein Fräulein; noch eins möchte (= will) ich sagen. Sie sagen: Die Rose, der Baum, aber Sie sagen nicht: die Röslein, der Bäumchen; Sie sagen: Das Röslein; das Bäumchen.
Bella: Ist »das« vor allen Wörtern mit chen und lein?
Otto: Ja, so ist es.
Louis:
Die hat der goldne Mond
Der hinter uns —— —— ——
Anna: Halt! Hinter.
Louis: Hinter — hinter. Ich weiß es; aber ich kann es Ihnen nicht im Deutschen sagen. Otto, bitte, hilf mir!
Otto: Anna, ist der Mond immer am Himmel?
Anna: Nein, er ist nicht immer am Himmel.
Otto: Warum können Sie den Mond oft nicht sehen wenn er am Himmel ist? Warum nicht?
Anna: Weil das Wetter oft nicht klar ist.
Otto: Und weil ein Haus vor dem Monde ist, oder ein Baum oder viele Bäume, nicht wahr?
Anna: Ja.
Otto: Nun wohl. Das Haus und die Bäume sind vor dem Monde; der Mond ist hinter dem Hause und hinter den Bäumen.
Anna: O ja, ich verstehe es; im Englischen ist es dasselbe Wort — behind.
Louis:
Der hinter unsern Bäumen
Am blauen Himmel wohnt.
Sie verstehen das Wort »wohnt«; nicht wahr? Ich wohne in der 5. Avenue; der Präsident wohnt in Washington, und der deutsche Kaiser wohnt in Berlin. So, das ist der erste Vers; nun kommt der zweite:
Er kommt am späten .....
Anna: Späten? Was ist spät? Ich habe das Wort schon gehört, aber ich habe es vergessen (ich vergesse, ich vergaß, ich habe vergessen). Was ist spät?
Louis: Spät ist nicht früh; früh ist nicht spät. Wenn ich zehn Minuten nach zwölf komme, dann komme ich spät; und komme ich zehn Minuten vor zwölf, dann komme ich früh.