Die Erklimmung Petinas.
An Adam Moltke.
»Zu der Spitz'! auf! folge mir, Freund! wo der Alpaar
Uns voranfliegt, auf! zu dem Gipfel empor!
Mir ist Ebne der Berg in des höheren Näh',
Und der höhere selbst, wenn der höchste noch winkt, ist mir Thal.« –
»Es erhebt den schwebenden Adler
Ein lustiger Fittig. Es trägt
Uns der klebende Fuß. Unersteiglich erscheint mir
Die Spitze des Bergs!» –
»Wie sie glänzt! schau! nicht nur der Aar, auch der Steinbock,
Den die Luft nicht trug, hat ereilet das Ziel
Triumphirenden Sprungs. Laß mit Hohn doch herab
Ihn nicht blicken auf uns, die wir zögern, zu klimmen die Bahn!« –
»Wie der Pfeil vom Bogen, so schießt er,
Geschnellt, vom Geklipp zum Geklipp!
Und es heben im Fall ihn gewundene Hörner,
Verfehlt er den Sprung.« –
»Wer nicht kühn wagt, sieget auch nicht. Die Gefahr ist
Der Begeisterung Sporn. Uns erhebt ja der Geist,
(Der Unsterblichen Fittig!) es schützen vor Fall
Uns vereinete Kräfte; wo nicht, dann vergehn wir vereint!« –
»Arm in Arm dann, ohne Zurückschaun!
Hinan! durch die Wolken hinauf
Zu dem Ziele, das hoch in dem Aether uns winket
Am Gipfel des Bergs!« –
Von dem See, wo Tell, in dem Sturm, auf den Fels sprang,
Und des Zwingherrn Kahn mit der Ferse zurück
In's Gewoge der Brandungen stieß, bis hinauf
Zur dämonischen Brücke, von da zu den Klausnern empor,
Und von da, stets steigend, zum Kreuz auf,
Wo plötzlich hinab sich der Pfad
Nach Hesperien senkt, war gewandert uns schon die
Betretene Bahn.
Und hinan ging's, Hand nun in Hand, wo kein Fuß trat.
Wie der Blutschweiß tropf von der glühenden Stirn!
Doch es stieg uns der Muth, wie begegnend versank
Uns zur Seite, nun schäumend, nun rieselnd, nun quillend, der Bach.
Es verlor sich schon zum Gemurmel
Der Sturz in der engeren Kluft,
Und es lagen, wie wogichte Hügel, Adulas
Gesunkene Höhn.
Und hinauf stieg's, schweigenden Gangs, wo des Felshaupts
Unumwölkete Stirn zu den Sternen sich hebt;
Wo dem klimmenden Fuß der sich lösende Pfad
Des zersplitterten Zackens hinab mit Gerassel entrollt.
Und es schwieg des Quellchens Gemurmel;
Es sank das umwölkte Gebirg;
Und es sanken zur Ebne die Alpen; es sanken
Die Hörner umher.
Doch es stieg stets kühner die Bahn. Nicht dem Fuß nur,
Auch dem Blute der klammernden Hände entglitt
Der verwitterte Fels in der schwindlichten Höh',
Und mit dumpfem Grolle versank in der Tiefe der Schutt.
Wie die Raup' am fasrigen Blättchen
Im zitternden Wipfel des Baums
Hängt, hingen wir dort in der hohen Verwittrung,
Und athmeten nicht.
Denn der Erdkreis sank uns umher und dem Blick schwand
In umnachtendem Dunkel die ganze Natur,
Als vorüber uns rauschte der Tod. Von dem Haupt
Des Gebirgs, das erzitterte, stürzte mit Donnern ein Trumm,
O wie nah uns! Hätt' er im Sturz dich
Berührt, im verborgensten Schlund
Der Zertrümmerung lägen wir, Moltke, beisammen,
Nun weißes Gebein.
Doch der Schutzgott wollte das nicht, der vorher uns.
Unauflöslicher noch, als vereinte Gefahr
Und getheilete Wonn' in der Jugend verknüpft,
An einander zu binden beschloß, und (wir fühlen es!) band.
Wie die Raup' am fallenden Blättchen
Sich windet, erzittert, und wähnt,
Sie vergeh' – und empor, mit entwickelten Flügeln,
Als Schmetterling schwebt:
So vom Tod auf rief uns im Sturze des Trumms Hall.
Wir erwachten, erschüttert, am bebenden Rand
Des ätherischen Grabs, und, beflügelt von dir,
O Begeisterung! schwangen wir kühn uns zum Gipfel empor:
»Hallelujah! Jubel und Preis ihm,
Des Odem wir athmen, des Licht
Wir nun trinken! o Wonne! des Ewigen Flügel
Umrauschen uns hier!
Hallelujah! Wonnetriumph! wie der Weltdom,
Wie des Ewigen Thron unermeßlich sich wölbt!
Wie die Sonne sich neigt vor dem Vater des Lichts!
Hallelujah!« Wir sangen's und knieeten am Fuße des Throns.
Auf Petinas heiligem Gipfel
Verklärt, im erhabnen Gefühl
Der allmächtigen Näh', in der Stille des Himmels
Umarmten wir uns.