Die Mutter an den schlummernden Säugling.
An Cornelia Scheffer.
(Nach Clotilde).
Schlaf', holdseliger Knabe, des Vaters liebliches Kleinbild,
Schlaf' an der zärtlichen Brust, welche dein Mündchen mir preßt!
Drück' an dem weichen Busen dein Aeugelein, welches der Schlummer
Halb einhüllete, zu! Schlaf', Unschuldiger, süß!
Engel im Schooße der Mutter! geneuß die segnende Fülle
Dieses balsamischen Schlafs, ach! der mich Sorgende flieht!
Dich zu betrachten, zu pflegen dich, Kind! und dich zu beschirmen,
Wach' ich; und o! wie so gern' wach' ich, Geliebter! für dich!
Schlafe, mein Alles, mein' einzige Sorg' und einzige Wonne!
Schlummere sanft in dem Schooß, der dich, o Süßer! gebar!
Noch erfreut mich kein Wörtchen von dir. noch sprichst du nicht: Mutter!
Aber du lächeltest mir diese Benennung schon oft;
Wirst beim Erwachen gewiß, o Sohn! mir wieder sie lächeln,
Wenn in mein trunkenes Aug' eben entschlummert du blickst.
Oft hat dein Blick dem meinen gesagt, du kennest die Mutter!
Spiegel ja war dir mein Aug'; auch ist mein einziger deins.
Wie? dein Lilienhändchen, du Loser, verlässet die Brust schon,
Welche dein keimendes Herz neulich mit Nahrung getränkt?
Ach! du sogst so gewaltig! Doch sogst auch selbst mir die Seele,
Knab', aus der Brust; o, wie gern reicht' ich doch wieder sie dir!
Süßer Junge! holdseliges Kind! mein Alles! mein Abgott!
Meine beständige Lieb', ach! und belohnende Lust!
Immer betracht' ich dich, immer; und doch, dich mehr zu betrachten,
Scheinet zu kurz mir der Tag, scheinet zu kurz mir die Nacht.
Jetzo starren die Finger; das Köpfchen gleitet vom Busen;
Ganz sind die Aeugelein zu; stille nun liegt er – er schläft.
Blühten nicht rosig, wie Aepfel, der Backen liebliche Ründchen,
Sollte man schwören, er läg' in der Umarmung des Tods!
Weh'! holdseliges Kind! erwach'! ich bebe – der Schauder
Greift mich Zitternde schon! scheuche das gräßliche Bild!
Ach! entschlummre! wach' auf! Ein'n Augenblick auf die Kosten
Deiner Ruhe, mein Sohn, gib mir die meine zurück! –
Sieh'! er lächelt im Traum! Gott Lob! ich athme beruhigt! –
Flattr', unschuldiger Traum, hold um des Engeleins Schlaf!
Ach! wann werd' ich ihn sehn, des Bild so lebend er darstellt,
Mir zur Seite sich freun seines Erwachens? o wann?
Wann, wann wirst du ihn sehn, den schönsten der sterblichen Männer,
Der das Leben dir gab, meinen geliebten Gemahl?
Ach! schon seh' ich, versetzt in den Himmel, wie du die Händchen
Gegen den Kommenden streckst – Wonne der Wonnen! Er naht!
Wie er sich weidet, entzückt, an deinem begrüßenden Kosen!
Wie er sich streitet mit mir um den beneideten Kuß!
Wähne doch nicht ausschließend für dich Liebkosungen, Junge!
Seiner Clotilde gewiß spendet er eben so viel!
O, wie er freuen sich wird, in dir zu schauen sein Abbild!
Seinen so funkelnden Blick, feurig, und kühn, und doch sanft!
Seine gewölbete Stirn! und sein Antlitz ganz, wie wohl Amor
Selbst kein holderes zeigt, auch wenn er siegend erscheint!
Seine Miene! sein lockiges Haar! sein himmlisches Lächeln!
O, wie in jeglichem Zug bist du zum Staunen er selbst!
Doch, was staun' ich? wie hätt' ein anderer auch, als er selber,
Je mir keimen gekonnt, je mir entblühen im Schooß!
Sollt' er aber noch mehr, als mir, liebkosen dir, Junge,
Zürnen werd' ich doch nie! gönn' ich doch Alles dir gern!
Sey nur einst, wie er selbst, die Wonne der liebenden Gattin!
Laß doch so lange sie nicht, wie er mich Einsame ließ!
Immer red' ich dich an, und du hörst nicht! Aber, o Wahnsinn!
Würdest du wohl mich verstehn, wärst du auch völlig erwacht!
Armer Kleiner! Das zarte Geknäu'l der lockeren Fädchen
Deiner Gedanken sind nicht, meinen zu folgen, entwirrt!
Alle doch sind wir gewesen, wie du, wie jetzo du da liegst –
Ach! die so düstre Vernunft kömmt dir noch frühe genug!
Weil', o weile noch lang' in der Unschuld friedlicher Blüthe,
Daß der Erinnerung Kranz kröne die Reife der Frucht!