Ringsumher schossen neue kleine Buchen hervor, die ebenso schnell wie ihre Eltern wuchsen. Sie sahen so frisch und vergnügt aus, wie wenn sie nichts von einem bösen Gewissen wüßten.
Aber die alte Eiche schaute traurig über den Wald hin. Überall kamen die hellen Buchenblätter hervor, und die Eichen seufzten und klagten sich gegenseitig ihre Not.
„Sie reißen die Herrschaft an sich!“ schrien sie und schüttelten sich, soweit die Buchen es zuließen. „Das Land ist nicht mehr unser.“
Ein Zweig nach dem andern starb ab, und der Sturm brach die Äste ab und warf sie zu Boden. Die alte Eiche hatte jetzt nur noch ein paar Blätter am Wipfel.
„Bald ist’s aus mit mir!“ sagte sie ernst.
Aber jetzt gab es viel mehr Menschen im Lande als früher; und die beeilten sich, die Eichen zu fällen, solange noch welche da waren.
„Eichenholz ist besser als Buchenholz,“ meinten sie.
„Da haben wir wenigstens endlich einmal etwas Anerkennung gefunden,“ sagte die alte Eiche. „Aber wir werden’s mit dem Leben bezahlen müssen.“
Und zu den Buchen sagte sie:
„Was habe ich doch nur gemacht, daß ich euch geholfen habe, als ihr klein wart! Was bin ich doch für ein alter Tor gewesen! Früher waren wir Eichbäume die Herren im Lande, und jetzt muß[S. 210] ich Jahr für Jahr sehen, wie meine Brüder rings im Kampfe mit euch den kürzeren ziehen. Mit mir selbst ist es nun auch bald aus, und nicht eine von meinen Eicheln hat in eurem Schatten keimen können. Aber bevor ich sterbe, möchte ich doch wissen, wie ihr so ein Benehmen eigentlich nennt?“
„Das ist bald gesagt, alter Freund!“ antworteten die Buchen. „Wir nennen’s Konkurrenz, und wir haben sie nicht erfunden. Sie erhält und regiert die Welt.“
„Ich verstehe eure Fremdwörter nicht,“ sagte die Eiche. „Ich nenne es schnöde Undankbarkeit.“