„Die Geschichte ist bald erzählt,“ sagte der Zaunkönig. „Aber es ist sehr gut, wenn recht viele[S. 174] sie erfahren. Der Jugend ist es dienlich, den Alten zuzuhören.“
Und nun schrie das Zaunkönigweibchen, so laut es mit seinem dünnen Stimmchen konnte; und von allen Seiten her flogen viele Zaunkönige, Neuntöter, Lerchen, Zeisige, Stieglitze und manch andere kleine Vögel herbei. Und sie ließen sich in den Büschen ringsum nieder und blickten gespannt auf das Zaunkönigweibchen und lauschten.
„Kennt ihr nicht den großen grauen Vogel, der manchmal unsre Nester umschleicht?“ fragte der Zaunkönig.
„Ich kenne ihn recht gut. Das ist der Habicht,“ rief ein vorlauter junger Stieglitz.
„Nein, du Naseweis!“ sagte der Zaunkönig. „Ich wollte, du hättest recht! Das wäre viel besser für uns; denn dann würden wir einfach gefressen, und damit gut. Der Habicht holt uns für seine Jungen, wie wir Fliegen und Larven für unsere Kinder fangen. Das ist ehrlich Spiel, und so ist nun einmal der Lauf der Welt; dagegen läßt sich nichts sagen, wenn es auch für den, der gefressen wird, recht traurig ist. — — Nein, der Vogel, von dem ich rede, heißt Kuckuck. Er sieht ungefähr aus wie ein Habicht, ist aber kein so verwegener Räuber und überhaupt kein ehrenwerter Vogel, der seinen Kindern Nahrung verschafft; er ist ein heimtückischer, fauler Patron, der nicht arbeitet, sondern nur im Walde umherfliegt, sich brüstet und ‚Kuckuck‘[S. 175] ruft. Glaubt nicht etwa, daß er ein Nest baut wie wir anständigen Vögel. Noch nie hat er zwei Strohhalme aufeinandergelegt. Noch nie hat er seine Eier ausgebrütet oder seine Jungen in den kalten Nächten gewärmt oder ihnen eine Fliege in ihre kleinen gelben Schnäbel gesteckt.“
„Gott erbarme sich!“ rief Frau Neuntöter dazwischen. „Was tut er denn?“
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