Die kleinen Vögel ringsum auf den Zweigen zitterten vor Entsetzen. Das Neuntöterpärchen starrte den Zaunkönig sprachlos an, und die Federn der beiden Vögel sträubten sich vor Schreck.
„Seht die beiden dort!“ rief der Zaunkönig und zeigte auf die Neuntöter. „Die haben in diesem[S. 176] Sommer das Kuckuckskind in Pflege gehabt. Seht, wie mager und zersaust sie aussehen! Fragt sie, wo ihre eigenen Kinderchen geblieben sind! Wollt ihr aber das böse Pflegekind sehen, das sitzt da unten im Grase und sperrt gierig den Schnabel auf.“
Da blickten alle Vögel auf das große Kuckucksjunge, und sie erhoben ein lautes Geschrei:
„Kuckuckskind! Kuckuckskind!“
Der verspottete Vogel lief ein Stück weiter auf die Wiese hinaus, drehte sich dann um und schrie:
„Es ist nicht wahr! Es ist nicht wahr! Ich bin weder böse noch undankbar!“
Aber die Vögel flogen hinter ihm her und wollten ihn tothacken. Allen andern voran drang der junge Stieglitz mit lautem Geschrei auf ihn ein. Ganz hinten folgten dem Schwarme die beiden Neuntöter. Obwohl sie tief verzweifelt waren über das, was sie gehört hatten, baten sie doch flehentlich, dem jungen Kuckuck nichts zuleide zu tun.
„Es ist ja unser einziges!“ jammerte Mutter Neuntöter. „Ich habe es ausgebrütet, und wir haben es großgezogen. Gewissermaßen ist es ja doch nun einmal unser Kind.“
In diesem Augenblick versetzte der junge Kuckuck dem Stieglitz einen Stoß mit dem Schnabel, daß er umfiel.
„Ich bin groß genug, mich allein zu verteidigen,“ rief er. „Ich sehe aber, daß der Schein[S. 177] gegen mich ist; darum will ich meiner Wege gehen. Ich danke meinen Pflegeeltern für alles Gute, das sie mir erwiesen haben; aber ich glaube nicht an die Geschichte des Zaunkönigs; so wahr ich lebe, will ich die Wahrheit an den Tag bringen, und wenn ich auch bis ans Ende der Welt reisen müßte!“